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Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 1. Tübingen, 1835.

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Drittes Kapitel. §. 24.
stände der Erzeugung Jesu vorstellt. Von Elisabet, der
patriotischen, klugen Aaronstochter, wie er sie nennt, geht
er aus. Hatte diese die Hoffnung gefasst, einen Gottespro-
pheten zu gebären: so musste sie wünschen, dass er der
höchste Prophet, der Vorläufer des Messias sein, dass also
auch dieser bald geboren werden möchte. Und eine zur
Mutter des Messias ganz taugliche Person hatte sie in ih-
rer Verwandtschaft: die jungfräuliche Davidische Descen-
dentin Maria; es kam nur darauf an, sie zu besonderen
Hoffnungen zu veranlassen 6). Während man nach diesen
Andeutungen bereits einen schlauen Plan der Elisabet mit
ihrer jungen Verwandtin ahnt, und in denselben einge-
weiht zu werden hofft: lässt Paulus hier auf einmal den
Vorhang fallen, und bemerkt, die Art, wie Maria zu der
Überzeugung gekommen, Mutter des Messias zu werden,
müsse man historisch unentschieden lassen; nur so viel sei
gewiss, dass Maria dabei rein geblieben sei, indem sie un-
möglich, wie später geschah, mit gutem Gewissen unter
das Kreuz ihres Sohnes hätte treten können, wenn sie sich
eines Vorwurfs über den Ursprung ihrer Hoffnungen von
ihm bewusst gewesen wäre 7). Nur folgende Winke über
die eigentliche Ansicht von Paulus kommen weiterhin noch
vor: dass der verkündigende Engel vielleicht Abends, oder
gar bei Nacht zu Maria gekommen, ja der richtigeren Les-
art zufolge, welche Luc. 1, 28. nur: kai eiselthon pros
auten eipe, ohne o aggelos, habe, sei hier nur von einem
Hereingekommenen überhaupt die Rede (als ob das eisel-
thon in diesem Falle nicht nothwendig tis bei sich haben,
oder ohne dieses auf das Subjekt: o aggelos Uabriel, V. 26,
bezogen werden müsste!); dass es der Engel Gabriel ge-
wesen, habe sich Maria erst nachher, als sie von der Vi-
sion des Zacharias hörte, ergänzt.

6) a. a. O. S. 99 f.
7) a. a. O. S. 100. 114.

Drittes Kapitel. §. 24.
stände der Erzeugung Jesu vorstellt. Von Elisabet, der
patriotischen, klugen Aaronstochter, wie er sie nennt, geht
er aus. Hatte diese die Hoffnung gefaſst, einen Gottespro-
pheten zu gebären: so muſste sie wünschen, daſs er der
höchste Prophet, der Vorläufer des Messias sein, daſs also
auch dieser bald geboren werden möchte. Und eine zur
Mutter des Messias ganz taugliche Person hatte sie in ih-
rer Verwandtschaft: die jungfräuliche Davidische Descen-
dentin Maria; es kam nur darauf an, sie zu besonderen
Hoffnungen zu veranlassen 6). Während man nach diesen
Andeutungen bereits einen schlauen Plan der Elisabet mit
ihrer jungen Verwandtin ahnt, und in denselben einge-
weiht zu werden hofft: läſst Paulus hier auf einmal den
Vorhang fallen, und bemerkt, die Art, wie Maria zu der
Überzeugung gekommen, Mutter des Messias zu werden,
müsse man historisch unentschieden lassen; nur so viel sei
gewiſs, daſs Maria dabei rein geblieben sei, indem sie un-
möglich, wie später geschah, mit gutem Gewissen unter
das Kreuz ihres Sohnes hätte treten können, wenn sie sich
eines Vorwurfs über den Ursprung ihrer Hoffnungen von
ihm bewuſst gewesen wäre 7). Nur folgende Winke über
die eigentliche Ansicht von Paulus kommen weiterhin noch
vor: daſs der verkündigende Engel vielleicht Abends, oder
gar bei Nacht zu Maria gekommen, ja der richtigeren Les-
art zufolge, welche Luc. 1, 28. nur: καὶ εἰσελϑὼν πρὸς
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Hereingekommenen überhaupt die Rede (als ob das εἰσελ-
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oder ohne dieses auf das Subjekt: ὁ ἄγγελος ϒαβριὴλ, V. 26,
bezogen werden müſste!); daſs es der Engel Gabriel ge-
wesen, habe sich Maria erst nachher, als sie von der Vi-
sion des Zacharias hörte, ergänzt.

6) a. a. O. S. 99 f.
7) a. a. O. S. 100. 114.
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[169/0193] Drittes Kapitel. §. 24. stände der Erzeugung Jesu vorstellt. Von Elisabet, der patriotischen, klugen Aaronstochter, wie er sie nennt, geht er aus. Hatte diese die Hoffnung gefaſst, einen Gottespro- pheten zu gebären: so muſste sie wünschen, daſs er der höchste Prophet, der Vorläufer des Messias sein, daſs also auch dieser bald geboren werden möchte. Und eine zur Mutter des Messias ganz taugliche Person hatte sie in ih- rer Verwandtschaft: die jungfräuliche Davidische Descen- dentin Maria; es kam nur darauf an, sie zu besonderen Hoffnungen zu veranlassen 6). Während man nach diesen Andeutungen bereits einen schlauen Plan der Elisabet mit ihrer jungen Verwandtin ahnt, und in denselben einge- weiht zu werden hofft: läſst Paulus hier auf einmal den Vorhang fallen, und bemerkt, die Art, wie Maria zu der Überzeugung gekommen, Mutter des Messias zu werden, müsse man historisch unentschieden lassen; nur so viel sei gewiſs, daſs Maria dabei rein geblieben sei, indem sie un- möglich, wie später geschah, mit gutem Gewissen unter das Kreuz ihres Sohnes hätte treten können, wenn sie sich eines Vorwurfs über den Ursprung ihrer Hoffnungen von ihm bewuſst gewesen wäre 7). Nur folgende Winke über die eigentliche Ansicht von Paulus kommen weiterhin noch vor: daſs der verkündigende Engel vielleicht Abends, oder gar bei Nacht zu Maria gekommen, ja der richtigeren Les- art zufolge, welche Luc. 1, 28. nur: καὶ εἰσελϑὼν πρὸς ἀυτὴν εἶπε, ohne ὁ ἄγγελος, habe, sei hier nur von einem Hereingekommenen überhaupt die Rede (als ob das εἰσελ- ϑὼν in diesem Falle nicht nothwendig τὶς bei sich haben, oder ohne dieses auf das Subjekt: ὁ ἄγγελος ϒαβριὴλ, V. 26, bezogen werden müſste!); daſs es der Engel Gabriel ge- wesen, habe sich Maria erst nachher, als sie von der Vi- sion des Zacharias hörte, ergänzt. 6) a. a. O. S. 99 f. 7) a. a. O. S. 100. 114.

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Zitationshilfe: Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 1. Tübingen, 1835, S. 169. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus01_1835/193>, abgerufen am 02.05.2024.