als Kreuzestodes ihm in den Mund gelegt, mithin die eige- nen Worte Jesu nach dem Erfolg verändert. Wenn näm- lich Jesus bei Johannes sonst passivisch von einem upso- thenai des Menschensohns spricht, so konnte er hiemit zwar möglicherweise seine Erhebung zur Herrlichkeit meinen, wiewohl diess 3, 14. wegen der Vergleichung mit der mo- saischen Schlange, die bekanntlich an einer Stange er- höht worden ist, bereits schwer fällt: aber wenn er nun 8, 28. das Erhöhen des Menschensohns als That seiner Feinde darstellt (otan upsosete ton uion t. a.), so konn- ten diese ihn nicht unmittelbar zur Herrlichkeit, sondern nur zum Kreuz erheben, und Johannes muss also, wenn unser obiges Resultat gelten soll, diesen Ausdruck selbst gebildet, oder doch die aramäischen Worte Jesu schief übersezt haben, und er fällt daher mit den Synoptikern im Wesentlichen unter eine Kategorie. Dass er übrigens grösstentheils das Bestimmte, was er sich dabei dachte, Je- sum in dunkeln Ausdrücken vortragen liess, diess hat in der ganzen Manier dieses Evangelisten seinen Grund, des- sen Neigung zum Räthselhaften und Mysteriösen hier der Forderung, Weissagungen, die nicht verstanden worden waren, auch unverständlich einzurichten, auf erwünschte Art entgegenkam.
Jesu auf diese Weise eine Vorherverkündigung der einzelnen Züge seines Leidens, namentlich der schmachvol- len Kreuzigung, aus dem Erfolge heraus in den Mund zu legen, dazu war die urchristliche Sage hinlänglich ver- anlasst. Je mehr der gekreuzigte Christus Ioudaiois men skandalon, Ellesi de moria war (1 Kor. 1, 23.): desto mehr that es Noth, diesen Anstoss auf alle Weise hinweg- zuschaffen, und wie hiezu unter dem Nachhergeschehenen besonders die Auferstehung, als gleichsam die nachträg- liche Aufhebung jenes schmachvollen Todes, diente: so musste es erwünscht sein, jener anstössigen Katastrophe auch schon vorläufig den Stachel zu benehmen, was
Dritter Abschnitt.
als Kreuzestodes ihm in den Mund gelegt, mithin die eige- nen Worte Jesu nach dem Erfolg verändert. Wenn näm- lich Jesus bei Johannes sonst passivisch von einem ὑψω- ϑῆναι des Menschensohns spricht, so konnte er hiemit zwar möglicherweise seine Erhebung zur Herrlichkeit meinen, wiewohl dieſs 3, 14. wegen der Vergleichung mit der mo- saischen Schlange, die bekanntlich an einer Stange er- höht worden ist, bereits schwer fällt: aber wenn er nun 8, 28. das Erhöhen des Menschensohns als That seiner Feinde darstellt (ὅταν ὑψώσητε τὸν υἱὸν τ. ἀ.), so konn- ten diese ihn nicht unmittelbar zur Herrlichkeit, sondern nur zum Kreuz erheben, und Johannes muſs also, wenn unser obiges Resultat gelten soll, diesen Ausdruck selbst gebildet, oder doch die aramäischen Worte Jesu schief übersezt haben, und er fällt daher mit den Synoptikern im Wesentlichen unter eine Kategorie. Daſs er übrigens gröſstentheils das Bestimmte, was er sich dabei dachte, Je- sum in dunkeln Ausdrücken vortragen lieſs, dieſs hat in der ganzen Manier dieses Evangelisten seinen Grund, des- sen Neigung zum Räthselhaften und Mysteriösen hier der Forderung, Weissagungen, die nicht verstanden worden waren, auch unverständlich einzurichten, auf erwünschte Art entgegenkam.
Jesu auf diese Weise eine Vorherverkündigung der einzelnen Züge seines Leidens, namentlich der schmachvol- len Kreuzigung, aus dem Erfolge heraus in den Mund zu legen, dazu war die urchristliche Sage hinlänglich ver- anlaſst. Je mehr der gekreuzigte Christus Ἰουδαίοις μὲν σκάνδαλον, Ἕλλησι δὲ μωρία war (1 Kor. 1, 23.): desto mehr that es Noth, diesen Anstoſs auf alle Weise hinweg- zuschaffen, und wie hiezu unter dem Nachhergeschehenen besonders die Auferstehung, als gleichsam die nachträg- liche Aufhebung jenes schmachvollen Todes, diente: so muſste es erwünscht sein, jener anstöſsigen Katastrophe auch schon vorläufig den Stachel zu benehmen, was
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0329"n="310"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#g">Dritter Abschnitt</hi>.</fw><lb/>
als Kreuzestodes ihm in den Mund gelegt, mithin die eige-<lb/>
nen Worte Jesu nach dem Erfolg verändert. Wenn näm-<lb/>
lich Jesus bei Johannes sonst passivisch von einem <foreignxml:lang="ell">ὑψω-<lb/>ϑῆναι</foreign> des Menschensohns spricht, so konnte er hiemit zwar<lb/>
möglicherweise seine Erhebung zur Herrlichkeit meinen,<lb/>
wiewohl dieſs 3, 14. wegen der Vergleichung mit der mo-<lb/>
saischen Schlange, die bekanntlich an einer Stange er-<lb/>
höht worden ist, bereits schwer fällt: aber wenn er nun<lb/>
8, 28. das Erhöhen des Menschensohns als That seiner<lb/>
Feinde darstellt (<foreignxml:lang="ell">ὅτανὑψώσητετὸνυἱὸντ. ἀ.</foreign>), so konn-<lb/>
ten diese ihn nicht unmittelbar zur Herrlichkeit, sondern<lb/>
nur zum Kreuz erheben, und Johannes muſs also, wenn<lb/>
unser obiges Resultat gelten soll, diesen Ausdruck selbst<lb/>
gebildet, oder doch die aramäischen Worte Jesu schief<lb/>
übersezt haben, und er fällt daher mit den Synoptikern<lb/>
im Wesentlichen unter eine Kategorie. Daſs er übrigens<lb/>
gröſstentheils das Bestimmte, was er sich dabei dachte, Je-<lb/>
sum in dunkeln Ausdrücken vortragen lieſs, dieſs hat in<lb/>
der ganzen Manier dieses Evangelisten seinen Grund, des-<lb/>
sen Neigung zum Räthselhaften und Mysteriösen hier der<lb/>
Forderung, Weissagungen, die nicht verstanden worden<lb/>
waren, auch unverständlich einzurichten, auf erwünschte<lb/>
Art entgegenkam.</p><lb/><p>Jesu auf diese Weise eine Vorherverkündigung der<lb/>
einzelnen Züge seines Leidens, namentlich der schmachvol-<lb/>
len Kreuzigung, aus dem Erfolge heraus in den Mund<lb/>
zu legen, dazu war die urchristliche Sage hinlänglich ver-<lb/>
anlaſst. Je mehr der gekreuzigte Christus <foreignxml:lang="ell">Ἰουδαίοιςμὲν<lb/>σκάνδαλον, Ἕλλησιδὲμωρία</foreign> war (1 Kor. 1, 23.): desto<lb/>
mehr that es Noth, diesen Anstoſs auf alle Weise hinweg-<lb/>
zuschaffen, und wie hiezu unter dem Nachhergeschehenen<lb/>
besonders die Auferstehung, als gleichsam die <hirendition="#g">nachträg-<lb/>
liche</hi> Aufhebung jenes schmachvollen Todes, diente: so<lb/>
muſste es erwünscht sein, jener anstöſsigen Katastrophe<lb/>
auch schon <hirendition="#g">vorläufig</hi> den Stachel zu benehmen, was<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[310/0329]
Dritter Abschnitt.
als Kreuzestodes ihm in den Mund gelegt, mithin die eige-
nen Worte Jesu nach dem Erfolg verändert. Wenn näm-
lich Jesus bei Johannes sonst passivisch von einem ὑψω-
ϑῆναι des Menschensohns spricht, so konnte er hiemit zwar
möglicherweise seine Erhebung zur Herrlichkeit meinen,
wiewohl dieſs 3, 14. wegen der Vergleichung mit der mo-
saischen Schlange, die bekanntlich an einer Stange er-
höht worden ist, bereits schwer fällt: aber wenn er nun
8, 28. das Erhöhen des Menschensohns als That seiner
Feinde darstellt (ὅταν ὑψώσητε τὸν υἱὸν τ. ἀ.), so konn-
ten diese ihn nicht unmittelbar zur Herrlichkeit, sondern
nur zum Kreuz erheben, und Johannes muſs also, wenn
unser obiges Resultat gelten soll, diesen Ausdruck selbst
gebildet, oder doch die aramäischen Worte Jesu schief
übersezt haben, und er fällt daher mit den Synoptikern
im Wesentlichen unter eine Kategorie. Daſs er übrigens
gröſstentheils das Bestimmte, was er sich dabei dachte, Je-
sum in dunkeln Ausdrücken vortragen lieſs, dieſs hat in
der ganzen Manier dieses Evangelisten seinen Grund, des-
sen Neigung zum Räthselhaften und Mysteriösen hier der
Forderung, Weissagungen, die nicht verstanden worden
waren, auch unverständlich einzurichten, auf erwünschte
Art entgegenkam.
Jesu auf diese Weise eine Vorherverkündigung der
einzelnen Züge seines Leidens, namentlich der schmachvol-
len Kreuzigung, aus dem Erfolge heraus in den Mund
zu legen, dazu war die urchristliche Sage hinlänglich ver-
anlaſst. Je mehr der gekreuzigte Christus Ἰουδαίοις μὲν
σκάνδαλον, Ἕλλησι δὲ μωρία war (1 Kor. 1, 23.): desto
mehr that es Noth, diesen Anstoſs auf alle Weise hinweg-
zuschaffen, und wie hiezu unter dem Nachhergeschehenen
besonders die Auferstehung, als gleichsam die nachträg-
liche Aufhebung jenes schmachvollen Todes, diente: so
muſste es erwünscht sein, jener anstöſsigen Katastrophe
auch schon vorläufig den Stachel zu benehmen, was
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 2. Tübingen, 1836, S. 310. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus02_1836/329>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.