ein, unter welchen in den von K. Ch. L. Schmidt1), von Fritzsche2) und Usteri3) gegebenen die Untersuchung wirklich als zu ihrem Ziele geführt erscheint.
Die erste Auffassung, welche sich der unbefangenen Betrachtung des Textes bietet, ist die, dass Jesus von dem bei der Taufe empfangenen göttlichen Geist in die Wüste geführt worden sei, um eine Versuchung des Teufels zu bestehen, welcher ihm sofort persönlich und sichtbarlich erschienen sei, und auf verschiedene Weise, an verschie- denen Orten, zu welchen er ihn hinführte, seine Versu- chungen mit ihm vorgenommen habe, nach deren siegrei- cher Abwehr von Seiten Jesu der Teufel ihn verlassen und Engel erschienen seien, ihm zu dienen. Indess, so einfach sich diess exegetisch als Sinn der Erzählung ergiebt, so thun sich doch, sobald sie nun als Geschichte angesehen werden soll, in allen Theilen derselben Schwierigkeiten hervor.
Wenn, um gleich vorne anzufangen, der göttliche Geist Jesum in der Absicht in die Wüste führte, um ihn daselbst versuchen zu lassen, wie diess Matthäus in den Worten: anekhthe eis ten eremon upo tou pneumatos, peirasthenai (4, 1.) ausdrücklich sagt: wozu sollte diese Versuchung dienen? Ei- nen stellvertretenden, erlösenden Werth derselben wird man doch wohl nicht behaupten wollen, so wenig als dass Gott erst nöthig gehabt hätte, Jesum auf eine Probe zu stellen; sollte aber durch dieselbe Jesus uns gleich und nach Hebr. 4, 15. in allen Dingen versucht werden wie wir: so wurde ihm ja der Prüfungen vollestes Maass in seinem folgenden Leben zu Theil, und durch eine Versu- chung des persönlich erscheinenden Teufels wäre er uns
1) Exegetische Beiträge, 1, S. 277 ff.
2) Comm. in Matth. S. 172 ff.
3) In der angef. Abhandlung, von S. 768 an.
Zweiter Abschnitt.
ein, unter welchen in den von K. Ch. L. Schmidt1), von Fritzsche2) und Usteri3) gegebenen die Untersuchung wirklich als zu ihrem Ziele geführt erscheint.
Die erste Auffassung, welche sich der unbefangenen Betrachtung des Textes bietet, ist die, daſs Jesus von dem bei der Taufe empfangenen göttlichen Geist in die Wüste geführt worden sei, um eine Versuchung des Teufels zu bestehen, welcher ihm sofort persönlich und sichtbarlich erschienen sei, und auf verschiedene Weise, an verschie- denen Orten, zu welchen er ihn hinführte, seine Versu- chungen mit ihm vorgenommen habe, nach deren siegrei- cher Abwehr von Seiten Jesu der Teufel ihn verlassen und Engel erschienen seien, ihm zu dienen. Indeſs, so einfach sich dieſs exegetisch als Sinn der Erzählung ergiebt, so thun sich doch, sobald sie nun als Geschichte angesehen werden soll, in allen Theilen derselben Schwierigkeiten hervor.
Wenn, um gleich vorne anzufangen, der göttliche Geist Jesum in der Absicht in die Wüste führte, um ihn daselbst versuchen zu lassen, wie dieſs Matthäus in den Worten: ἀνήχϑη εἰς τὴν ἔρημον ὑπὸ τοῦ πνεύματος, πειρασϑῆναι (4, 1.) ausdrücklich sagt: wozu sollte diese Versuchung dienen? Ei- nen stellvertretenden, erlösenden Werth derselben wird man doch wohl nicht behaupten wollen, so wenig als daſs Gott erst nöthig gehabt hätte, Jesum auf eine Probe zu stellen; sollte aber durch dieselbe Jesus uns gleich und nach Hebr. 4, 15. in allen Dingen versucht werden wie wir: so wurde ihm ja der Prüfungen vollestes Maaſs in seinem folgenden Leben zu Theil, und durch eine Versu- chung des persönlich erscheinenden Teufels wäre er uns
1) Exegetische Beiträge, 1, S. 277 ff.
2) Comm. in Matth. S. 172 ff.
3) In der angef. Abhandlung, von S. 768 an.
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Zweiter Abschnitt.
ein, unter welchen in den von K. Ch. L. Schmidt 1), von
Fritzsche 2) und Usteri 3) gegebenen die Untersuchung
wirklich als zu ihrem Ziele geführt erscheint.
Die erste Auffassung, welche sich der unbefangenen
Betrachtung des Textes bietet, ist die, daſs Jesus von dem
bei der Taufe empfangenen göttlichen Geist in die Wüste
geführt worden sei, um eine Versuchung des Teufels zu
bestehen, welcher ihm sofort persönlich und sichtbarlich
erschienen sei, und auf verschiedene Weise, an verschie-
denen Orten, zu welchen er ihn hinführte, seine Versu-
chungen mit ihm vorgenommen habe, nach deren siegrei-
cher Abwehr von Seiten Jesu der Teufel ihn verlassen und
Engel erschienen seien, ihm zu dienen. Indeſs, so einfach
sich dieſs exegetisch als Sinn der Erzählung ergiebt, so
thun sich doch, sobald sie nun als Geschichte angesehen
werden soll, in allen Theilen derselben Schwierigkeiten
hervor.
Wenn, um gleich vorne anzufangen, der göttliche Geist
Jesum in der Absicht in die Wüste führte, um ihn daselbst
versuchen zu lassen, wie dieſs Matthäus in den Worten:
ἀνήχϑη εἰς τὴν ἔρημον ὑπὸ τοῦ πνεύματος, πειρασϑῆναι (4, 1.)
ausdrücklich sagt: wozu sollte diese Versuchung dienen? Ei-
nen stellvertretenden, erlösenden Werth derselben wird
man doch wohl nicht behaupten wollen, so wenig als daſs
Gott erst nöthig gehabt hätte, Jesum auf eine Probe zu
stellen; sollte aber durch dieselbe Jesus uns gleich und
nach Hebr. 4, 15. in allen Dingen versucht werden wie
wir: so wurde ihm ja der Prüfungen vollestes Maaſs in
seinem folgenden Leben zu Theil, und durch eine Versu-
chung des persönlich erscheinenden Teufels wäre er uns
1) Exegetische Beiträge, 1, S. 277 ff.
2) Comm. in Matth. S. 172 ff.
3) In der angef. Abhandlung, von S. 768 an.
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Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 1. Tübingen, 1835, S. 404. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus01_1835/428>, abgerufen am 22.11.2024.
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