Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 1. Tübingen, 1835.Drittes Kapitel. §. 55. Paulus, da, wie er selbst gesteht 7), dieselbe Phrase bei Jo-hannes sonst immer das nahe bevorstehende Fest bedeutet (2, 13. 7, 2. 11, 55.), und auch ihrer Natur nach bedeuten muss, wofern nicht aus dem Zusammenhang das Gegentheil sich ergiebt. Erst also Joh. 6, 4. haben wir das zweite Paschafest, von welchem übrigens nicht gemeldet wird, dass Jesus es besucht hätte 8). Nachdem nun noch des Festes der Laubhütten und der Tempelweihe gedacht ist, wird 11, 55. 12, 1. das lezte Pascha aufgeführt, welches Jesus besuchte. So hätten also wir, nach unserer Ansicht von Joh. 5, 1. und 6, 4., für die öffentliche Wirksamkeit Jesu zwei Jahre, nebst demjenigen Zeitabschnitt, welcher zwi- schen seiner Taufe und dem ersten von ihm besuchten Pa- scha liegt. Auf dieselbe Rechnung kommen diejenigen, welche, wie Paulus, 5, 1. ein Pascha, aber 6, 4. nur eine Rückweisung auf dieses sehen, wogegen die alte, kirchen- väterliche Ansicht, welche in den angeführten beiden Stel- len zwei verschiedene Paschafeste fand, drei volle Jahre herausbrachte. Indess durch jene Rechnung bekommen wir nur das minimum der Dauer des öffentlichen. Wirkens Je- su nach Johannes, da weder der Referent irgendwo an- deutet, dass er gerade alle Feste, welche in jenen Zeitraum fielen, und namentlich auch die von Jesu nicht besuchten, namhaft machen wolle, noch wir, sofern wir nicht den Apostel Johannes als den Verfasser des vierten Evangeliums schon voraussetzen, eine Bürgschaft haben, dass er von al- len gewusst habe. Wenn man nun nicht selten sagt, dieser johanneischen 7) exeg. Handb. 1, b. S. 785. 8) s. Storr, über den Zweck der evang. Gesch. und der Briefe Johannis, S. 330. 9) z. B. Winer, b. Realw. 1, S. 666.
Drittes Kapitel. §. 55. Paulus, da, wie er selbst gesteht 7), dieselbe Phrase bei Jo-hannes sonst immer das nahe bevorstehende Fest bedeutet (2, 13. 7, 2. 11, 55.), und auch ihrer Natur nach bedeuten muſs, wofern nicht aus dem Zusammenhang das Gegentheil sich ergiebt. Erst also Joh. 6, 4. haben wir das zweite Paschafest, von welchem übrigens nicht gemeldet wird, daſs Jesus es besucht hätte 8). Nachdem nun noch des Festes der Laubhütten und der Tempelweihe gedacht ist, wird 11, 55. 12, 1. das lezte Pascha aufgeführt, welches Jesus besuchte. So hätten also wir, nach unserer Ansicht von Joh. 5, 1. und 6, 4., für die öffentliche Wirksamkeit Jesu zwei Jahre, nebst demjenigen Zeitabschnitt, welcher zwi- schen seiner Taufe und dem ersten von ihm besuchten Pa- scha liegt. Auf dieselbe Rechnung kommen diejenigen, welche, wie Paulus, 5, 1. ein Pascha, aber 6, 4. nur eine Rückweisung auf dieses sehen, wogegen die alte, kirchen- väterliche Ansicht, welche in den angeführten beiden Stel- len zwei verschiedene Paschafeste fand, drei volle Jahre herausbrachte. Indeſs durch jene Rechnung bekommen wir nur das minimum der Dauer des öffentlichen. Wirkens Je- su nach Johannes, da weder der Referent irgendwo an- deutet, daſs er gerade alle Feste, welche in jenen Zeitraum fielen, und namentlich auch die von Jesu nicht besuchten, namhaft machen wolle, noch wir, sofern wir nicht den Apostel Johannes als den Verfasser des vierten Evangeliums schon voraussetzen, eine Bürgschaft haben, daſs er von al- len gewuſst habe. Wenn man nun nicht selten sagt, dieser johanneischen 7) exeg. Handb. 1, b. S. 785. 8) s. Storr, über den Zweck der evang. Gesch. und der Briefe Johannis, S. 330. 9) z. B. Winer, b. Realw. 1, S. 666.
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Drittes Kapitel. §. 55.
Paulus, da, wie er selbst gesteht 7), dieselbe Phrase bei Jo-
hannes sonst immer das nahe bevorstehende Fest bedeutet
(2, 13. 7, 2. 11, 55.), und auch ihrer Natur nach bedeuten
muſs, wofern nicht aus dem Zusammenhang das Gegentheil
sich ergiebt. Erst also Joh. 6, 4. haben wir das zweite
Paschafest, von welchem übrigens nicht gemeldet wird, daſs
Jesus es besucht hätte 8). Nachdem nun noch des Festes
der Laubhütten und der Tempelweihe gedacht ist, wird
11, 55. 12, 1. das lezte Pascha aufgeführt, welches Jesus
besuchte. So hätten also wir, nach unserer Ansicht von
Joh. 5, 1. und 6, 4., für die öffentliche Wirksamkeit Jesu
zwei Jahre, nebst demjenigen Zeitabschnitt, welcher zwi-
schen seiner Taufe und dem ersten von ihm besuchten Pa-
scha liegt. Auf dieselbe Rechnung kommen diejenigen,
welche, wie Paulus, 5, 1. ein Pascha, aber 6, 4. nur eine
Rückweisung auf dieses sehen, wogegen die alte, kirchen-
väterliche Ansicht, welche in den angeführten beiden Stel-
len zwei verschiedene Paschafeste fand, drei volle Jahre
herausbrachte. Indeſs durch jene Rechnung bekommen wir
nur das minimum der Dauer des öffentlichen. Wirkens Je-
su nach Johannes, da weder der Referent irgendwo an-
deutet, daſs er gerade alle Feste, welche in jenen Zeitraum
fielen, und namentlich auch die von Jesu nicht besuchten,
namhaft machen wolle, noch wir, sofern wir nicht den
Apostel Johannes als den Verfasser des vierten Evangeliums
schon voraussetzen, eine Bürgschaft haben, daſs er von al-
len gewuſst habe.
Wenn man nun nicht selten sagt, dieser johanneischen
Rechnung gegenüber geben die Synoptiker Veranlassung,
die öffentliche Wirksamkeit Jesu auf Ein Jahr zu beschrän-
ken 9): so beruht dieſs nur auf der aus Johannes herüber-
7) exeg. Handb. 1, b. S. 785.
8) s. Storr, über den Zweck der evang. Gesch. und der Briefe
Johannis, S. 330.
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