Denn die durch den Census veranlasste Reise der Eltern Jesu nach Bethlehem, welche allerdings ihre Abkunft von David wahrscheinlich machen könnte, steht selbst nichts weniger als fest, wie wir bald genug sehen werden, und der Jesu oft beigelegte Titel uius Dauid kann auch lediglich den Mes- sias bezeichnen 4), von welchem man, hatte er sich nur sonst Anerkennung verschafft, auch die davidische Ab- stammung, den Weissagungen gemäss, vorauszusetzen ge- neigt war. Wie denkbar daher, wenn ein Galiläer, des- sen Abstammung weiter hinauf gar nicht bekannt war, sich den Ruf des Messias erworben hatte, dass sich bald in verschiedenen Formen die Sage von der davidischen Ab- kunft desselben bildete, und dass nun nach diesen Sagen Genealogieen von ihm verfasst wurden, welche aber, weil es an urkundlichen Nachrichten fehlte, nothwendig so ab- weichend und widersprechend ausfallen mussten, wie nun die Geschlechtsregister bei Matthäus und Lukas sich zu einander verhalten.
Fragt man daher nach der geschichtlichen Ausbeute, welche diese Genealogieen gewähren, so besteht sie nur in dem auch sonsther Gewissen: Jesus hat, persönlich oder durch seine Jünger, auch auf streng jüdisch Gesinnte einen so entschiedenen Eindruck der Messianität gemacht, dass diese nicht zweifelten, auch das prophetische Merk- mal davidischer Abstammung müsse bei ihm zugetroffen haben, und mehr als Eine Feder sich in Bewegung sezte, um durch genealogische Nachweisung dieses Merkmals seine Anerkennung als Messias zu rechtfertigen 5).
4) s. de Wette, bibl. Dogm. a. a. O.
5) Die weiteren Betrachtungen über Ursprung und Bedeutung dieser Genealogieen, welche sich aus der Zusammenhaltung derselben mit der Nachricht von Jesu übernatürlicher Erzeu- gung ergeben, können erst nach der Untersuchung über die- se letztere Angabe folgen.
Erster Abschnitt.
Denn die durch den Census veranlaſste Reise der Eltern Jesu nach Bethlehem, welche allerdings ihre Abkunft von David wahrscheinlich machen könnte, steht selbst nichts weniger als fest, wie wir bald genug sehen werden, und der Jesu oft beigelegte Titel υἱὺς Δαυὶδ kann auch lediglich den Mes- sias bezeichnen 4), von welchem man, hatte er sich nur sonst Anerkennung verschafft, auch die davidische Ab- stammung, den Weissagungen gemäſs, vorauszusetzen ge- neigt war. Wie denkbar daher, wenn ein Galiläer, des- sen Abstammung weiter hinauf gar nicht bekannt war, sich den Ruf des Messias erworben hatte, daſs sich bald in verschiedenen Formen die Sage von der davidischen Ab- kunft desselben bildete, und daſs nun nach diesen Sagen Genealogieen von ihm verfaſst wurden, welche aber, weil es an urkundlichen Nachrichten fehlte, nothwendig so ab- weichend und widersprechend ausfallen muſsten, wie nun die Geschlechtsregister bei Matthäus und Lukas sich zu einander verhalten.
Fragt man daher nach der geschichtlichen Ausbeute, welche diese Genealogieen gewähren, so besteht sie nur in dem auch sonsther Gewissen: Jesus hat, persönlich oder durch seine Jünger, auch auf streng jüdisch Gesinnte einen so entschiedenen Eindruck der Messianität gemacht, daſs diese nicht zweifelten, auch das prophetische Merk- mal davidischer Abstammung müsse bei ihm zugetroffen haben, und mehr als Eine Feder sich in Bewegung sezte, um durch genealogische Nachweisung dieses Merkmals seine Anerkennung als Messias zu rechtfertigen 5).
4) s. de Wette, bibl. Dogm. a. a. O.
5) Die weiteren Betrachtungen über Ursprung und Bedeutung dieser Genealogieen, welche sich aus der Zusammenhaltung derselben mit der Nachricht von Jesu übernatürlicher Erzeu- gung ergeben, können erst nach der Untersuchung über die- se letztere Angabe folgen.
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Erster Abschnitt.
Denn die durch den Census veranlaſste Reise der Eltern Jesu
nach Bethlehem, welche allerdings ihre Abkunft von David
wahrscheinlich machen könnte, steht selbst nichts weniger als
fest, wie wir bald genug sehen werden, und der Jesu oft
beigelegte Titel υἱὺς Δαυὶδ kann auch lediglich den Mes-
sias bezeichnen 4), von welchem man, hatte er sich nur
sonst Anerkennung verschafft, auch die davidische Ab-
stammung, den Weissagungen gemäſs, vorauszusetzen ge-
neigt war. Wie denkbar daher, wenn ein Galiläer, des-
sen Abstammung weiter hinauf gar nicht bekannt war, sich
den Ruf des Messias erworben hatte, daſs sich bald in
verschiedenen Formen die Sage von der davidischen Ab-
kunft desselben bildete, und daſs nun nach diesen Sagen
Genealogieen von ihm verfaſst wurden, welche aber, weil
es an urkundlichen Nachrichten fehlte, nothwendig so ab-
weichend und widersprechend ausfallen muſsten, wie nun
die Geschlechtsregister bei Matthäus und Lukas sich zu
einander verhalten.
Fragt man daher nach der geschichtlichen Ausbeute,
welche diese Genealogieen gewähren, so besteht sie nur
in dem auch sonsther Gewissen: Jesus hat, persönlich
oder durch seine Jünger, auch auf streng jüdisch Gesinnte
einen so entschiedenen Eindruck der Messianität gemacht,
daſs diese nicht zweifelten, auch das prophetische Merk-
mal davidischer Abstammung müsse bei ihm zugetroffen
haben, und mehr als Eine Feder sich in Bewegung sezte,
um durch genealogische Nachweisung dieses Merkmals seine
Anerkennung als Messias zu rechtfertigen 5).
4) s. de Wette, bibl. Dogm. a. a. O.
5) Die weiteren Betrachtungen über Ursprung und Bedeutung
dieser Genealogieen, welche sich aus der Zusammenhaltung
derselben mit der Nachricht von Jesu übernatürlicher Erzeu-
gung ergeben, können erst nach der Untersuchung über die-
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Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 1. Tübingen, 1835, S. 128. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus01_1835/152>, abgerufen am 16.02.2025.
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