Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 1. Tübingen, 1835.Viertes Kapitel. §. 58. Stelle, so wie auch in Bezug auf die synoptische Matth.14, 33., laut welcher um ein Ziemliches vor jener von Je- su über die Volksmeinung eingezogenen Erkundigung die mit ihm im Schiff befindlichen Leute 1), als er den Sturm durch ein Wort gestillt hatte, ihm als uios theou zu Füssen fielen, geltend gemacht werden, dass gar wohl in Folge be- sonderer Eindrücke Einzelne in begeisterten Augenblicken auf den Gedanken, er möchte der Messias sein, kommen konnten, während die allgemeine und ruhige Volksstimme ihn noch immer blos als Propheten beurtheilte. -- Schwie- riger ist die Abweichung, welche die Jünger betrifft. Wäh- rend bei Johannes Andreas schon nach seiner ersten Zu- sammenkunft mit Jesu seinem Bruder sagt: eurekamen ton Messian (1, 42.), ebenso Philippus ihn dem Nathanael als den von Moses und den Propheten Geweissagten bezeich- net (V. 46.), endlich auch Nathanael selbst ihn als den uiis tou theou und basileus tou Israel begrüsst (V. 50.): geht bei den ersten Evangelisten erst nach langem Zusammen- sein mit ihm und kurz vor seinem Leiden dem den Übri- gen voraneilenden Petrus die Einsicht auf, dass Jesus der Khrioos, o uios tou theou tou zontos sei (Matth. 16, 16. parall.). Unmöglich konnte durch dieses Bekenntniss Jesus so über- rascht werden, dass er nach Matthäus (V. 17.) den Petrus um desselben willen selig priess und seine Einsicht als gött- liche Offenbarung darstellte, oder nach Markus und Lukas (8, 30. 9, 21.) den Jüngern wie erschrocken die weitere Ausbreitung der von Petrus ausgesprochenen Überzeugung verbot, wenn diese eine im Kreise seiner Jünger längst gehegte Ansicht, und nicht vielmehr ein neues dem Petrus jezt eben aufgegangenes und dadurch erst den übrigen zum Bewusstsein gebra[c]htes Licht war. -- Ebenso schwierig ist 1) Dass durch den Ausdruck oi en to ploio ausser den Jün-
gern noch andre, Jesu ferner stehende Personen bezeichnet seien, darüber s. Fritzsche z. d. St. Viertes Kapitel. §. 58. Stelle, so wie auch in Bezug auf die synoptische Matth.14, 33., laut welcher um ein Ziemliches vor jener von Je- su über die Volksmeinung eingezogenen Erkundigung die mit ihm im Schiff befindlichen Leute 1), als er den Sturm durch ein Wort gestillt hatte, ihm als υἱὸς ϑεοῦ zu Füſsen fielen, geltend gemacht werden, daſs gar wohl in Folge be- sonderer Eindrücke Einzelne in begeisterten Augenblicken auf den Gedanken, er möchte der Messias sein, kommen konnten, während die allgemeine und ruhige Volksstimme ihn noch immer blos als Propheten beurtheilte. — Schwie- riger ist die Abweichung, welche die Jünger betrifft. Wäh- rend bei Johannes Andreas schon nach seiner ersten Zu- sammenkunft mit Jesu seinem Bruder sagt: εὑρήκαμεν τὸν Μεσσίαν (1, 42.), ebenso Philippus ihn dem Nathanaël als den von Moses und den Propheten Geweissagten bezeich- net (V. 46.), endlich auch Nathanaël selbst ihn als den υἱὶς τοῦ ϑεοῦ und βασιλεὺς τοῦ Ἰσραὴλ begrüſst (V. 50.): geht bei den ersten Evangelisten erst nach langem Zusammen- sein mit ihm und kurz vor seinem Leiden dem den Übri- gen voraneilenden Petrus die Einsicht auf, daſs Jesus der Χριὁὸς, ὁ υἱὸς τοῦ ϑεου τοῦ ζῶντος sei (Matth. 16, 16. parall.). Unmöglich konnte durch dieses Bekenntniſs Jesus so über- rascht werden, daſs er nach Matthäus (V. 17.) den Petrus um desselben willen selig prieſs und seine Einsicht als gött- liche Offenbarung darstellte, oder nach Markus und Lukas (8, 30. 9, 21.) den Jüngern wie erschrocken die weitere Ausbreitung der von Petrus ausgesprochenen Überzeugung verbot, wenn diese eine im Kreise seiner Jünger längst gehegte Ansicht, und nicht vielmehr ein neues dem Petrus jezt eben aufgegangenes und dadurch erst den übrigen zum Bewuſstsein gebra[c]htes Licht war. — Ebenso schwierig ist 1) Dass durch den Ausdruck οἱ ἐν τῷ πλοίῳ ausser den Jün-
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Viertes Kapitel. §. 58.
Stelle, so wie auch in Bezug auf die synoptische Matth.
14, 33., laut welcher um ein Ziemliches vor jener von Je-
su über die Volksmeinung eingezogenen Erkundigung die
mit ihm im Schiff befindlichen Leute 1), als er den Sturm
durch ein Wort gestillt hatte, ihm als υἱὸς ϑεοῦ zu Füſsen
fielen, geltend gemacht werden, daſs gar wohl in Folge be-
sonderer Eindrücke Einzelne in begeisterten Augenblicken
auf den Gedanken, er möchte der Messias sein, kommen
konnten, während die allgemeine und ruhige Volksstimme
ihn noch immer blos als Propheten beurtheilte. — Schwie-
riger ist die Abweichung, welche die Jünger betrifft. Wäh-
rend bei Johannes Andreas schon nach seiner ersten Zu-
sammenkunft mit Jesu seinem Bruder sagt: εὑρήκαμεν τὸν
Μεσσίαν (1, 42.), ebenso Philippus ihn dem Nathanaël als
den von Moses und den Propheten Geweissagten bezeich-
net (V. 46.), endlich auch Nathanaël selbst ihn als den
υἱὶς τοῦ ϑεοῦ und βασιλεὺς τοῦ Ἰσραὴλ begrüſst (V. 50.): geht
bei den ersten Evangelisten erst nach langem Zusammen-
sein mit ihm und kurz vor seinem Leiden dem den Übri-
gen voraneilenden Petrus die Einsicht auf, daſs Jesus der
Χριὁὸς, ὁ υἱὸς τοῦ ϑεου τοῦ ζῶντος sei (Matth. 16, 16. parall.).
Unmöglich konnte durch dieses Bekenntniſs Jesus so über-
rascht werden, daſs er nach Matthäus (V. 17.) den Petrus
um desselben willen selig prieſs und seine Einsicht als gött-
liche Offenbarung darstellte, oder nach Markus und Lukas
(8, 30. 9, 21.) den Jüngern wie erschrocken die weitere
Ausbreitung der von Petrus ausgesprochenen Überzeugung
verbot, wenn diese eine im Kreise seiner Jünger längst
gehegte Ansicht, und nicht vielmehr ein neues dem Petrus
jezt eben aufgegangenes und dadurch erst den übrigen zum
Bewuſstsein gebrachtes Licht war. — Ebenso schwierig ist
1) Dass durch den Ausdruck οἱ ἐν τῷ πλοίῳ ausser den Jün-
gern noch andre, Jesu ferner stehende Personen bezeichnet
seien, darüber s. Fritzsche z. d. St.
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