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Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 1. Tübingen, 1835.

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Zweiter Abschnitt.
und nicht vielmehr das besondre Verhältniss von Zwölfen
aus dem Kreise seiner Anhänger zu ihm sich allmählich
von selbst gemacht habe 3)? Dass nun die Wahl der Zwölfe
in Einem besondern feierlichen Akte vor sich gegangen
wäre, dafür haben wir nach dem Bisherigen nicht nur kei-
ne Bürgschaft, sondern die Evangelien selbst lassen ja Sech-
se von ihnen einzeln und paarweise bei verschiedenen An-
lässen berufen werden; eine andre Frage aber ist, ob nicht
doch die Zwölfzahl eine von Jesu selbst bestimmte gewe-
sen sei, er also mit Vergrösserung seines nächsten Gefol-
ges bei dieser Zahl absichtlich inne gehalten habe? Zufäl-
lig kann dieselbe um so weniger sein, je bedeutsamer sie
ist, und je leichter sich nachweisen lässt, was Jesum be-
wogen haben mag, sie zu wählen. Er selbst, wenn er Matth.
19, 28. den Jüngern verheisst: kathisesthe epi dodeka thro-
nous, krinontes tas dodeka phulas tou Israel, giebt der Zahl
derselben eine Beziehung auf die Zahl der Stämme seines
Volks, und das höchste christliche Alterthum war der An-
sicht, dass er sie in dieser Beziehung gewählt habe 4). War
er und seine Jünger zunächst gesandt eis ta probata ta
apololota oikou Israel (Matth. 10, 6. 15, 24.): so konnte
es angemessen scheinen, die Zahl der auszusendenden Hir-
ten nach der Zahl der hirtenlosen (Matth. 9, 36.) Stämme fest-
zusetzen.

Die Bestimmung dieser Zwölfe wird Joh. 15, 16. nur
ganz allgemein, Marc. 3, 14 f. dagegen genauer und ohne
Zweifel richtig angegeben. Epoiese dodeka, heisst es hier,
1) ina osi met' autou, d. h. um einerseits auf seinen Reisen
nicht ohne Gesellschaft, Hülfe und Bedienung zu sein, wie
sie ihm denn vielfältig zu Bestellung von Quartier (Luc.
9, 52. Matth. 26, 17 f.), zu Herbeischaffung von Lebens-

3) a. a. O. S. 88.
4) Ep. Barnab. 8, und das Evangelium der Ebioniten bei Epi-
phanius, haer. 30, 13.

Zweiter Abschnitt.
und nicht vielmehr das besondre Verhältniſs von Zwölfen
aus dem Kreise seiner Anhänger zu ihm sich allmählich
von selbst gemacht habe 3)? Daſs nun die Wahl der Zwölfe
in Einem besondern feierlichen Akte vor sich gegangen
wäre, dafür haben wir nach dem Bisherigen nicht nur kei-
ne Bürgschaft, sondern die Evangelien selbst lassen ja Sech-
se von ihnen einzeln und paarweise bei verschiedenen An-
lässen berufen werden; eine andre Frage aber ist, ob nicht
doch die Zwölfzahl eine von Jesu selbst bestimmte gewe-
sen sei, er also mit Vergrösserung seines nächsten Gefol-
ges bei dieser Zahl absichtlich inne gehalten habe? Zufäl-
lig kann dieselbe um so weniger sein, je bedeutsamer sie
ist, und je leichter sich nachweisen läſst, was Jesum be-
wogen haben mag, sie zu wählen. Er selbst, wenn er Matth.
19, 28. den Jüngern verheiſst: καϑίσεσϑε ἐπὶ δώδεκα ϑρό-
νους, κρίνοντες τὰς δώδεκα φυλὰς τοῦ Ἰσραὴλ, giebt der Zahl
derselben eine Beziehung auf die Zahl der Stämme seines
Volks, und das höchste christliche Alterthum war der An-
sicht, daſs er sie in dieser Beziehung gewählt habe 4). War
er und seine Jünger zunächst gesandt εἰς τὰ πρόβατα τὰ
ἀπολωλότα οἴκου Ἰσραὴλ (Matth. 10, 6. 15, 24.): so konnte
es angemessen scheinen, die Zahl der auszusendenden Hir-
ten nach der Zahl der hirtenlosen (Matth. 9, 36.) Stämme fest-
zusetzen.

Die Bestimmung dieser Zwölfe wird Joh. 15, 16. nur
ganz allgemein, Marc. 3, 14 f. dagegen genauer und ohne
Zweifel richtig angegeben. Ἐποίησε δώδεκα, heiſst es hier,
1) ἵνα ὦσι μετ' αὐτοῦ, d. h. um einerseits auf seinen Reisen
nicht ohne Gesellschaft, Hülfe und Bedienung zu sein, wie
sie ihm denn vielfältig zu Bestellung von Quartier (Luc.
9, 52. Matth. 26, 17 f.), zu Herbeischaffung von Lebens-

3) a. a. O. S. 88.
4) Ep. Barnab. 8, und das Evangelium der Ebioniten bei Epi-
phanius, haer. 30, 13.
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[550/0574] Zweiter Abschnitt. und nicht vielmehr das besondre Verhältniſs von Zwölfen aus dem Kreise seiner Anhänger zu ihm sich allmählich von selbst gemacht habe 3)? Daſs nun die Wahl der Zwölfe in Einem besondern feierlichen Akte vor sich gegangen wäre, dafür haben wir nach dem Bisherigen nicht nur kei- ne Bürgschaft, sondern die Evangelien selbst lassen ja Sech- se von ihnen einzeln und paarweise bei verschiedenen An- lässen berufen werden; eine andre Frage aber ist, ob nicht doch die Zwölfzahl eine von Jesu selbst bestimmte gewe- sen sei, er also mit Vergrösserung seines nächsten Gefol- ges bei dieser Zahl absichtlich inne gehalten habe? Zufäl- lig kann dieselbe um so weniger sein, je bedeutsamer sie ist, und je leichter sich nachweisen läſst, was Jesum be- wogen haben mag, sie zu wählen. Er selbst, wenn er Matth. 19, 28. den Jüngern verheiſst: καϑίσεσϑε ἐπὶ δώδεκα ϑρό- νους, κρίνοντες τὰς δώδεκα φυλὰς τοῦ Ἰσραὴλ, giebt der Zahl derselben eine Beziehung auf die Zahl der Stämme seines Volks, und das höchste christliche Alterthum war der An- sicht, daſs er sie in dieser Beziehung gewählt habe 4). War er und seine Jünger zunächst gesandt εἰς τὰ πρόβατα τὰ ἀπολωλότα οἴκου Ἰσραὴλ (Matth. 10, 6. 15, 24.): so konnte es angemessen scheinen, die Zahl der auszusendenden Hir- ten nach der Zahl der hirtenlosen (Matth. 9, 36.) Stämme fest- zusetzen. Die Bestimmung dieser Zwölfe wird Joh. 15, 16. nur ganz allgemein, Marc. 3, 14 f. dagegen genauer und ohne Zweifel richtig angegeben. Ἐποίησε δώδεκα, heiſst es hier, 1) ἵνα ὦσι μετ' αὐτοῦ, d. h. um einerseits auf seinen Reisen nicht ohne Gesellschaft, Hülfe und Bedienung zu sein, wie sie ihm denn vielfältig zu Bestellung von Quartier (Luc. 9, 52. Matth. 26, 17 f.), zu Herbeischaffung von Lebens- 3) a. a. O. S. 88. 4) Ep. Barnab. 8, und das Evangelium der Ebioniten bei Epi- phanius, haer. 30, 13.

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Zitationshilfe: Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 1. Tübingen, 1835, S. 550. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus01_1835/574>, abgerufen am 25.11.2024.