macher dem Lukas die Angabe des natürlichen Vaters zu- schreiben: so wollen wir das Verhältniss beispielsweise in der ersten Form betrachten, um so mehr, da uns Euse- bius nach Julius eine sehr genaue Ausführung hierüber hinterlassen hat. Nach dieser Vorstellungsweise war also Josephs Mutter zuerst mit demjenigen Manne verheurathet, welchen Lukas als Josephs Vater nennt, mit Eli; da aber dieser ohne Kinder starb, so ehelichte vermöge des Levi- ratsgesetzes sein Bruder, der von Matthäus als Vater Jo- sephs genannte Jakob, die Wittwe, und erzeugte mit ihr den Joseph, welcher nun gesetzlich als Sohn des verstor- benen Eli angesehen wurde, wie diess Lukas angiebt, wäh- rend er natürlich der Sohn seines Bruders Jakob war, eine Betrachtungsweise, welcher Matthäus gefolgt ist.
Allein, blos so weit geführt, würde die Hypothese keineswegs ausreichen. Denn wenn die beiden Väter Jo- sephs wirkliche Brüder, Söhne desselben Vaters waren: so hatten sie Einen und denselben Stammbaum, und es müssten in diesem Falle die beiden Genealogieen nur den Vater des Joseph verschieden haben, über demselben aber sogleich wieder zusammenlaufen. Um zu erklären, wie sie bis auf David hinauf divergiren können, muss man die zweite Hypothese hinzufügen, welche auch Julius gemacht hat, dass die beiden Väter des Joseph nur Halbbrüder ge- wesen, nämlich nur einerlei Mutter, nicht aber denselben Vater gehabt haben. Man müsste also annehmen, die Mut- ter der beiden Väter Josephs habe nach einander in zwei Ehen gelebt, einmal mit dem Matthan des Matthäus, wel- cher durch Salomo und die königliche Linie von David descendirte, und diesem habe sie den Jakob geboren; aus- serdem aber sei sie vor- oder nachher mit dem Matthat des Lukas verchlicht gewesen, welcher durch Nathan Da- vids Nachkomme war, und dieser habe den Eli mit ihr erzeugt, nach dessen Verheurathung und kinderlosem Ab- leben sein Halbbruder Jakob seine Wittwe geheurathet
Erster Abschnitt.
macher dem Lukas die Angabe des natürlichen Vaters zu- schreiben: so wollen wir das Verhältniſs beispielsweise in der ersten Form betrachten, um so mehr, da uns Euse- bius nach Julius eine sehr genaue Ausführung hierüber hinterlassen hat. Nach dieser Vorstellungsweise war also Josephs Mutter zuerst mit demjenigen Manne verheurathet, welchen Lukas als Josephs Vater nennt, mit Eli; da aber dieser ohne Kinder starb, so ehelichte vermöge des Levi- ratsgesetzes sein Bruder, der von Matthäus als Vater Jo- sephs genannte Jakob, die Wittwe, und erzeugte mit ihr den Joseph, welcher nun gesetzlich als Sohn des verstor- benen Eli angesehen wurde, wie dieſs Lukas angiebt, wäh- rend er natürlich der Sohn seines Bruders Jakob war, eine Betrachtungsweise, welcher Matthäus gefolgt ist.
Allein, blos so weit geführt, würde die Hypothese keineswegs ausreichen. Denn wenn die beiden Väter Jo- sephs wirkliche Brüder, Söhne desselben Vaters waren: so hatten sie Einen und denselben Stammbaum, und es müſsten in diesem Falle die beiden Genealogieen nur den Vater des Joseph verschieden haben, über demselben aber sogleich wieder zusammenlaufen. Um zu erklären, wie sie bis auf David hinauf divergiren können, muſs man die zweite Hypothese hinzufügen, welche auch Julius gemacht hat, daſs die beiden Väter des Joseph nur Halbbrüder ge- wesen, nämlich nur einerlei Mutter, nicht aber denselben Vater gehabt haben. Man müſste also annehmen, die Mut- ter der beiden Väter Josephs habe nach einander in zwei Ehen gelebt, einmal mit dem Matthan des Matthäus, wel- cher durch Salomo und die königliche Linie von David descendirte, und diesem habe sie den Jakob geboren; aus- serdem aber sei sie vor- oder nachher mit dem Matthat des Lukas verchlicht gewesen, welcher durch Nathan Da- vids Nachkomme war, und dieser habe den Eli mit ihr erzeugt, nach dessen Verheurathung und kinderlosem Ab- leben sein Halbbruder Jakob seine Wittwe geheurathet
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0144"n="120"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#g">Erster Abschnitt</hi>.</fw><lb/><hirendition="#k">macher</hi> dem Lukas die Angabe des natürlichen Vaters zu-<lb/>
schreiben: so wollen wir das Verhältniſs beispielsweise in<lb/>
der ersten Form betrachten, um so mehr, da uns Euse-<lb/>
bius nach Julius eine sehr genaue Ausführung hierüber<lb/>
hinterlassen hat. Nach dieser Vorstellungsweise war also<lb/>
Josephs Mutter zuerst mit demjenigen Manne verheurathet,<lb/>
welchen Lukas als Josephs Vater nennt, mit Eli; da aber<lb/>
dieser ohne Kinder starb, so ehelichte vermöge des Levi-<lb/>
ratsgesetzes sein Bruder, der von Matthäus als Vater Jo-<lb/>
sephs genannte Jakob, die Wittwe, und erzeugte mit ihr<lb/>
den Joseph, welcher nun gesetzlich als Sohn des verstor-<lb/>
benen Eli angesehen wurde, wie dieſs Lukas angiebt, wäh-<lb/>
rend er natürlich der Sohn seines Bruders Jakob war,<lb/>
eine Betrachtungsweise, welcher Matthäus gefolgt ist.</p><lb/><p>Allein, blos so weit geführt, würde die Hypothese<lb/>
keineswegs ausreichen. Denn wenn die beiden Väter Jo-<lb/>
sephs wirkliche Brüder, Söhne desselben Vaters waren:<lb/>
so hatten sie Einen und denselben Stammbaum, und es<lb/>
müſsten in diesem Falle die beiden Genealogieen nur den<lb/>
Vater des Joseph verschieden haben, über demselben aber<lb/>
sogleich wieder zusammenlaufen. Um zu erklären, wie sie<lb/>
bis auf David hinauf divergiren können, muſs man die<lb/>
zweite Hypothese hinzufügen, welche auch Julius gemacht<lb/>
hat, daſs die beiden Väter des Joseph nur Halbbrüder ge-<lb/>
wesen, nämlich nur einerlei Mutter, nicht aber denselben<lb/>
Vater gehabt haben. Man müſste also annehmen, die Mut-<lb/>
ter der beiden Väter Josephs habe nach einander in zwei<lb/>
Ehen gelebt, einmal mit dem Matthan des Matthäus, wel-<lb/>
cher durch Salomo und die königliche Linie von David<lb/>
descendirte, und diesem habe sie den Jakob geboren; aus-<lb/>
serdem aber sei sie vor- oder nachher mit dem Matthat<lb/>
des Lukas verchlicht gewesen, welcher durch Nathan Da-<lb/>
vids Nachkomme war, und dieser habe den Eli mit ihr<lb/>
erzeugt, nach dessen Verheurathung und kinderlosem Ab-<lb/>
leben sein Halbbruder Jakob seine Wittwe geheurathet<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[120/0144]
Erster Abschnitt.
macher dem Lukas die Angabe des natürlichen Vaters zu-
schreiben: so wollen wir das Verhältniſs beispielsweise in
der ersten Form betrachten, um so mehr, da uns Euse-
bius nach Julius eine sehr genaue Ausführung hierüber
hinterlassen hat. Nach dieser Vorstellungsweise war also
Josephs Mutter zuerst mit demjenigen Manne verheurathet,
welchen Lukas als Josephs Vater nennt, mit Eli; da aber
dieser ohne Kinder starb, so ehelichte vermöge des Levi-
ratsgesetzes sein Bruder, der von Matthäus als Vater Jo-
sephs genannte Jakob, die Wittwe, und erzeugte mit ihr
den Joseph, welcher nun gesetzlich als Sohn des verstor-
benen Eli angesehen wurde, wie dieſs Lukas angiebt, wäh-
rend er natürlich der Sohn seines Bruders Jakob war,
eine Betrachtungsweise, welcher Matthäus gefolgt ist.
Allein, blos so weit geführt, würde die Hypothese
keineswegs ausreichen. Denn wenn die beiden Väter Jo-
sephs wirkliche Brüder, Söhne desselben Vaters waren:
so hatten sie Einen und denselben Stammbaum, und es
müſsten in diesem Falle die beiden Genealogieen nur den
Vater des Joseph verschieden haben, über demselben aber
sogleich wieder zusammenlaufen. Um zu erklären, wie sie
bis auf David hinauf divergiren können, muſs man die
zweite Hypothese hinzufügen, welche auch Julius gemacht
hat, daſs die beiden Väter des Joseph nur Halbbrüder ge-
wesen, nämlich nur einerlei Mutter, nicht aber denselben
Vater gehabt haben. Man müſste also annehmen, die Mut-
ter der beiden Väter Josephs habe nach einander in zwei
Ehen gelebt, einmal mit dem Matthan des Matthäus, wel-
cher durch Salomo und die königliche Linie von David
descendirte, und diesem habe sie den Jakob geboren; aus-
serdem aber sei sie vor- oder nachher mit dem Matthat
des Lukas verchlicht gewesen, welcher durch Nathan Da-
vids Nachkomme war, und dieser habe den Eli mit ihr
erzeugt, nach dessen Verheurathung und kinderlosem Ab-
leben sein Halbbruder Jakob seine Wittwe geheurathet
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 1. Tübingen, 1835, S. 120. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus01_1835/144>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.