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Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 1. Tübingen, 1835.

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Einleitung. §. 11.
wurde ihm streitig gemacht. Ammon 1), der ungenannte
E. F. in Henke's Magazin u. A. machten einen bedeuten-
den Unterschied geltend zwischen dem historischen Wer-
the der Nachrichten von Jesu öffentlichem Leben und von
seiner Kindheit. Die Geschichte der letzteren könne un-
möglich gleichzeitig geschrieben sein, da damals noch Nie-
mand so sehr auf Jesum geachtet habe; ebensowenig in
seinen drei letzten Lebensjahren, weil sie nicht den käm-
pfenden und leidenden, sondern den verherrlichten Jesus
im Sinne habe; also könne sie erst nach seiner Auf-
erstehung verfasst sein. Damals aber liessen sich kei-
ne sichern Nachrichten mehr über die Kindheit Jesu
einziehen; denn die Apostel waren nicht selbst Genos-
sen derselben gewesen; Joseph lebte wahrscheinlich nicht
mehr; der Maria, welche noch übrig war, hatten sich
indess manche Umstände in der Erinnerung herrlicher
ausgemalt, und wurden noch mehr von denen, welche es
von ihr hörten, nach ihren Messiasbegriffen, verherr-
licht; Manches bildete sich auch ohne historische Nach-
richten nach Zeitbegriffen und A. T.lichen Orakeln (wie
von der schwanger werdenden Jungfrau) aus. Durch al-
les dieses aber soll nach jenen Verfassern die Glaubwür-
digkeit der Evangelisten bei der folgenden Geschichte des
Lebens Jesu nicht das Mindeste verlieren. Ihr Zweck und
ihre Aufgabe war blos, eine sichere Geschichte der drei
letzten Lebensjahre Jesu zu geben, und in dieser verdie-
nen sie allen Glauben, weil sie theils selbst gegenwärtig
gewesen waren, theils, was sie schrieben, aus dem Munde
anderer glaubwürdiger Zeugen wissen konnten. -- Diese
Grenzlinie zwischen der Glaubwürdigkeit der evangelischen
Geschichte des öffentlichen Lebens Jesu und der Fabelhaf-
tigkeit seiner Jugendgeschichte wurde dadurch noch schär-
fer gezogen, dass manche Theologen geneigt waren, die

1) S. das §. 8. Anm. 5. angeführte Programm.

Einleitung. §. 11.
wurde ihm streitig gemacht. Ammon 1), der ungenannte
E. F. in Henke's Magazin u. A. machten einen bedeuten-
den Unterschied geltend zwischen dem historischen Wer-
the der Nachrichten von Jesu öffentlichem Leben und von
seiner Kindheit. Die Geschichte der letzteren könne un-
möglich gleichzeitig geschrieben sein, da damals noch Nie-
mand so sehr auf Jesum geachtet habe; ebensowenig in
seinen drei letzten Lebensjahren, weil sie nicht den käm-
pfenden und leidenden, sondern den verherrlichten Jesus
im Sinne habe; also könne sie erst nach seiner Auf-
erstehung verfaſst sein. Damals aber lieſsen sich kei-
ne sichern Nachrichten mehr über die Kindheit Jesu
einziehen; denn die Apostel waren nicht selbst Genos-
sen derselben gewesen; Joseph lebte wahrscheinlich nicht
mehr; der Maria, welche noch übrig war, hatten sich
indeſs manche Umstände in der Erinnerung herrlicher
ausgemalt, und wurden noch mehr von denen, welche es
von ihr hörten, nach ihren Messiasbegriffen, verherr-
licht; Manches bildete sich auch ohne historische Nach-
richten nach Zeitbegriffen und A. T.lichen Orakeln (wie
von der schwanger werdenden Jungfrau) aus. Durch al-
les dieses aber soll nach jenen Verfassern die Glaubwür-
digkeit der Evangelisten bei der folgenden Geschichte des
Lebens Jesu nicht das Mindeste verlieren. Ihr Zweck und
ihre Aufgabe war blos, eine sichere Geschichte der drei
letzten Lebensjahre Jesu zu geben, und in dieser verdie-
nen sie allen Glauben, weil sie theils selbst gegenwärtig
gewesen waren, theils, was sie schrieben, aus dem Munde
anderer glaubwürdiger Zeugen wissen konnten. — Diese
Grenzlinie zwischen der Glaubwürdigkeit der evangelischen
Geschichte des öffentlichen Lebens Jesu und der Fabelhaf-
tigkeit seiner Jugendgeschichte wurde dadurch noch schär-
fer gezogen, daſs manche Theologen geneigt waren, die

1) S. das §. 8. Anm. 5. angeführte Programm.
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[47/0071] Einleitung. §. 11. wurde ihm streitig gemacht. Ammon 1), der ungenannte E. F. in Henke's Magazin u. A. machten einen bedeuten- den Unterschied geltend zwischen dem historischen Wer- the der Nachrichten von Jesu öffentlichem Leben und von seiner Kindheit. Die Geschichte der letzteren könne un- möglich gleichzeitig geschrieben sein, da damals noch Nie- mand so sehr auf Jesum geachtet habe; ebensowenig in seinen drei letzten Lebensjahren, weil sie nicht den käm- pfenden und leidenden, sondern den verherrlichten Jesus im Sinne habe; also könne sie erst nach seiner Auf- erstehung verfaſst sein. Damals aber lieſsen sich kei- ne sichern Nachrichten mehr über die Kindheit Jesu einziehen; denn die Apostel waren nicht selbst Genos- sen derselben gewesen; Joseph lebte wahrscheinlich nicht mehr; der Maria, welche noch übrig war, hatten sich indeſs manche Umstände in der Erinnerung herrlicher ausgemalt, und wurden noch mehr von denen, welche es von ihr hörten, nach ihren Messiasbegriffen, verherr- licht; Manches bildete sich auch ohne historische Nach- richten nach Zeitbegriffen und A. T.lichen Orakeln (wie von der schwanger werdenden Jungfrau) aus. Durch al- les dieses aber soll nach jenen Verfassern die Glaubwür- digkeit der Evangelisten bei der folgenden Geschichte des Lebens Jesu nicht das Mindeste verlieren. Ihr Zweck und ihre Aufgabe war blos, eine sichere Geschichte der drei letzten Lebensjahre Jesu zu geben, und in dieser verdie- nen sie allen Glauben, weil sie theils selbst gegenwärtig gewesen waren, theils, was sie schrieben, aus dem Munde anderer glaubwürdiger Zeugen wissen konnten. — Diese Grenzlinie zwischen der Glaubwürdigkeit der evangelischen Geschichte des öffentlichen Lebens Jesu und der Fabelhaf- tigkeit seiner Jugendgeschichte wurde dadurch noch schär- fer gezogen, daſs manche Theologen geneigt waren, die 1) S. das §. 8. Anm. 5. angeführte Programm.

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Zitationshilfe: Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 1. Tübingen, 1835, S. 47. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus01_1835/71>, abgerufen am 28.11.2024.