Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 2. Tübingen, 1836.Zehntes Kapitel. §. 103. eigneter, als der, in welchem der Messias auf dieselbe Wei-se, wie einst er, auf einem Berge verherrlicht wurde. Zu ihm gesellte sich dann von selbst derjenige, welcher nach Mal. 3, 23. am bestimmtesten als messianischer Vor- läufer, und zwar nach den Rabbinen zugleich mit Moses, erwartet wurde. Erschienen beide Männer dem Messias, so ergab sich von selbst, dass sie sich mit ihm unterredet haben werden, und fragte sich's um einen Inhalt dieser Unterredung, so lag vom lezten Abschnitt her nichts näher, als das bevorstehende Leiden und Sterben Jesu, welches ohnehin als das eigentliche messianische Geheimniss des N. T. sich am ehesten zu einer solchen Unterhaltung mit Wesen einer andern Welt eignete, wesswegen man sich wundern muss, wie Olshausen behaupten kann, auf die- sen Inhalt des Gesprächs hätte die Mythe nicht kommen können. So hätten wir also hier einen Mythus, dessen Tendenz die gedoppelte ist, erstens, die Verklärung des Mo- ses an Jesu in erhöhter Weise zu wiederholen, und zwei- tens, Jesum als den Messias mit seinen beiden Vorläufern zusammenzubringen, durch diese Erscheinung des Gesetz- gebers und des Propheten, des Gründers und des Reforma- tors der Theokratie, Jesum als den Vollender des Gottes- reichs, als die Erfüllung des Gesetzes und der Propheten, darzustellen, und seine messianische Würde noch überdiess durch eine Himmelsstimme bekräftigen zu lassen 16). ad ipsos mittam, vos duo eodem tempore venietis. Vgl. Tan- chuma f. 42, 1, bei Schöttgen, 1, S. 149. 16) Für einen Mythus erklärt diese Erzählung Bertholdt, Chri- stologia Jud. §. 15. not. 17; Schulz, über das Abendmahl, S. 319. giebt wenigstens ein Mehr und Minder des Mythi- schen in den verschiedenen evangelischen Relationen der Ver- klärungsgeschichte zu, und Fritzsche, in Matth. p. 448 f. u. 456, führt die mythische Ansicht von derselben nicht oh- ne Zeichen von Beistimmung auf. Vergl. auch Kuinöl, in Matth. p. 459, und Gratz, 2, S. 161 ff. Das Leben Jesu II. Band. 18
Zehntes Kapitel. §. 103. eigneter, als der, in welchem der Messias auf dieselbe Wei-se, wie einst er, auf einem Berge verherrlicht wurde. Zu ihm gesellte sich dann von selbst derjenige, welcher nach Mal. 3, 23. am bestimmtesten als messianischer Vor- läufer, und zwar nach den Rabbinen zugleich mit Moses, erwartet wurde. Erschienen beide Männer dem Messias, so ergab sich von selbst, daſs sie sich mit ihm unterredet haben werden, und fragte sich's um einen Inhalt dieser Unterredung, so lag vom lezten Abschnitt her nichts näher, als das bevorstehende Leiden und Sterben Jesu, welches ohnehin als das eigentliche messianische Geheimniſs des N. T. sich am ehesten zu einer solchen Unterhaltung mit Wesen einer andern Welt eignete, weſswegen man sich wundern muſs, wie Olshausen behaupten kann, auf die- sen Inhalt des Gesprächs hätte die Mythe nicht kommen können. So hätten wir also hier einen Mythus, dessen Tendenz die gedoppelte ist, erstens, die Verklärung des Mo- ses an Jesu in erhöhter Weise zu wiederholen, und zwei- tens, Jesum als den Messias mit seinen beiden Vorläufern zusammenzubringen, durch diese Erscheinung des Gesetz- gebers und des Propheten, des Gründers und des Reforma- tors der Theokratie, Jesum als den Vollender des Gottes- reichs, als die Erfüllung des Gesetzes und der Propheten, darzustellen, und seine messianische Würde noch überdieſs durch eine Himmelsstimme bekräftigen zu lassen 16). ad ipsos mittam, vos duo eodem tempore venietis. Vgl. Tan- chuma f. 42, 1, bei Schöttgen, 1, S. 149. 16) Für einen Mythus erklärt diese Erzählung Bertholdt, Chri- stologia Jud. §. 15. not. 17; Schulz, über das Abendmahl, S. 319. giebt wenigstens ein Mehr und Minder des Mythi- schen in den verschiedenen evangelischen Relationen der Ver- klärungsgeschichte zu, und Fritzsche, in Matth. p. 448 f. u. 456, führt die mythische Ansicht von derselben nicht oh- ne Zeichen von Beistimmung auf. Vergl. auch Kuinöl, in Matth. p. 459, und Gratz, 2, S. 161 ff. Das Leben Jesu II. Band. 18
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Zehntes Kapitel. §. 103.
eigneter, als der, in welchem der Messias auf dieselbe Wei-
se, wie einst er, auf einem Berge verherrlicht wurde.
Zu ihm gesellte sich dann von selbst derjenige, welcher
nach Mal. 3, 23. am bestimmtesten als messianischer Vor-
läufer, und zwar nach den Rabbinen zugleich mit Moses,
erwartet wurde. Erschienen beide Männer dem Messias,
so ergab sich von selbst, daſs sie sich mit ihm unterredet
haben werden, und fragte sich's um einen Inhalt dieser
Unterredung, so lag vom lezten Abschnitt her nichts näher,
als das bevorstehende Leiden und Sterben Jesu, welches
ohnehin als das eigentliche messianische Geheimniſs des
N. T. sich am ehesten zu einer solchen Unterhaltung mit
Wesen einer andern Welt eignete, weſswegen man sich
wundern muſs, wie Olshausen behaupten kann, auf die-
sen Inhalt des Gesprächs hätte die Mythe nicht kommen
können. So hätten wir also hier einen Mythus, dessen
Tendenz die gedoppelte ist, erstens, die Verklärung des Mo-
ses an Jesu in erhöhter Weise zu wiederholen, und zwei-
tens, Jesum als den Messias mit seinen beiden Vorläufern
zusammenzubringen, durch diese Erscheinung des Gesetz-
gebers und des Propheten, des Gründers und des Reforma-
tors der Theokratie, Jesum als den Vollender des Gottes-
reichs, als die Erfüllung des Gesetzes und der Propheten,
darzustellen, und seine messianische Würde noch überdieſs
durch eine Himmelsstimme bekräftigen zu lassen 16).
15)
16) Für einen Mythus erklärt diese Erzählung Bertholdt, Chri-
stologia Jud. §. 15. not. 17; Schulz, über das Abendmahl,
S. 319. giebt wenigstens ein Mehr und Minder des Mythi-
schen in den verschiedenen evangelischen Relationen der Ver-
klärungsgeschichte zu, und Fritzsche, in Matth. p. 448 f.
u. 456, führt die mythische Ansicht von derselben nicht oh-
ne Zeichen von Beistimmung auf. Vergl. auch Kuinöl, in
Matth. p. 459, und Gratz, 2, S. 161 ff.
15) ad ipsos mittam, vos duo eodem tempore venietis. Vgl. Tan-
chuma f. 42, 1, bei Schöttgen, 1, S. 149.
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