die Art und Weise ein, in welcher unsern Berichten zu- folge die erste Kunde von dem zu gebärenden Jesus an Maria und Joseph gelangte: so können wir von dem In- halt dieser Verkündigung, dass nämlich Jesus durch eine ausserordentliche Wirksamkeit des heiligen Geistes erzeugt werden solle, zunächst absehen, und nur das Formelle der- selben berücksichtigen, wem, wann und auf welche Weise jene Verkündigung gegeben wurde.
Dass es nach unsern beiden Hauptberichten bei Mat- thäus und Lukas, welchen auch die apokryphischen Evan- gelien beistimmen, ein Engel ist, der, wie die Empfäng- niss des Täufers, so nun auch die Jesu selbst verkündigt, wird uns nicht mehr besonders beschäftigen, indem schon bei jener früheren Erscheinung die Standpunkte angege- ben und beurtheilt worden sind, von welchen solche Er- zählungen angesehen werden können. Während aber dort nur das Eine Evangelium des Lukas jene Erscheinung auf Eine Weise beschrieb: so haben wir hier zwei parallele, aber nicht ganz gleichlautende Berichte, deren Vergleichung uns beschäftigen wird. Abgesehen, wie gesagt, von dem Inhalt, finden sich zwischen beiden Berichten folgende Differenzen: Erstlich, das erscheinende Subjekt heisst bei Matthäus nur unbestimmt aggelos Kuriou: bei Lukas ist es namentlich als o aggelos Gabriel bezeichnet; 2) das Sub- jekt, welchem der Engel erscheint, ist nach Matthäus Jo- seph, nach Lukas Maria; 3) der Zustand, in welchem sie die Engelerscheinung haben, ist bei Matthäus der Traum, bei Lukas das Wachen; 4) findet auch in Bezug auf das Zeitverhältniss der Erscheinung eine Abweichang statt; dem Matthäus zufolge nämlich wird erst nach der bei Ma- ria eingetretenen Schwangerschaft dem Joseph eine himm- lische Kunde zu Theil: nach Lukas der Maria schon vor ihrem Schwangerwerden; worauf endlich 5) auch Zweck und Wirkung der Erscheinung verschieden sind, nämlich nach Matthäus, den durch die Schwangerschaft seiner Braut
Erster Abschnitt.
die Art und Weise ein, in welcher unsern Berichten zu- folge die erste Kunde von dem zu gebärenden Jesus an Maria und Joseph gelangte: so können wir von dem In- halt dieser Verkündigung, daſs nämlich Jesus durch eine ausserordentliche Wirksamkeit des heiligen Geistes erzeugt werden solle, zunächst absehen, und nur das Formelle der- selben berücksichtigen, wem, wann und auf welche Weise jene Verkündigung gegeben wurde.
Daſs es nach unsern beiden Hauptberichten bei Mat- thäus und Lukas, welchen auch die apokryphischen Evan- gelien beistimmen, ein Engel ist, der, wie die Empfäng- niſs des Täufers, so nun auch die Jesu selbst verkündigt, wird uns nicht mehr besonders beschäftigen, indem schon bei jener früheren Erscheinung die Standpunkte angege- ben und beurtheilt worden sind, von welchen solche Er- zählungen angesehen werden können. Während aber dort nur das Eine Evangelium des Lukas jene Erscheinung auf Eine Weise beschrieb: so haben wir hier zwei parallele, aber nicht ganz gleichlautende Berichte, deren Vergleichung uns beschäftigen wird. Abgesehen, wie gesagt, von dem Inhalt, finden sich zwischen beiden Berichten folgende Differenzen: Erstlich, das erscheinende Subjekt heiſst bei Matthäus nur unbestimmt ἄγγελος Κυρίου: bei Lukas ist es namentlich als ὁ ἃγγελος Γαβριὴλ bezeichnet; 2) das Sub- jekt, welchem der Engel erscheint, ist nach Matthäus Jo- seph, nach Lukas Maria; 3) der Zustand, in welchem sie die Engelerscheinung haben, ist bei Matthäus der Traum, bei Lukas das Wachen; 4) findet auch in Bezug auf das Zeitverhältniſs der Erscheinung eine Abweichang statt; dem Matthäus zufolge nämlich wird erst nach der bei Ma- ria eingetretenen Schwangerschaft dem Joseph eine himm- lische Kunde zu Theil: nach Lukas der Maria schon vor ihrem Schwangerwerden; worauf endlich 5) auch Zweck und Wirkung der Erscheinung verschieden sind, nämlich nach Matthäus, den durch die Schwangerschaft seiner Braut
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Erster Abschnitt.
die Art und Weise ein, in welcher unsern Berichten zu-
folge die erste Kunde von dem zu gebärenden Jesus an
Maria und Joseph gelangte: so können wir von dem In-
halt dieser Verkündigung, daſs nämlich Jesus durch eine
ausserordentliche Wirksamkeit des heiligen Geistes erzeugt
werden solle, zunächst absehen, und nur das Formelle der-
selben berücksichtigen, wem, wann und auf welche Weise
jene Verkündigung gegeben wurde.
Daſs es nach unsern beiden Hauptberichten bei Mat-
thäus und Lukas, welchen auch die apokryphischen Evan-
gelien beistimmen, ein Engel ist, der, wie die Empfäng-
niſs des Täufers, so nun auch die Jesu selbst verkündigt,
wird uns nicht mehr besonders beschäftigen, indem schon
bei jener früheren Erscheinung die Standpunkte angege-
ben und beurtheilt worden sind, von welchen solche Er-
zählungen angesehen werden können. Während aber dort
nur das Eine Evangelium des Lukas jene Erscheinung auf
Eine Weise beschrieb: so haben wir hier zwei parallele,
aber nicht ganz gleichlautende Berichte, deren Vergleichung
uns beschäftigen wird. Abgesehen, wie gesagt, von dem
Inhalt, finden sich zwischen beiden Berichten folgende
Differenzen: Erstlich, das erscheinende Subjekt heiſst bei
Matthäus nur unbestimmt ἄγγελος Κυρίου: bei Lukas ist es
namentlich als ὁ ἃγγελος Γαβριὴλ bezeichnet; 2) das Sub-
jekt, welchem der Engel erscheint, ist nach Matthäus Jo-
seph, nach Lukas Maria; 3) der Zustand, in welchem sie
die Engelerscheinung haben, ist bei Matthäus der Traum,
bei Lukas das Wachen; 4) findet auch in Bezug auf das
Zeitverhältniſs der Erscheinung eine Abweichang statt;
dem Matthäus zufolge nämlich wird erst nach der bei Ma-
ria eingetretenen Schwangerschaft dem Joseph eine himm-
lische Kunde zu Theil: nach Lukas der Maria schon vor
ihrem Schwangerwerden; worauf endlich 5) auch Zweck
und Wirkung der Erscheinung verschieden sind, nämlich
nach Matthäus, den durch die Schwangerschaft seiner Braut
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Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 1. Tübingen, 1835, S. 134. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus01_1835/158>, abgerufen am 24.11.2024.
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