(Matth. 1, 18--25.). Ist somit bei Matthäus die Schwan- gerschaft der Maria eine vorgefundene und erst nachträg- lich durch den Engel gerechtfertigte: so wird dieselbe bei Lukas durch eine himmlische Erscheinung bevorwortet und angekündigt. Derselbe Gabriel, welcher dem Zacharias die Geburt des Johannes angesagt hatte, kündigt nun auch der mit Joseph verlobten Maria ihre durch göttliche Kraft zu bewirkende Schwangerschaft an, worauf die künftige Mut- ter des Messias mit der schwangeren Mutter des Vorläu- fers auf bedeutungsvolle Weise zusammentrifft, und ihre Empfindungen in hymnischer Form mit derselben tauscht (Luk. 1, 26--56.). Nahmen Matthäus und Lukas wenig- stens das Verhältniss zwischen Maria und Joseph als ge- gebenes, so suchen apokryphische Evangelien, namentlich das Protevangelium Jacobi1) und das Evangelium de na- tivitate Mariae2), deren Inhalte auch die Kirchenväter gros- sentheils beistimmen, auch dieses in seiner Genesis darzu- stellen; ja sie gehen selbst bis zur Geburt der Maria zu- rück, welcher sie eine ähnliche Vorausverkündigung, wie Lukas der Geburt des Täufers und Jesu, voranschicken. Wie die Geburtsgeschichte des Johannes bei Lukas der des Samuel und Simson im A. T.: so ist nun die Geburtsge- schichte der Maria in den genannten Apokryphen der des Täufers, sammt jenen A. T.lichen, nachgebildet.
Joachim, so lautet die apokryphische Erzählung, und Anna (wie Samuels Mutter hiess) fühlen sich unglücklich in langer kinderloser Ehe (wie die Eltern des Johannes): da erscheint ihnen beiden (wie Simsons Eltern) an ver- schiedenen Orten ein Engel und verheisst ihnen ein Kind, die Gottesgebärerin, welche (wie der Täufer) von dem En- gel einer nasiräischen Lebensweise bestimmt wird. In frü- her Kindheit wird nun Maria (wie Samuel) von ihren El-
1) Bei Thilo, Codex apocryphus N. Ti Tom. I, p. 161 ff.
2) Ebendas. p. 319 f.
Erster Abschnitt.
(Matth. 1, 18—25.). Ist somit bei Matthäus die Schwan- gerschaft der Maria eine vorgefundene und erst nachträg- lich durch den Engel gerechtfertigte: so wird dieselbe bei Lukas durch eine himmlische Erscheinung bevorwortet und angekündigt. Derselbe Gabriel, welcher dem Zacharias die Geburt des Johannes angesagt hatte, kündigt nun auch der mit Joseph verlobten Maria ihre durch göttliche Kraft zu bewirkende Schwangerschaft an, worauf die künftige Mut- ter des Messias mit der schwangeren Mutter des Vorläu- fers auf bedeutungsvolle Weise zusammentrifft, und ihre Empfindungen in hymnischer Form mit derselben tauscht (Luk. 1, 26—56.). Nahmen Matthäus und Lukas wenig- stens das Verhältniſs zwischen Maria und Joseph als ge- gebenes, so suchen apokryphische Evangelien, namentlich das Protevangelium Jacobi1) und das Evangelium de na- tivitate Mariae2), deren Inhalte auch die Kirchenväter gros- sentheils beistimmen, auch dieses in seiner Genesis darzu- stellen; ja sie gehen selbst bis zur Geburt der Maria zu- rück, welcher sie eine ähnliche Vorausverkündigung, wie Lukas der Geburt des Täufers und Jesu, voranschicken. Wie die Geburtsgeschichte des Johannes bei Lukas der des Samuel und Simson im A. T.: so ist nun die Geburtsge- schichte der Maria in den genannten Apokryphen der des Täufers, sammt jenen A. T.lichen, nachgebildet.
Joachim, so lautet die apokryphische Erzählung, und Anna (wie Samuels Mutter hieſs) fühlen sich unglücklich in langer kinderloser Ehe (wie die Eltern des Johannes): da erscheint ihnen beiden (wie Simsons Eltern) an ver- schiedenen Orten ein Engel und verheiſst ihnen ein Kind, die Gottesgebärerin, welche (wie der Täufer) von dem En- gel einer nasiräischen Lebensweise bestimmt wird. In frü- her Kindheit wird nun Maria (wie Samuel) von ihren El-
1) Bei Thilo, Codex apocryphus N. Ti Tom. I, p. 161 ff.
2) Ebendas. p. 319 f.
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Erster Abschnitt.
(Matth. 1, 18—25.). Ist somit bei Matthäus die Schwan-
gerschaft der Maria eine vorgefundene und erst nachträg-
lich durch den Engel gerechtfertigte: so wird dieselbe bei
Lukas durch eine himmlische Erscheinung bevorwortet und
angekündigt. Derselbe Gabriel, welcher dem Zacharias die
Geburt des Johannes angesagt hatte, kündigt nun auch der
mit Joseph verlobten Maria ihre durch göttliche Kraft zu
bewirkende Schwangerschaft an, worauf die künftige Mut-
ter des Messias mit der schwangeren Mutter des Vorläu-
fers auf bedeutungsvolle Weise zusammentrifft, und ihre
Empfindungen in hymnischer Form mit derselben tauscht
(Luk. 1, 26—56.). Nahmen Matthäus und Lukas wenig-
stens das Verhältniſs zwischen Maria und Joseph als ge-
gebenes, so suchen apokryphische Evangelien, namentlich
das Protevangelium Jacobi 1) und das Evangelium de na-
tivitate Mariae 2), deren Inhalte auch die Kirchenväter gros-
sentheils beistimmen, auch dieses in seiner Genesis darzu-
stellen; ja sie gehen selbst bis zur Geburt der Maria zu-
rück, welcher sie eine ähnliche Vorausverkündigung, wie
Lukas der Geburt des Täufers und Jesu, voranschicken.
Wie die Geburtsgeschichte des Johannes bei Lukas der des
Samuel und Simson im A. T.: so ist nun die Geburtsge-
schichte der Maria in den genannten Apokryphen der des
Täufers, sammt jenen A. T.lichen, nachgebildet.
Joachim, so lautet die apokryphische Erzählung, und
Anna (wie Samuels Mutter hieſs) fühlen sich unglücklich
in langer kinderloser Ehe (wie die Eltern des Johannes):
da erscheint ihnen beiden (wie Simsons Eltern) an ver-
schiedenen Orten ein Engel und verheiſst ihnen ein Kind,
die Gottesgebärerin, welche (wie der Täufer) von dem En-
gel einer nasiräischen Lebensweise bestimmt wird. In frü-
her Kindheit wird nun Maria (wie Samuel) von ihren El-
1) Bei Thilo, Codex apocryphus N. Ti Tom. I, p. 161 ff.
2) Ebendas. p. 319 f.
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Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 1. Tübingen, 1835, S. 130. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus01_1835/154>, abgerufen am 16.07.2024.
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