Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 1. Tübingen, 1835.Einleitung. §. 9. lich verzeichnet zu werden pflegte, im Munde des Volks sichfortgepflanzt habe. Demgemäss ist nach Bauer 2) im N. T. zwar nicht eine Reihe von Mythen, eine total mythische Geschichte zu suchen, doch aber können einzelne Mythen in demselben vorkommen, sei es, dass sie aus dem A. T. in das neue übertragen, oder dass sie ursprünglich in die- sem entstanden sind. So findet sich nach Bauer nament- lich in der Jugendgeschichte Jesu Manches, was vom my- thischen Gesichtspunkte betrachtet sein will. Wie von ei- nem berühmten Manne bald allerlei Anekdoten sich bilden, welche unter einem wundersüchtigen Volke die Sage mit Wunderdingen aller Art vergrössert: so wurde Jesu in Dunkelheit verlebte Jugend, da er später so berühmt und endlich durch seinen Tod noch mehr verherrlicht war, mit den wunderhaftesten Erzählungen ausgeschmückt. Wenn in dieser Jugendgeschichte himmlische Wesen mit Namen und in Menschengestalt erscheinen, die Zukunft verkün- digen u. dgl.: so haben wir, meint Bauer, doch wohl ein Recht, hier einen Mythus anzunehmen, und als den Grund seiner Entstehung den zu vermuthen, dass man die gros- sen Wirkungen Jesu aus übersinnlichen Ursachen erklärt, und diese Erklärung mit der Geschichte vermischt habe. -- In gleicher Beziehung bemerkte Gabler 3), wie der Be- griff von alter Zeit ein relativer sei; gegen die mosaische Religion gehalten, sei die christliche allerdings jung, doch aber an sich selber alt genug, um die Urgeschichte ihres Stifters zu den alten Zeiten rechnen zu dürfen. Dass es aber damals über andere Gegenstände bereits schriftliche Urkunden gegeben habe, beweise hieher nichts, sobald es sich zeigen lasse, dass man eben über Jesum, besonders 2) Hebräische Mythologie 1. Thl. Einl. §. 5. 3) Ist es erlaubt, in der Bibel u. sogar im N. T. Mythen an-
zunehmen? Im Journal für auserlesene theol. Literatur 2, 1, 49 ff. Einleitung. §. 9. lich verzeichnet zu werden pflegte, im Munde des Volks sichfortgepflanzt habe. Demgemäſs ist nach Bauer 2) im N. T. zwar nicht eine Reihe von Mythen, eine total mythische Geschichte zu suchen, doch aber können einzelne Mythen in demselben vorkommen, sei es, daſs sie aus dem A. T. in das neue übertragen, oder daſs sie ursprünglich in die- sem entstanden sind. So findet sich nach Bauer nament- lich in der Jugendgeschichte Jesu Manches, was vom my- thischen Gesichtspunkte betrachtet sein will. Wie von ei- nem berühmten Manne bald allerlei Anekdoten sich bilden, welche unter einem wundersüchtigen Volke die Sage mit Wunderdingen aller Art vergrössert: so wurde Jesu in Dunkelheit verlebte Jugend, da er später so berühmt und endlich durch seinen Tod noch mehr verherrlicht war, mit den wunderhaftesten Erzählungen ausgeschmückt. Wenn in dieser Jugendgeschichte himmlische Wesen mit Namen und in Menschengestalt erscheinen, die Zukunft verkün- digen u. dgl.: so haben wir, meint Bauer, doch wohl ein Recht, hier einen Mythus anzunehmen, und als den Grund seiner Entstehung den zu vermuthen, daſs man die gros- sen Wirkungen Jesu aus übersinnlichen Ursachen erklärt, und diese Erklärung mit der Geschichte vermischt habe. — In gleicher Beziehung bemerkte Gabler 3), wie der Be- griff von alter Zeit ein relativer sei; gegen die mosaische Religion gehalten, sei die christliche allerdings jung, doch aber an sich selber alt genug, um die Urgeschichte ihres Stifters zu den alten Zeiten rechnen zu dürfen. Daſs es aber damals über andere Gegenstände bereits schriftliche Urkunden gegeben habe, beweise hieher nichts, sobald es sich zeigen lasse, daſs man eben über Jesum, besonders 2) Hebräische Mythologie 1. Thl. Einl. §. 5. 3) Ist es erlaubt, in der Bibel u. sogar im N. T. Mythen an-
zunehmen? Im Journal für auserlesene theol. Literatur 2, 1, 49 ff. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0063" n="39"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Einleitung</hi>. §. 9.</fw><lb/> lich verzeichnet zu werden pflegte, im Munde des Volks sich<lb/> fortgepflanzt habe. Demgemäſs ist nach <hi rendition="#k">Bauer</hi> <note place="foot" n="2)">Hebräische Mythologie 1. Thl. Einl. §. 5.</note> im N. T.<lb/> zwar nicht eine Reihe von Mythen, eine total mythische<lb/> Geschichte zu suchen, doch aber können einzelne Mythen<lb/> in demselben vorkommen, sei es, daſs sie aus dem A. T.<lb/> in das neue übertragen, oder daſs sie ursprünglich in die-<lb/> sem entstanden sind. So findet sich nach <hi rendition="#k">Bauer</hi> nament-<lb/> lich in der Jugendgeschichte Jesu Manches, was vom my-<lb/> thischen Gesichtspunkte betrachtet sein will. Wie von ei-<lb/> nem berühmten Manne bald allerlei Anekdoten sich bilden,<lb/> welche unter einem wundersüchtigen Volke die Sage mit<lb/> Wunderdingen aller Art vergrössert: so wurde Jesu in<lb/> Dunkelheit verlebte Jugend, da er später so berühmt und<lb/> endlich durch seinen Tod noch mehr verherrlicht war,<lb/> mit den wunderhaftesten Erzählungen ausgeschmückt. Wenn<lb/> in dieser Jugendgeschichte himmlische Wesen mit Namen<lb/> und in Menschengestalt erscheinen, die Zukunft verkün-<lb/> digen u. dgl.: so haben wir, meint <hi rendition="#k">Bauer</hi>, doch wohl ein<lb/> Recht, hier einen Mythus anzunehmen, und als den Grund<lb/> seiner Entstehung den zu vermuthen, daſs man die gros-<lb/> sen Wirkungen Jesu aus übersinnlichen Ursachen erklärt,<lb/> und diese Erklärung mit der Geschichte vermischt habe.<lb/> — In gleicher Beziehung bemerkte <hi rendition="#k">Gabler</hi> <note place="foot" n="3)">Ist es erlaubt, in der Bibel u. sogar im N. T. Mythen an-<lb/> zunehmen? Im Journal für auserlesene theol. Literatur 2,<lb/> 1, 49 ff.</note>, wie der Be-<lb/> griff von alter Zeit ein relativer sei; gegen die mosaische<lb/> Religion gehalten, sei die christliche allerdings jung, doch<lb/> aber an sich selber alt genug, um die Urgeschichte ihres<lb/> Stifters zu den alten Zeiten rechnen zu dürfen. Daſs es<lb/> aber damals über andere Gegenstände bereits schriftliche<lb/> Urkunden gegeben habe, beweise hieher nichts, sobald es<lb/> sich zeigen lasse, daſs man eben über Jesum, besonders<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [39/0063]
Einleitung. §. 9.
lich verzeichnet zu werden pflegte, im Munde des Volks sich
fortgepflanzt habe. Demgemäſs ist nach Bauer 2) im N. T.
zwar nicht eine Reihe von Mythen, eine total mythische
Geschichte zu suchen, doch aber können einzelne Mythen
in demselben vorkommen, sei es, daſs sie aus dem A. T.
in das neue übertragen, oder daſs sie ursprünglich in die-
sem entstanden sind. So findet sich nach Bauer nament-
lich in der Jugendgeschichte Jesu Manches, was vom my-
thischen Gesichtspunkte betrachtet sein will. Wie von ei-
nem berühmten Manne bald allerlei Anekdoten sich bilden,
welche unter einem wundersüchtigen Volke die Sage mit
Wunderdingen aller Art vergrössert: so wurde Jesu in
Dunkelheit verlebte Jugend, da er später so berühmt und
endlich durch seinen Tod noch mehr verherrlicht war,
mit den wunderhaftesten Erzählungen ausgeschmückt. Wenn
in dieser Jugendgeschichte himmlische Wesen mit Namen
und in Menschengestalt erscheinen, die Zukunft verkün-
digen u. dgl.: so haben wir, meint Bauer, doch wohl ein
Recht, hier einen Mythus anzunehmen, und als den Grund
seiner Entstehung den zu vermuthen, daſs man die gros-
sen Wirkungen Jesu aus übersinnlichen Ursachen erklärt,
und diese Erklärung mit der Geschichte vermischt habe.
— In gleicher Beziehung bemerkte Gabler 3), wie der Be-
griff von alter Zeit ein relativer sei; gegen die mosaische
Religion gehalten, sei die christliche allerdings jung, doch
aber an sich selber alt genug, um die Urgeschichte ihres
Stifters zu den alten Zeiten rechnen zu dürfen. Daſs es
aber damals über andere Gegenstände bereits schriftliche
Urkunden gegeben habe, beweise hieher nichts, sobald es
sich zeigen lasse, daſs man eben über Jesum, besonders
2) Hebräische Mythologie 1. Thl. Einl. §. 5.
3) Ist es erlaubt, in der Bibel u. sogar im N. T. Mythen an-
zunehmen? Im Journal für auserlesene theol. Literatur 2,
1, 49 ff.
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