vermuthungsweise, als diesen bezeichnet haben. Dazu mag, so dachte man, der Ruf von Jesu Thaten ihn bewogen ha- ben, welcher, so stark wie er erscholl, wohl durch die Mauern seines Kerkers dringen konnte. So bildete sich die Erzählung des Matthäus von der Botschaft aus dem Gefängniss; der erste, gleichsam noch schüchterne Versuch, den Täufer für Jesum zeugen zu lassen, welchen man, weil ein kategorisches Zeugniss desselben für Jesum gar zu unerhört war, nur erst in eine Frage einkleidete.
Doch dieses späte und halbe Zeugniss genügte nicht. Es war ein spätes; denn vor demselben blieb ja immer noch die Taufe, welche Jesus von Johannes angenommen und dadurch gewissermassen sich ihm untergeordnet hatte. Daher musste der Taufe selbst die entgegengesezte Wen- dung gegeben werden (wovon unten); daher ferner jene Scenen bei Lukas, durch welche der Täufer vor seiner Geburt schon in ein dienendes Verhältniss zu Jesu gesezt wurde.
Aber nicht allein ein spätes Zeugniss war jenes in der Botschaft der Jünger abgelegte, sondern auch ein blos hal- bes, weil es in der Frage noch eine Ungewissheit und in dem o erkhomenos eine Unbestimmtheit enthielt. Daher im vierten Evangelium keine Frage nach der Messianität Jesu mehr, sondern die heiligste Versicherung derselben; daher die bestimmtesten Aussprüche über Jesu ewige, göttliche Natur und seinen Charakter als des leidenden Messias.
Mit diesen so bestimmten Aussprüchen konnte nun frei- lich in einer nach Einheit strebenden Darstellung, wie die des vierten Evangeliums ist, jene zweifelnde Sendung nicht wohl zusammen bestehen, wesswegen sie in diesem Evan- gelium nur in total umgewandelter Gestalt eine Stelle ge- funden hat; übrigens auch mit dem, was die Synoptiker bei der Taufe Jesu und schon früher zwischen Johannes und Jesus vorfallen lassen, reimt sie sich nicht, aber in ihre loseren Compositionen nahmen diese Evangelisten ne-
Zweiter Abschnitt.
vermuthungsweise, als diesen bezeichnet haben. Dazu mag, so dachte man, der Ruf von Jesu Thaten ihn bewogen ha- ben, welcher, so stark wie er erscholl, wohl durch die Mauern seines Kerkers dringen konnte. So bildete sich die Erzählung des Matthäus von der Botschaft aus dem Gefängniſs; der erste, gleichsam noch schüchterne Versuch, den Täufer für Jesum zeugen zu lassen, welchen man, weil ein kategorisches Zeugniſs desselben für Jesum gar zu unerhört war, nur erst in eine Frage einkleidete.
Doch dieses späte und halbe Zeugniſs genügte nicht. Es war ein spätes; denn vor demselben blieb ja immer noch die Taufe, welche Jesus von Johannes angenommen und dadurch gewissermaſsen sich ihm untergeordnet hatte. Daher muſste der Taufe selbst die entgegengesezte Wen- dung gegeben werden (wovon unten); daher ferner jene Scenen bei Lukas, durch welche der Täufer vor seiner Geburt schon in ein dienendes Verhältniſs zu Jesu gesezt wurde.
Aber nicht allein ein spätes Zeugniſs war jenes in der Botschaft der Jünger abgelegte, sondern auch ein blos hal- bes, weil es in der Frage noch eine Ungewiſsheit und in dem ὁ ἐρχόμενος eine Unbestimmtheit enthielt. Daher im vierten Evangelium keine Frage nach der Messianität Jesu mehr, sondern die heiligste Versicherung derselben; daher die bestimmtesten Aussprüche über Jesu ewige, göttliche Natur und seinen Charakter als des leidenden Messias.
Mit diesen so bestimmten Aussprüchen konnte nun frei- lich in einer nach Einheit strebenden Darstellung, wie die des vierten Evangeliums ist, jene zweifelnde Sendung nicht wohl zusammen bestehen, weſswegen sie in diesem Evan- gelium nur in total umgewandelter Gestalt eine Stelle ge- funden hat; übrigens auch mit dem, was die Synoptiker bei der Taufe Jesu und schon früher zwischen Johannes und Jesus vorfallen lassen, reimt sie sich nicht, aber in ihre loseren Compositionen nahmen diese Evangelisten ne-
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Zweiter Abschnitt.
vermuthungsweise, als diesen bezeichnet haben. Dazu mag,
so dachte man, der Ruf von Jesu Thaten ihn bewogen ha-
ben, welcher, so stark wie er erscholl, wohl durch die
Mauern seines Kerkers dringen konnte. So bildete sich
die Erzählung des Matthäus von der Botschaft aus dem
Gefängniſs; der erste, gleichsam noch schüchterne Versuch,
den Täufer für Jesum zeugen zu lassen, welchen man,
weil ein kategorisches Zeugniſs desselben für Jesum gar
zu unerhört war, nur erst in eine Frage einkleidete.
Doch dieses späte und halbe Zeugniſs genügte nicht.
Es war ein spätes; denn vor demselben blieb ja immer
noch die Taufe, welche Jesus von Johannes angenommen
und dadurch gewissermaſsen sich ihm untergeordnet hatte.
Daher muſste der Taufe selbst die entgegengesezte Wen-
dung gegeben werden (wovon unten); daher ferner jene
Scenen bei Lukas, durch welche der Täufer vor seiner
Geburt schon in ein dienendes Verhältniſs zu Jesu gesezt
wurde.
Aber nicht allein ein spätes Zeugniſs war jenes in der
Botschaft der Jünger abgelegte, sondern auch ein blos hal-
bes, weil es in der Frage noch eine Ungewiſsheit und in
dem ὁ ἐρχόμενος eine Unbestimmtheit enthielt. Daher im
vierten Evangelium keine Frage nach der Messianität Jesu
mehr, sondern die heiligste Versicherung derselben; daher
die bestimmtesten Aussprüche über Jesu ewige, göttliche
Natur und seinen Charakter als des leidenden Messias.
Mit diesen so bestimmten Aussprüchen konnte nun frei-
lich in einer nach Einheit strebenden Darstellung, wie die
des vierten Evangeliums ist, jene zweifelnde Sendung nicht
wohl zusammen bestehen, weſswegen sie in diesem Evan-
gelium nur in total umgewandelter Gestalt eine Stelle ge-
funden hat; übrigens auch mit dem, was die Synoptiker
bei der Taufe Jesu und schon früher zwischen Johannes
und Jesus vorfallen lassen, reimt sie sich nicht, aber in
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Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 1. Tübingen, 1835, S. 362. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus01_1835/386>, abgerufen am 24.11.2024.
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