Storm, Theodor: Waldwinkel, Pole Poppenspäler. Novellen. Braunschweig, 1875.Salben wurden unerbittlich zurückgewiesen. Besser wußte Franziska es zu treffen. Sie saß neben seinem Lehnstuhl, wo er, an einem künstlich von ihr aufgebauten Pulte, einen Aufsatz über hier aufgefundene, seltene Doldenpflanzen begonnen hatte; sie holte ihm die betreffenden Exemplare aus dem mit ihrer Hülfe angelegten Herbarium oder aus der Bibliothek die Bücher, deren er bedurfte; sie suchte darin die einschlagenden Stellen für ihn auf und las sie vor. "Wenn ich noch einmal Professor werden," sagte er heiter, "welch' einen Famulus besitz' ich schon!" Aber sie war nicht nur sein Famulus, sie war auch das Weib, deren stille Nähe ihm wohlthat, die schweigend seine Hand, wenn sie von der Arbeit ruhte, in die ihre nahm, die ihm die Polster und den Schemel rückte und ihm mit sanfter Stimme den Trost aus baldige Genesung zusprach. Heute - es war am Nachmittag - hatte er sie fortgeschickt, um ein buntes Lippenblümchen aufzusuchen, das nach seiner Rechnung sich jetzt erschlossen haben mußte; am Waldwasser, das sie Beide zu allen Tageszeiten oft besucht hatten, standen hier und da die Salben wurden unerbittlich zurückgewiesen. Besser wußte Franziska es zu treffen. Sie saß neben seinem Lehnstuhl, wo er, an einem künstlich von ihr aufgebauten Pulte, einen Aufsatz über hier aufgefundene, seltene Doldenpflanzen begonnen hatte; sie holte ihm die betreffenden Exemplare aus dem mit ihrer Hülfe angelegten Herbarium oder aus der Bibliothek die Bücher, deren er bedurfte; sie suchte darin die einschlagenden Stellen für ihn auf und las sie vor. „Wenn ich noch einmal Professor werden,“ sagte er heiter, „welch' einen Famulus besitz' ich schon!“ Aber sie war nicht nur sein Famulus, sie war auch das Weib, deren stille Nähe ihm wohlthat, die schweigend seine Hand, wenn sie von der Arbeit ruhte, in die ihre nahm, die ihm die Polster und den Schemel rückte und ihm mit sanfter Stimme den Trost aus baldige Genesung zusprach. Heute – es war am Nachmittag – hatte er sie fortgeschickt, um ein buntes Lippenblümchen aufzusuchen, das nach seiner Rechnung sich jetzt erschlossen haben mußte; am Waldwasser, das sie Beide zu allen Tageszeiten oft besucht hatten, standen hier und da die <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0085" n="81"/> Salben wurden unerbittlich zurückgewiesen. Besser wußte Franziska es zu treffen. Sie saß neben seinem Lehnstuhl, wo er, an einem künstlich von ihr aufgebauten Pulte, einen Aufsatz über hier aufgefundene, seltene Doldenpflanzen begonnen hatte; sie holte ihm die betreffenden Exemplare aus dem mit ihrer Hülfe angelegten Herbarium oder aus der Bibliothek die Bücher, deren er bedurfte; sie suchte darin die einschlagenden Stellen für ihn auf und las sie vor. „Wenn ich noch einmal Professor werden,“ sagte er heiter, „welch' einen Famulus besitz' ich schon!“ Aber sie war nicht nur sein Famulus, sie war auch das Weib, deren stille Nähe ihm wohlthat, die schweigend seine Hand, wenn sie von der Arbeit ruhte, in die ihre nahm, die ihm die Polster und den Schemel rückte und ihm mit sanfter Stimme den Trost aus baldige Genesung zusprach.</p> <p>Heute – es war am Nachmittag – hatte er sie fortgeschickt, um ein buntes Lippenblümchen aufzusuchen, das nach seiner Rechnung sich jetzt erschlossen haben mußte; am Waldwasser, das sie Beide zu allen Tageszeiten oft besucht hatten, standen hier und da die </p> </div> </body> </text> </TEI> [81/0085]
Salben wurden unerbittlich zurückgewiesen. Besser wußte Franziska es zu treffen. Sie saß neben seinem Lehnstuhl, wo er, an einem künstlich von ihr aufgebauten Pulte, einen Aufsatz über hier aufgefundene, seltene Doldenpflanzen begonnen hatte; sie holte ihm die betreffenden Exemplare aus dem mit ihrer Hülfe angelegten Herbarium oder aus der Bibliothek die Bücher, deren er bedurfte; sie suchte darin die einschlagenden Stellen für ihn auf und las sie vor. „Wenn ich noch einmal Professor werden,“ sagte er heiter, „welch' einen Famulus besitz' ich schon!“ Aber sie war nicht nur sein Famulus, sie war auch das Weib, deren stille Nähe ihm wohlthat, die schweigend seine Hand, wenn sie von der Arbeit ruhte, in die ihre nahm, die ihm die Polster und den Schemel rückte und ihm mit sanfter Stimme den Trost aus baldige Genesung zusprach.
Heute – es war am Nachmittag – hatte er sie fortgeschickt, um ein buntes Lippenblümchen aufzusuchen, das nach seiner Rechnung sich jetzt erschlossen haben mußte; am Waldwasser, das sie Beide zu allen Tageszeiten oft besucht hatten, standen hier und da die
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Zitationshilfe: | Storm, Theodor: Waldwinkel, Pole Poppenspäler. Novellen. Braunschweig, 1875, S. 81. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storm_waldwinkel_1875/85>, abgerufen am 16.02.2025. |