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Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 2. Tübingen, 1836.

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Zweiter Abschnitt.
50, 2. 3. Dan. 7, 9 f. 10, 5. 6. Luc. 24, 4. Offenb. 1,
13 ff.), sondern auch die Frommen des hebräischen Alter-
thums, wie Adam vor dem Fall, und unter den folgenden
namentlich Moses und Josua, werden mit einem solchen Licht-
glanz vorgestellt 10), wie denn die spätere jüdische Sage auch
ausgezeichneten Rabbinen in erhöhten Augenblicken über-
irdischen Glanz verlieh 11). Am berühmtesten ist das leuch-
tende Antliz des Moses geworden, von welchem 2. Mos.
34, 29 ff. die Rede ist, und von ihm wurde, wie in an-
dern Stücken, so auch in diesem ein Schluss a minori ad
majus
auf den Messias gemacht, was schon der Apostel
Paulus 2. Kor. 3, 7 ff. andeutet, wiewohl er dem Moses
als dem diakonos tou grammatos nicht Jesum, sondern, ge-
mäss der Veranlassung seines Schreibens, die Apostel und
christlichen Lehrer als diakonous tou pneumatos gegenüber-
stellt, und die den Glanz des Moses überbietende doxa die-
ser lezteren erst als Gegenstand der elpis im zukünftigen
Leben erwartet. Eigentlich aber war doch am Messias
selbst ein dem des Moses entsprechender, ja ihn überstrah-
lender Glanz zu erwarten, und eine jüdische Schrift, wel-
che von unsrer Verklärungsgeschichte keine Notiz nimmt,
argumentirt ganz im Geiste der Juden der ersten christli-
chen Zeit, wenn sie geltend macht, Jesus könne nicht der
Messias gewesen sein, da ja sein Angesicht nicht den Glanz
des Angesichts Mosis, geschweige einen höheren, gehabt
habe 12). Solche Einwürfe, wie sie ohne Zweifel schon

10) Bereschith Rabba 20, 29 (b. Wetstein): Vestes lucis vestes
Adami primi. Pococke, ex Nachmanide (ebendas.): Fulgida
facta fuit facies Mosis instar solis, Josuae instar lunae; quod
idem affirmarunt veteres de Adamo.
11) In Pirke Elieser, 2, findet sich nach Wetstein die Angabe,
inter docendum radios ex facie ipsius, ut olim e Mosis fa-
cie, prodiisse, adeo ut non dignosceret quis, utrum dies
esset an nox.
12) Nizzachon vetus, p. 40, ad Exod. 34, 33. (b. Wetstein): Ecce

Zweiter Abschnitt.
50, 2. 3. Dan. 7, 9 f. 10, 5. 6. Luc. 24, 4. Offenb. 1,
13 ff.), sondern auch die Frommen des hebräischen Alter-
thums, wie Adam vor dem Fall, und unter den folgenden
namentlich Moses und Josua, werden mit einem solchen Licht-
glanz vorgestellt 10), wie denn die spätere jüdische Sage auch
ausgezeichneten Rabbinen in erhöhten Augenblicken über-
irdischen Glanz verlieh 11). Am berühmtesten ist das leuch-
tende Antliz des Moses geworden, von welchem 2. Mos.
34, 29 ff. die Rede ist, und von ihm wurde, wie in an-
dern Stücken, so auch in diesem ein Schluſs a minori ad
majus
auf den Messias gemacht, was schon der Apostel
Paulus 2. Kor. 3, 7 ff. andeutet, wiewohl er dem Moses
als dem διάκονος τοῦ γράμματος nicht Jesum, sondern, ge-
mäſs der Veranlassung seines Schreibens, die Apostel und
christlichen Lehrer als διακόνους τοῦ πνεύματος gegenüber-
stellt, und die den Glanz des Moses überbietende δόξα die-
ser lezteren erst als Gegenstand der ἐλπὶς im zukünftigen
Leben erwartet. Eigentlich aber war doch am Messias
selbst ein dem des Moses entsprechender, ja ihn überstrah-
lender Glanz zu erwarten, und eine jüdische Schrift, wel-
che von unsrer Verklärungsgeschichte keine Notiz nimmt,
argumentirt ganz im Geiste der Juden der ersten christli-
chen Zeit, wenn sie geltend macht, Jesus könne nicht der
Messias gewesen sein, da ja sein Angesicht nicht den Glanz
des Angesichts Mosis, geschweige einen höheren, gehabt
habe 12). Solche Einwürfe, wie sie ohne Zweifel schon

10) Bereschith Rabba 20, 29 (b. Wetstein): Vestes lucis vestes
Adami primi. Pococke, ex Nachmanide (ebendas.): Fulgida
facta fuit facies Mosis instar solis, Josuae instar lunae; quod
idem affirmarunt veteres de Adamo.
11) In Pirke Elieser, 2, findet sich nach Wetstein die Angabe,
inter docendum radios ex facie ipsius, ut olim e Mosis fa-
cie, prodiisse, adeo ut non dignosceret quis, utrum dies
esset an nox.
12) Nizzachon vetus, p. 40, ad Exod. 34, 33. (b. Wetstein): Ecce
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[270/0289] Zweiter Abschnitt. 50, 2. 3. Dan. 7, 9 f. 10, 5. 6. Luc. 24, 4. Offenb. 1, 13 ff.), sondern auch die Frommen des hebräischen Alter- thums, wie Adam vor dem Fall, und unter den folgenden namentlich Moses und Josua, werden mit einem solchen Licht- glanz vorgestellt 10), wie denn die spätere jüdische Sage auch ausgezeichneten Rabbinen in erhöhten Augenblicken über- irdischen Glanz verlieh 11). Am berühmtesten ist das leuch- tende Antliz des Moses geworden, von welchem 2. Mos. 34, 29 ff. die Rede ist, und von ihm wurde, wie in an- dern Stücken, so auch in diesem ein Schluſs a minori ad majus auf den Messias gemacht, was schon der Apostel Paulus 2. Kor. 3, 7 ff. andeutet, wiewohl er dem Moses als dem διάκονος τοῦ γράμματος nicht Jesum, sondern, ge- mäſs der Veranlassung seines Schreibens, die Apostel und christlichen Lehrer als διακόνους τοῦ πνεύματος gegenüber- stellt, und die den Glanz des Moses überbietende δόξα die- ser lezteren erst als Gegenstand der ἐλπὶς im zukünftigen Leben erwartet. Eigentlich aber war doch am Messias selbst ein dem des Moses entsprechender, ja ihn überstrah- lender Glanz zu erwarten, und eine jüdische Schrift, wel- che von unsrer Verklärungsgeschichte keine Notiz nimmt, argumentirt ganz im Geiste der Juden der ersten christli- chen Zeit, wenn sie geltend macht, Jesus könne nicht der Messias gewesen sein, da ja sein Angesicht nicht den Glanz des Angesichts Mosis, geschweige einen höheren, gehabt habe 12). Solche Einwürfe, wie sie ohne Zweifel schon 10) Bereschith Rabba 20, 29 (b. Wetstein): Vestes lucis vestes Adami primi. Pococke, ex Nachmanide (ebendas.): Fulgida facta fuit facies Mosis instar solis, Josuae instar lunae; quod idem affirmarunt veteres de Adamo. 11) In Pirke Elieser, 2, findet sich nach Wetstein die Angabe, inter docendum radios ex facie ipsius, ut olim e Mosis fa- cie, prodiisse, adeo ut non dignosceret quis, utrum dies esset an nox. 12) Nizzachon vetus, p. 40, ad Exod. 34, 33. (b. Wetstein): Ecce

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Zitationshilfe: Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 2. Tübingen, 1836, S. 270. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus02_1836/289>, abgerufen am 09.05.2024.