denn nicht, warum es so, sondern wie es zugegangen sei, ist die Frage. So beruht mithin Alles, was Olshausen hier gethan zu haben glaubt, um das Wunder denkbarer zu machen, auf der Amphibolie des Ausdrucks: Vermittlung, und es bleibt die Undenkbarkeit einer unmittelbaren Ein- wirkung des Willens Jesu auf die vernunftlose Natur die- ser Geschichte mit den zulezt erwogenen gemein.
Doch eigenthümlich vor den andern ist ihr die Schwie- rigkeit, dass hier nicht bloss wie bisher von einer den Naturgegenständen ertheilten Richtung oder Modifikation, sondern von einer Vermehrung derselben, und zwar in's Ungeheure, die Rede ist. Zwar ist uns nichts alltäglicher, als Wachsthum und Vermehrung der Naturgegenstände, wie sie z. B. vom Samenkorn in den Parabeln vom Säe- mann und vom Senfkorn dargestellt ist. Allein diese ge- schieht erstlich nicht ohne Zutritt anderer Naturdinge, wie Erde, Wasser, Luft, so dass auch hier, nach dem bekann- ten Saz der Naturlehre, nicht eigentlich die Substanz ver- mehrt, sondern nur die Accidenzien verwandelt werden; zweitens geschieht dieser Process so, dass er seine verschie- denen Stadien in entsprechenden Zeitdistanzen zurücklegt. Hier dagegen, bei der Vermehrung der Nahrungsmittel durch Jesus, findet weder das Eine noch das Andere statt: das Brot in der Hand Jesu hängt nicht mehr, wie der Halm, auf welchem die Frucht wuchs, mit dem mütterli- chen Boden zusammen, noch geschieht seine Vermehrung allmählig, sondern plözlich.
Das aber eben soll das Wunderbare an der Sache sein, und namentlich nach der lezteren Seite hin das gegenwär- tige Wunder ein beschleunigter Naturprocess genannt wer- den können. Was von der Aussaat bis zur Ernte in drei Vierteljahren geschieht, soll da in Minuten unter der Aus- theilung der Speise geschehen sein; denn einer Beschleu- nigung seien die Naturentwicklungen fähig, und einer wie
Neuntes Kapitel. §. 98.
denn nicht, warum es so, sondern wie es zugegangen sei, ist die Frage. So beruht mithin Alles, was Olshausen hier gethan zu haben glaubt, um das Wunder denkbarer zu machen, auf der Amphibolie des Ausdrucks: Vermittlung, und es bleibt die Undenkbarkeit einer unmittelbaren Ein- wirkung des Willens Jesu auf die vernunftlose Natur die- ser Geschichte mit den zulezt erwogenen gemein.
Doch eigenthümlich vor den andern ist ihr die Schwie- rigkeit, daſs hier nicht bloſs wie bisher von einer den Naturgegenständen ertheilten Richtung oder Modifikation, sondern von einer Vermehrung derselben, und zwar in's Ungeheure, die Rede ist. Zwar ist uns nichts alltäglicher, als Wachsthum und Vermehrung der Naturgegenstände, wie sie z. B. vom Samenkorn in den Parabeln vom Säe- mann und vom Senfkorn dargestellt ist. Allein diese ge- schieht erstlich nicht ohne Zutritt anderer Naturdinge, wie Erde, Wasser, Luft, so daſs auch hier, nach dem bekann- ten Saz der Naturlehre, nicht eigentlich die Substanz ver- mehrt, sondern nur die Accidenzien verwandelt werden; zweitens geschieht dieser Proceſs so, daſs er seine verschie- denen Stadien in entsprechenden Zeitdistanzen zurücklegt. Hier dagegen, bei der Vermehrung der Nahrungsmittel durch Jesus, findet weder das Eine noch das Andere statt: das Brot in der Hand Jesu hängt nicht mehr, wie der Halm, auf welchem die Frucht wuchs, mit dem mütterli- chen Boden zusammen, noch geschieht seine Vermehrung allmählig, sondern plözlich.
Das aber eben soll das Wunderbare an der Sache sein, und namentlich nach der lezteren Seite hin das gegenwär- tige Wunder ein beschleunigter Naturproceſs genannt wer- den können. Was von der Aussaat bis zur Ernte in drei Vierteljahren geschieht, soll da in Minuten unter der Aus- theilung der Speise geschehen sein; denn einer Beschleu- nigung seien die Naturentwicklungen fähig, und einer wie
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Neuntes Kapitel. §. 98.
denn nicht, warum es so, sondern wie es zugegangen sei,
ist die Frage. So beruht mithin Alles, was Olshausen hier
gethan zu haben glaubt, um das Wunder denkbarer zu
machen, auf der Amphibolie des Ausdrucks: Vermittlung,
und es bleibt die Undenkbarkeit einer unmittelbaren Ein-
wirkung des Willens Jesu auf die vernunftlose Natur die-
ser Geschichte mit den zulezt erwogenen gemein.
Doch eigenthümlich vor den andern ist ihr die Schwie-
rigkeit, daſs hier nicht bloſs wie bisher von einer den
Naturgegenständen ertheilten Richtung oder Modifikation,
sondern von einer Vermehrung derselben, und zwar in's
Ungeheure, die Rede ist. Zwar ist uns nichts alltäglicher,
als Wachsthum und Vermehrung der Naturgegenstände,
wie sie z. B. vom Samenkorn in den Parabeln vom Säe-
mann und vom Senfkorn dargestellt ist. Allein diese ge-
schieht erstlich nicht ohne Zutritt anderer Naturdinge, wie
Erde, Wasser, Luft, so daſs auch hier, nach dem bekann-
ten Saz der Naturlehre, nicht eigentlich die Substanz ver-
mehrt, sondern nur die Accidenzien verwandelt werden;
zweitens geschieht dieser Proceſs so, daſs er seine verschie-
denen Stadien in entsprechenden Zeitdistanzen zurücklegt.
Hier dagegen, bei der Vermehrung der Nahrungsmittel
durch Jesus, findet weder das Eine noch das Andere statt:
das Brot in der Hand Jesu hängt nicht mehr, wie der
Halm, auf welchem die Frucht wuchs, mit dem mütterli-
chen Boden zusammen, noch geschieht seine Vermehrung
allmählig, sondern plözlich.
Das aber eben soll das Wunderbare an der Sache sein,
und namentlich nach der lezteren Seite hin das gegenwär-
tige Wunder ein beschleunigter Naturproceſs genannt wer-
den können. Was von der Aussaat bis zur Ernte in drei
Vierteljahren geschieht, soll da in Minuten unter der Aus-
theilung der Speise geschehen sein; denn einer Beschleu-
nigung seien die Naturentwicklungen fähig, und einer wie
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Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 2. Tübingen, 1836, S. 205. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus02_1836/224>, abgerufen am 24.11.2024.
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