worden. Diess läuft aber der Erzählung des Lukas zuwi- der, welcher durch sein ate eplesthesan ai emerai tou ka- tharismou auton kata ton nomon Moseos (V. 22.) ausdrück- lich sagt, dass der Tempelbesuch zur gesetzlichen Zeit stattgefunden. Doch gleichviel, ob früher oder später: die Eltern Jesu konnten dem Matthäus zufolge nach ihrer Rückkehr aus Aegypten so wenig als unmittelbar vor ih- rem Abgang dahin an eine Reise nach Jerusalem denken. Denn da bei der Rückkehr von der Flucht Joseph wegen des Archelaus vor Judäa gewarnt wird, das unter sei- ner Herrschaft stand, so konnte er es am wenigsten wa- gen, in dessen Residenz, Jerusalem, selbst sich zu begeben.
Da also auf keine dieser beiden Weisen die Darstel- lung im Tempel es ertragen will, dem Magierbesuche nach- gesezt zu werden, so bleibt nur das Andre übrig, jene von Lukas erzählte Begebenheit den beiden von Matthäus berichteten voranzustellen, wofür sich auch immer die Mehrheit der Ausleger entschieden hat 2). Hienach wären also die Eltern Jesu zuerst von Bethlehem, wo das Kind geboren war, nach Jerusalem gereist, um die gesetzlichen Gaben darzubringen; sodann wären sie wieder nach Beth- lehem zurückgekehrt, wo (nach Matth. 2, 1. und 5.) die Magier sie fanden; hierauf wäre die Flucht nach Aegyp- ten, und nach der Rückkehr von derselben die Ansiede- lung in Nazaret vor sich gegangen. Die hiebei vor Allem sich aufdringende Frage: was hatten denn die Eltern Je- su nach der Darstellung im Tempel noch einmal in Beth- lehem zu thun, das ja gar nicht ihre Heimath war, und wo sie binnen der 40 Tage ihre Geschäfte wegen der Schat- zung gewiss hatten abmachen können? muss zwar auf spä- ter verwiesen werden; indessen wird dieser in der Sache
2) Unter den Neueren z. B. Hess, Geschichte Jesu, 1, S. 51 ff. Paulus, exeg. Handb. 1, a, S. 203 f. Olshausen, bibl. Com- ment. 1, S. 147.
Das Leben Jesu I. Band. 17
Viertes Kapitel. §. 33.
worden. Dieſs läuft aber der Erzählung des Lukas zuwi- der, welcher durch sein ἅτε ἐπλήσϑησαν αἱ ἡμέραι τοῦ κα- ϑαρισμοῦ αὐτῶν κατὰ τὸν νόμον Μωσέως (V. 22.) ausdrück- lich sagt, daſs der Tempelbesuch zur gesetzlichen Zeit stattgefunden. Doch gleichviel, ob früher oder später: die Eltern Jesu konnten dem Matthäus zufolge nach ihrer Rückkehr aus Aegypten so wenig als unmittelbar vor ih- rem Abgang dahin an eine Reise nach Jerusalem denken. Denn da bei der Rückkehr von der Flucht Joseph wegen des Archelaus vor Judäa gewarnt wird, das unter sei- ner Herrschaft stand, so konnte er es am wenigsten wa- gen, in dessen Residenz, Jerusalem, selbst sich zu begeben.
Da also auf keine dieser beiden Weisen die Darstel- lung im Tempel es ertragen will, dem Magierbesuche nach- gesezt zu werden, so bleibt nur das Andre übrig, jene von Lukas erzählte Begebenheit den beiden von Matthäus berichteten voranzustellen, wofür sich auch immer die Mehrheit der Ausleger entschieden hat 2). Hienach wären also die Eltern Jesu zuerst von Bethlehem, wo das Kind geboren war, nach Jerusalem gereist, um die gesetzlichen Gaben darzubringen; sodann wären sie wieder nach Beth- lehem zurückgekehrt, wo (nach Matth. 2, 1. und 5.) die Magier sie fanden; hierauf wäre die Flucht nach Aegyp- ten, und nach der Rückkehr von derselben die Ansiede- lung in Nazaret vor sich gegangen. Die hiebei vor Allem sich aufdringende Frage: was hatten denn die Eltern Je- su nach der Darstellung im Tempel noch einmal in Beth- lehem zu thun, das ja gar nicht ihre Heimath war, und wo sie binnen der 40 Tage ihre Geschäfte wegen der Schat- zung gewiſs hatten abmachen können? muſs zwar auf spä- ter verwiesen werden; indessen wird dieser in der Sache
2) Unter den Neueren z. B. Hess, Geschichte Jesu, 1, S. 51 ff. Paulus, exeg. Handb. 1, a, S. 203 f. Olshausen, bibl. Com- ment. 1, S. 147.
Das Leben Jesu I. Band. 17
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Viertes Kapitel. §. 33.
worden. Dieſs läuft aber der Erzählung des Lukas zuwi-
der, welcher durch sein ἅτε ἐπλήσϑησαν αἱ ἡμέραι τοῦ κα-
ϑαρισμοῦ αὐτῶν κατὰ τὸν νόμον Μωσέως (V. 22.) ausdrück-
lich sagt, daſs der Tempelbesuch zur gesetzlichen Zeit
stattgefunden. Doch gleichviel, ob früher oder später: die
Eltern Jesu konnten dem Matthäus zufolge nach ihrer
Rückkehr aus Aegypten so wenig als unmittelbar vor ih-
rem Abgang dahin an eine Reise nach Jerusalem denken.
Denn da bei der Rückkehr von der Flucht Joseph wegen
des Archelaus vor Judäa gewarnt wird, das unter sei-
ner Herrschaft stand, so konnte er es am wenigsten wa-
gen, in dessen Residenz, Jerusalem, selbst sich zu begeben.
Da also auf keine dieser beiden Weisen die Darstel-
lung im Tempel es ertragen will, dem Magierbesuche nach-
gesezt zu werden, so bleibt nur das Andre übrig, jene
von Lukas erzählte Begebenheit den beiden von Matthäus
berichteten voranzustellen, wofür sich auch immer die
Mehrheit der Ausleger entschieden hat 2). Hienach wären
also die Eltern Jesu zuerst von Bethlehem, wo das Kind
geboren war, nach Jerusalem gereist, um die gesetzlichen
Gaben darzubringen; sodann wären sie wieder nach Beth-
lehem zurückgekehrt, wo (nach Matth. 2, 1. und 5.) die
Magier sie fanden; hierauf wäre die Flucht nach Aegyp-
ten, und nach der Rückkehr von derselben die Ansiede-
lung in Nazaret vor sich gegangen. Die hiebei vor Allem
sich aufdringende Frage: was hatten denn die Eltern Je-
su nach der Darstellung im Tempel noch einmal in Beth-
lehem zu thun, das ja gar nicht ihre Heimath war, und
wo sie binnen der 40 Tage ihre Geschäfte wegen der Schat-
zung gewiſs hatten abmachen können? muſs zwar auf spä-
ter verwiesen werden; indessen wird dieser in der Sache
2) Unter den Neueren z. B. Hess, Geschichte Jesu, 1, S. 51 ff.
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Das Leben Jesu I. Band. 17
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Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 1. Tübingen, 1835, S. 257. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus01_1835/281>, abgerufen am 22.11.2024.
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