Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 2. Tübingen, 1836.Zweiter Abschnitt. selbst (Matth. 8, 5 ff. Luc. 7, 1 ff. Joh. 4, 46 ff.); fernerMatthäus (15, 22 ff.) und Markus (7, 25 ff.) die Heilung der Tochter des kananäischen Weibes, wovon, da die leztere in der summarischen Relation nichts Eigenthümliches hat, nur die ersteren beiden hier zu untersuchen sind. Die gewöhnliche Ansicht nämlich über die bezeichneten Erzäh- lungen ist die, dass zwar Matthäus und Lukas dasselbe, Johannes aber ein von diesem verschiedenes Faktum mel- de, da sein Bericht von dem der beiden andern in folgen- den Zügen abweiche: 1) der Ort, von wo aus Jesus hei- le, sei bei den Synoptikern der Aufenthaltsort des Kran- ken, Kapernaum, nach Johannes ein davon verschiedener, nämlich Kana; 2) die Zeit, in welche die Synoptiker die Begebenheit setzen, nämlich beide unmittelbar hinter die Heimkehr Jesu nach der Bergrede, sei von der im vierten Evangelium angegebenen, ebenso unmittelbar nach der Rück- kehr Jesu vom ersten Pascha und seiner Wirksamkeit in Samaria, verschieden; 3) der Kranke sei nach jenen der Sklave, nach diesem der Sohn des Bittstellers; die wich- tigsten Abweichungen aber finden 4) in Hinsicht des Bitt- stellers selber statt, indem er im ersten und dritten Evan- gelium eine Militärperson (ein ekatontarkhos), im vierten ein Hofbeamter (basilikos), nach jenen (laut V. 10 ff. bei Matth.) ein Heide, nach diesem ohne Zweifel als Jude zu denken sei; hauptsächlich aber werde er nach den Synop- tikern von Jesu als Muster des innigsten, demüthigsten Glaubens belobt, weil er ja Jesum in der Zuversicht, dass er auch aus der Ferne heilen könne, verhinderte, in sein Haus zu gehen: nach Johannes dagegen werde er umge- kehrt, weil er die Gegenwart Jesu in seinem Hause zum Behuf der Heilung für nöthig hielt, wegen seines schwa- chen, der semeia und terata bedürftigen Glaubens geta- delt 1). 1) s. die Ausführungen von Paulus, Lücke, Tholuck und Ols-
hausen z. d. St. Zweiter Abschnitt. selbst (Matth. 8, 5 ff. Luc. 7, 1 ff. Joh. 4, 46 ff.); fernerMatthäus (15, 22 ff.) und Markus (7, 25 ff.) die Heilung der Tochter des kananäischen Weibes, wovon, da die leztere in der summarischen Relation nichts Eigenthümliches hat, nur die ersteren beiden hier zu untersuchen sind. Die gewöhnliche Ansicht nämlich über die bezeichneten Erzäh- lungen ist die, daſs zwar Matthäus und Lukas dasselbe, Johannes aber ein von diesem verschiedenes Faktum mel- de, da sein Bericht von dem der beiden andern in folgen- den Zügen abweiche: 1) der Ort, von wo aus Jesus hei- le, sei bei den Synoptikern der Aufenthaltsort des Kran- ken, Kapernaum, nach Johannes ein davon verschiedener, nämlich Kana; 2) die Zeit, in welche die Synoptiker die Begebenheit setzen, nämlich beide unmittelbar hinter die Heimkehr Jesu nach der Bergrede, sei von der im vierten Evangelium angegebenen, ebenso unmittelbar nach der Rück- kehr Jesu vom ersten Pascha und seiner Wirksamkeit in Samaria, verschieden; 3) der Kranke sei nach jenen der Sklave, nach diesem der Sohn des Bittstellers; die wich- tigsten Abweichungen aber finden 4) in Hinsicht des Bitt- stellers selber statt, indem er im ersten und dritten Evan- gelium eine Militärperson (ein ἑκατόνταρχος), im vierten ein Hofbeamter (βασιλικὸς), nach jenen (laut V. 10 ff. bei Matth.) ein Heide, nach diesem ohne Zweifel als Jude zu denken sei; hauptsächlich aber werde er nach den Synop- tikern von Jesu als Muster des innigsten, demüthigsten Glaubens belobt, weil er ja Jesum in der Zuversicht, daſs er auch aus der Ferne heilen könne, verhinderte, in sein Haus zu gehen: nach Johannes dagegen werde er umge- kehrt, weil er die Gegenwart Jesu in seinem Hause zum Behuf der Heilung für nöthig hielt, wegen seines schwa- chen, der σημεῖα und τέρατα bedürftigen Glaubens geta- delt 1). 1) s. die Ausführungen von Paulus, Lücke, Tholuck und Ols-
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Zweiter Abschnitt.
selbst (Matth. 8, 5 ff. Luc. 7, 1 ff. Joh. 4, 46 ff.); ferner
Matthäus (15, 22 ff.) und Markus (7, 25 ff.) die Heilung der
Tochter des kananäischen Weibes, wovon, da die leztere
in der summarischen Relation nichts Eigenthümliches hat,
nur die ersteren beiden hier zu untersuchen sind. Die
gewöhnliche Ansicht nämlich über die bezeichneten Erzäh-
lungen ist die, daſs zwar Matthäus und Lukas dasselbe,
Johannes aber ein von diesem verschiedenes Faktum mel-
de, da sein Bericht von dem der beiden andern in folgen-
den Zügen abweiche: 1) der Ort, von wo aus Jesus hei-
le, sei bei den Synoptikern der Aufenthaltsort des Kran-
ken, Kapernaum, nach Johannes ein davon verschiedener,
nämlich Kana; 2) die Zeit, in welche die Synoptiker die
Begebenheit setzen, nämlich beide unmittelbar hinter die
Heimkehr Jesu nach der Bergrede, sei von der im vierten
Evangelium angegebenen, ebenso unmittelbar nach der Rück-
kehr Jesu vom ersten Pascha und seiner Wirksamkeit in
Samaria, verschieden; 3) der Kranke sei nach jenen der
Sklave, nach diesem der Sohn des Bittstellers; die wich-
tigsten Abweichungen aber finden 4) in Hinsicht des Bitt-
stellers selber statt, indem er im ersten und dritten Evan-
gelium eine Militärperson (ein ἑκατόνταρχος), im vierten ein
Hofbeamter (βασιλικὸς), nach jenen (laut V. 10 ff. bei
Matth.) ein Heide, nach diesem ohne Zweifel als Jude zu
denken sei; hauptsächlich aber werde er nach den Synop-
tikern von Jesu als Muster des innigsten, demüthigsten
Glaubens belobt, weil er ja Jesum in der Zuversicht, daſs
er auch aus der Ferne heilen könne, verhinderte, in sein
Haus zu gehen: nach Johannes dagegen werde er umge-
kehrt, weil er die Gegenwart Jesu in seinem Hause zum
Behuf der Heilung für nöthig hielt, wegen seines schwa-
chen, der σημεῖα und τέρατα bedürftigen Glaubens geta-
delt 1).
1) s. die Ausführungen von Paulus, Lücke, Tholuck und Ols-
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