Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 1. Tübingen, 1835.Zweiter Abschnitt. die verschiedene Verbindung auffallen, in welche dieEvangelisten diese Begebenheit setzen: Matthäus und Mar- kus nämlich nach der Vertheidigung gegen den Verdacht eines höllischen Beistands und vor der Parabel vom Säe- mann; wogegen Lukas den Besuch um ein Ziemliches vor jene Beschuldigung, die Parabel aber noch vor den Besuch stellt. Merkwürdiger Weise dagegen hat Lukas an derselben Stelle, nach der Vertheidigung gegen den Vorwurf eines Teufelsbundes, wo die beiden andern den Besuch der Verwandten Jesu einfügen, einen Vorfall, welcher auf ein ganz ähnliches Diktum, wie jene Anmel- dung, ausläuft. Nach der Widerlegung jenes Vorwurfs nämlich und der Belehrung über die Wiederkehr der Dä- monen, bricht eine Frau aus der Menge bewundrungsvoll in eine Seligpreisung der Mutter Jesu aus, worauf Jesus, wie oben bei der Anmeldung seiner Mutter, erwiedert: selig vielmehr diejenigen, welche das Wort Gottes hören und beobachten! 4) Schleiermacher nun zieht auch hier über dem eipon und periblepsamenos kuklo des Markus eine gemachte Anschaulichkeit finden will: so ist diess eine merkwürdige Probe der willkührlichen Scharfsichtigkeit zu Ungunsten des Matthäus, welche in der neuesten Kritik die- ses Evangeliums eine so grosse Rolle spielt. Denn wer sieht nicht, wenn nun umgekehrt Matthäus das eipon hätte, wie es alsbald zu den Zügen verwischter Anschaulichkeit gezählt werden würde? an dem ekteinas ten kheira aber ist vol- lends gar nichts zu entdecken, was diesem Ausdruck mehr als dem periblepsamenos das Gepräge des Gemachten geben sollte, vielmehr könnte umgekehrt diese leztere Formel aus der schon erwähnten Liebhaberei des Markus für Bezeich- nung des Augenspiels abgeleitet, und somit als willkührliche Zuthat betrachtet werden. 4) [Spaltenumbruch]
Antwort auf die Anmel-
dung, 8, 21: meter mou kai adelphoi mou outoi eioin oi ton logon tou theou akeontes kai poiountes auton. [Spaltenumbruch] Antwort auf die Seligpreisung, 11, 28: menounge makariui (sc. oukh e meter mou, all') oi akouoi- tes ton logon tou theou kai phulassontes auton. Zweiter Abschnitt. die verschiedene Verbindung auffallen, in welche dieEvangelisten diese Begebenheit setzen: Matthäus und Mar- kus nämlich nach der Vertheidigung gegen den Verdacht eines höllischen Beistands und vor der Parabel vom Säe- mann; wogegen Lukas den Besuch um ein Ziemliches vor jene Beschuldigung, die Parabel aber noch vor den Besuch stellt. Merkwürdiger Weise dagegen hat Lukas an derselben Stelle, nach der Vertheidigung gegen den Vorwurf eines Teufelsbundes, wo die beiden andern den Besuch der Verwandten Jesu einfügen, einen Vorfall, welcher auf ein ganz ähnliches Diktum, wie jene Anmel- dung, ausläuft. Nach der Widerlegung jenes Vorwurfs nämlich und der Belehrung über die Wiederkehr der Dä- monen, bricht eine Frau aus der Menge bewundrungsvoll in eine Seligpreisung der Mutter Jesu aus, worauf Jesus, wie oben bei der Anmeldung seiner Mutter, erwiedert: selig vielmehr diejenigen, welche das Wort Gottes hören und beobachten! 4) Schleiermacher nun zieht auch hier über dem εἶπον und περιβλεψάμενος κύκλῳ des Markus eine gemachte Anschaulichkeit finden will: so ist diess eine merkwürdige Probe der willkührlichen Scharfsichtigkeit zu Ungunsten des Matthäus, welche in der neuesten Kritik die- ses Evangeliums eine so grosse Rolle spielt. Denn wer sieht nicht, wenn nun umgekehrt Matthäus das εἶπον hätte, wie es alsbald zu den Zügen verwischter Anschaulichkeit gezählt werden würde? an dem ἐκτείνας τὴν χείρα aber ist vol- lends gar nichts zu entdecken, was diesem Ausdruck mehr als dem περιβλεψάμενος das Gepräge des Gemachten geben sollte, vielmehr könnte umgekehrt diese leztere Formel aus der schon erwähnten Liebhaberei des Markus für Bezeich- nung des Augenspiels abgeleitet, und somit als willkührliche Zuthat betrachtet werden. 4) [Spaltenumbruch]
Antwort auf die Anmel-
dung, 8, 21: μήτηρ μου καὶ ἀδελφοί μου οὗτοί εἰοιν οἱ τὸν λόγον τοῦ ϑεοῦ ἀκέοντες καὶ ποιοῦντες αὐτόν. [Spaltenumbruch] Antwort auf die Seligpreisung, 11, 28: μενοῦνγε μακάριυι (sc. οὐχ ἡ μήτηρ μου, ἀλλ') οι ἀκοῦοι- τες τὸν λόγον τοῦ ϑεοῦ καὶ φυλάσσοντες αὐτόν. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0718" n="694"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Zweiter Abschnitt</hi>.</fw><lb/> die verschiedene Verbindung auffallen, in welche die<lb/> Evangelisten diese Begebenheit setzen: Matthäus und Mar-<lb/> kus nämlich nach der Vertheidigung gegen den Verdacht<lb/> eines höllischen Beistands und vor der Parabel vom Säe-<lb/> mann; wogegen Lukas den Besuch um ein Ziemliches<lb/> vor jene Beschuldigung, die Parabel aber noch vor den<lb/> Besuch stellt. Merkwürdiger Weise dagegen hat Lukas<lb/> an derselben Stelle, nach der Vertheidigung gegen den<lb/> Vorwurf eines Teufelsbundes, wo die beiden andern den<lb/> Besuch der Verwandten Jesu einfügen, einen Vorfall,<lb/> welcher auf ein ganz ähnliches Diktum, wie jene Anmel-<lb/> dung, ausläuft. Nach der Widerlegung jenes Vorwurfs<lb/> nämlich und der Belehrung über die Wiederkehr der Dä-<lb/> monen, bricht eine Frau aus der Menge bewundrungsvoll<lb/> in eine Seligpreisung der Mutter Jesu aus, worauf Jesus,<lb/> wie oben bei der Anmeldung seiner Mutter, erwiedert:<lb/> selig vielmehr diejenigen, welche das Wort Gottes hören<lb/> und beobachten! <note place="foot" n="4)"><lb/><cb/> Antwort auf die Anmel-<lb/> dung, 8, 21:<lb/><foreign xml:lang="ell">μήτηρ μου καὶ ἀδελφοί μου<lb/> οὗτοί εἰοιν <hi rendition="#g">οἱ τὸν λόγον<lb/> τοῦ ϑεοῦ ἀκέοντες καὶ</hi><lb/> ποιοῦντες <hi rendition="#g">αὐτόν</hi></foreign>.<lb/><cb/> Antwort auf die Seligpreisung,<lb/> 11, 28:<lb/><foreign xml:lang="ell">μενοῦνγε μακάριυι (sc. οὐχ ἡ<lb/> μήτηρ μου, ἀλλ') <hi rendition="#g">οι ἀκοῦοι-<lb/> τες τὸν λόγον τοῦ ϑεοῦ<lb/> καὶ</hi> φυλάσσοντες <hi rendition="#g">αὐτόν</hi></foreign>.</note> <hi rendition="#k">Schleiermacher</hi> nun zieht auch hier<lb/><note xml:id="seg2pn_24_2" prev="#seg2pn_24_1" place="foot" n="3)">über dem <foreign xml:lang="ell">εἶπον</foreign> und <foreign xml:lang="ell">περιβλεψάμενος κύκλῳ</foreign> des Markus<lb/> eine gemachte Anschaulichkeit finden will: so ist diess eine<lb/> merkwürdige Probe der willkührlichen Scharfsichtigkeit zu<lb/> Ungunsten des Matthäus, welche in der neuesten Kritik die-<lb/> ses Evangeliums eine so grosse Rolle spielt. Denn wer sieht<lb/> nicht, wenn nun umgekehrt Matthäus das <foreign xml:lang="ell">εἶπον</foreign> hätte, wie<lb/> es alsbald zu den Zügen verwischter Anschaulichkeit gezählt<lb/> werden würde? an dem <foreign xml:lang="ell">ἐκτείνας τὴν χείρα</foreign> aber ist vol-<lb/> lends gar nichts zu entdecken, was diesem Ausdruck mehr<lb/> als dem <foreign xml:lang="ell">περιβλεψάμενος</foreign> das Gepräge des Gemachten geben<lb/> sollte, vielmehr könnte umgekehrt diese leztere Formel aus<lb/> der schon erwähnten Liebhaberei des Markus für Bezeich-<lb/> nung des Augenspiels abgeleitet, und somit als willkührliche<lb/> Zuthat betrachtet werden.</note><lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [694/0718]
Zweiter Abschnitt.
die verschiedene Verbindung auffallen, in welche die
Evangelisten diese Begebenheit setzen: Matthäus und Mar-
kus nämlich nach der Vertheidigung gegen den Verdacht
eines höllischen Beistands und vor der Parabel vom Säe-
mann; wogegen Lukas den Besuch um ein Ziemliches
vor jene Beschuldigung, die Parabel aber noch vor den
Besuch stellt. Merkwürdiger Weise dagegen hat Lukas
an derselben Stelle, nach der Vertheidigung gegen den
Vorwurf eines Teufelsbundes, wo die beiden andern den
Besuch der Verwandten Jesu einfügen, einen Vorfall,
welcher auf ein ganz ähnliches Diktum, wie jene Anmel-
dung, ausläuft. Nach der Widerlegung jenes Vorwurfs
nämlich und der Belehrung über die Wiederkehr der Dä-
monen, bricht eine Frau aus der Menge bewundrungsvoll
in eine Seligpreisung der Mutter Jesu aus, worauf Jesus,
wie oben bei der Anmeldung seiner Mutter, erwiedert:
selig vielmehr diejenigen, welche das Wort Gottes hören
und beobachten! 4) Schleiermacher nun zieht auch hier
3)
4)
Antwort auf die Anmel-
dung, 8, 21:
μήτηρ μου καὶ ἀδελφοί μου
οὗτοί εἰοιν οἱ τὸν λόγον
τοῦ ϑεοῦ ἀκέοντες καὶ
ποιοῦντες αὐτόν.
Antwort auf die Seligpreisung,
11, 28:
μενοῦνγε μακάριυι (sc. οὐχ ἡ
μήτηρ μου, ἀλλ') οι ἀκοῦοι-
τες τὸν λόγον τοῦ ϑεοῦ
καὶ φυλάσσοντες αὐτόν.
3) über dem εἶπον und περιβλεψάμενος κύκλῳ des Markus
eine gemachte Anschaulichkeit finden will: so ist diess eine
merkwürdige Probe der willkührlichen Scharfsichtigkeit zu
Ungunsten des Matthäus, welche in der neuesten Kritik die-
ses Evangeliums eine so grosse Rolle spielt. Denn wer sieht
nicht, wenn nun umgekehrt Matthäus das εἶπον hätte, wie
es alsbald zu den Zügen verwischter Anschaulichkeit gezählt
werden würde? an dem ἐκτείνας τὴν χείρα aber ist vol-
lends gar nichts zu entdecken, was diesem Ausdruck mehr
als dem περιβλεψάμενος das Gepräge des Gemachten geben
sollte, vielmehr könnte umgekehrt diese leztere Formel aus
der schon erwähnten Liebhaberei des Markus für Bezeich-
nung des Augenspiels abgeleitet, und somit als willkührliche
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