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Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 1. Tübingen, 1835.

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Sechstes Kapitel. §. 75.
kenburger's 17) Beobachtung gelten, dass Matthäus nicht
selten (3, 7. 16, 1.) die Pharisäer und Sadducäer in
einer Weise nebeneinanderstelle, wie sie keineswegs in
der sie feindlich trennenden Wirklichkeit, sondern nur
in der traditionellen Erinnerung, in welcher der eine
Gegensatz den andern hervorrief, gestanden haben kön-
nen. Leidlicher weiss in dieser Hinsicht Markus dieses
Gespräch an das vorige anzuschliessen; indess scheint eben
das ein Irrthum der Synoptiker zu sein, dass sie meinen,
diese, der Ähnlichkeit wegen in der Überlieferung zusam-
mengruppirten Verhandlungen müssen auch der Zeit nach
auf einander so gefolgt sein, dass eine Rede die andre
gab. Dem Lukas fehlt die Frage nach dem höchsten Ge-
bot im Zusammenhang dieser Streitreden; eine ähnliche
Erzählung aber hat er schon früher in dem Reisebericht,
10, 25 ff. gehabt. Hier ist nun die gewöhnliche Ansicht,
dass die beiden ersten Evangelisten Eine und dieselbe
Begebenheit berichten, der Dritte aber eine verschie-
dene 18). Wirklich unterscheidet sich die Erzählung des
Lukas von der der beiden andern in mehreren nicht un-
wesentlichen Punkten. Zuerst in Betreff der Zeitordnung
auf die bereits erwähnte Weise, und diess hat wohl am
meisten für die Auseinanderhaltung gewirkt; hienächst in
der Frage, welche bei Lukas nach einer Lebensregel
zum Behuf der Ererbung der zoe aionios, bei den
andern nach dem höchsten Gebote lautet; dann in dem
Subjekt, welches die höchsten Gebote ausspricht, was bei
den zwei ersten Synoptikern Jesus, bei dem dritten der
Schriftgelehrte ist; endlich auch in dem Ausgang der
Sache, indem bei Lukas der nomikos eine zweite, recht-
haberische Frage thut, an welche sich das Gleichniss

17) Über den Ursprung u. s. f. S. 45. 47.
18) so Paulus, ex. Handb. 2, S. 570 ff. vgl. 3, a, 261; Olshau-
sen
, 1, S. 602 vgl. 831.

Sechstes Kapitel. §. 75.
kenburger's 17) Beobachtung gelten, daſs Matthäus nicht
selten (3, 7. 16, 1.) die Pharisäer und Sadducäer in
einer Weise nebeneinanderstelle, wie sie keineswegs in
der sie feindlich trennenden Wirklichkeit, sondern nur
in der traditionellen Erinnerung, in welcher der eine
Gegensatz den andern hervorrief, gestanden haben kön-
nen. Leidlicher weiſs in dieser Hinsicht Markus dieses
Gespräch an das vorige anzuschlieſsen; indeſs scheint eben
das ein Irrthum der Synoptiker zu sein, daſs sie meinen,
diese, der Ähnlichkeit wegen in der Überlieferung zusam-
mengruppirten Verhandlungen müssen auch der Zeit nach
auf einander so gefolgt sein, daſs eine Rede die andre
gab. Dem Lukas fehlt die Frage nach dem höchsten Ge-
bot im Zusammenhang dieser Streitreden; eine ähnliche
Erzählung aber hat er schon früher in dem Reisebericht,
10, 25 ff. gehabt. Hier ist nun die gewöhnliche Ansicht,
daſs die beiden ersten Evangelisten Eine und dieselbe
Begebenheit berichten, der Dritte aber eine verschie-
dene 18). Wirklich unterscheidet sich die Erzählung des
Lukas von der der beiden andern in mehreren nicht un-
wesentlichen Punkten. Zuerst in Betreff der Zeitordnung
auf die bereits erwähnte Weise, und dieſs hat wohl am
meisten für die Auseinanderhaltung gewirkt; hienächst in
der Frage, welche bei Lukas nach einer Lebensregel
zum Behuf der Ererbung der ζωὴ αἰώνιος, bei den
andern nach dem höchsten Gebote lautet; dann in dem
Subjekt, welches die höchsten Gebote ausspricht, was bei
den zwei ersten Synoptikern Jesus, bei dem dritten der
Schriftgelehrte ist; endlich auch in dem Ausgang der
Sache, indem bei Lukas der νομικὸς eine zweite, recht-
haberische Frage thut, an welche sich das Gleichniſs

17) Über den Ursprung u. s. f. S. 45. 47.
18) so Paulus, ex. Handb. 2, S. 570 ff. vgl. 3, a, 261; Olshau-
sen
, 1, S. 602 vgl. 831.
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[623/0647] Sechstes Kapitel. §. 75. kenburger's 17) Beobachtung gelten, daſs Matthäus nicht selten (3, 7. 16, 1.) die Pharisäer und Sadducäer in einer Weise nebeneinanderstelle, wie sie keineswegs in der sie feindlich trennenden Wirklichkeit, sondern nur in der traditionellen Erinnerung, in welcher der eine Gegensatz den andern hervorrief, gestanden haben kön- nen. Leidlicher weiſs in dieser Hinsicht Markus dieses Gespräch an das vorige anzuschlieſsen; indeſs scheint eben das ein Irrthum der Synoptiker zu sein, daſs sie meinen, diese, der Ähnlichkeit wegen in der Überlieferung zusam- mengruppirten Verhandlungen müssen auch der Zeit nach auf einander so gefolgt sein, daſs eine Rede die andre gab. Dem Lukas fehlt die Frage nach dem höchsten Ge- bot im Zusammenhang dieser Streitreden; eine ähnliche Erzählung aber hat er schon früher in dem Reisebericht, 10, 25 ff. gehabt. Hier ist nun die gewöhnliche Ansicht, daſs die beiden ersten Evangelisten Eine und dieselbe Begebenheit berichten, der Dritte aber eine verschie- dene 18). Wirklich unterscheidet sich die Erzählung des Lukas von der der beiden andern in mehreren nicht un- wesentlichen Punkten. Zuerst in Betreff der Zeitordnung auf die bereits erwähnte Weise, und dieſs hat wohl am meisten für die Auseinanderhaltung gewirkt; hienächst in der Frage, welche bei Lukas nach einer Lebensregel zum Behuf der Ererbung der ζωὴ αἰώνιος, bei den andern nach dem höchsten Gebote lautet; dann in dem Subjekt, welches die höchsten Gebote ausspricht, was bei den zwei ersten Synoptikern Jesus, bei dem dritten der Schriftgelehrte ist; endlich auch in dem Ausgang der Sache, indem bei Lukas der νομικὸς eine zweite, recht- haberische Frage thut, an welche sich das Gleichniſs 17) Über den Ursprung u. s. f. S. 45. 47. 18) so Paulus, ex. Handb. 2, S. 570 ff. vgl. 3, a, 261; Olshau- sen, 1, S. 602 vgl. 831.

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Zitationshilfe: Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 1. Tübingen, 1835, S. 623. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus01_1835/647>, abgerufen am 23.11.2024.