Storm, Theodor: Waldwinkel, Pole Poppenspäler. Novellen. Braunschweig, 1875.Als Richard jetzt von dem Bilde auf die Umrahmung desselben hinüberblickte, trat ihm dort, halb versteckt zwischen allerlei Arabesken, eine Schrift entgegen, die bei näherem Anschauen in phantastischen Buchstaben um das ganze Bild herumlief. Dein jung' Genoß in Pflichten Nach dir den Schritt thät' richten; Da kam ein and'rer junger Schritt, Nahm deinen jung' Genossen mit; Sie wandern nach dem Glücke, Sie schau'n nicht mehr zurücke. - Lange stand Richard vor dem Bilde, das er früher kaum beachtet hatte. Würde das Antlitz jenes einsamen Alten, wenn es sich plötzlich zu ihm wendete, die Züge des Erbauers dieser Räume zeigen, oder war diese Gestalt das Alter selbst, und würde sie - nur eines vermessenen Worts bedurfte es vielleicht - sein eigenes Angesicht ihm zukehren? - Wehte nicht schon ein gespenstisch kalter Hauch von dem Bilde zu ihm herab? - Unwillkürlich griff er sich in Bart und Haar und richtete sich Als Richard jetzt von dem Bilde auf die Umrahmung desselben hinüberblickte, trat ihm dort, halb versteckt zwischen allerlei Arabesken, eine Schrift entgegen, die bei näherem Anschauen in phantastischen Buchstaben um das ganze Bild herumlief. Dein jung’ Genoß in Pflichten Nach dir den Schritt thät' richten; Da kam ein and’rer junger Schritt, Nahm deinen jung' Genossen mit; Sie wandern nach dem Glücke, Sie schau’n nicht mehr zurücke. – Lange stand Richard vor dem Bilde, das er früher kaum beachtet hatte. Würde das Antlitz jenes einsamen Alten, wenn es sich plötzlich zu ihm wendete, die Züge des Erbauers dieser Räume zeigen, oder war diese Gestalt das Alter selbst, und würde sie – nur eines vermessenen Worts bedurfte es vielleicht – sein eigenes Angesicht ihm zukehren? – Wehte nicht schon ein gespenstisch kalter Hauch von dem Bilde zu ihm herab? – Unwillkürlich griff er sich in Bart und Haar und richtete sich <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0069" n="65"/> <p xml:id="p-0069a" next="#p-0069b">Als Richard jetzt von dem Bilde auf die Umrahmung desselben hinüberblickte, trat ihm dort, halb versteckt zwischen allerlei Arabesken, eine Schrift entgegen, die bei näherem Anschauen in phantastischen Buchstaben um das ganze Bild herumlief.</p> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Dein jung’ Genoß in Pflichten</l><lb/> <l>Nach dir den Schritt thät' richten;</l><lb/> </lg> <lg n="2"> <l>Da kam ein and’rer junger Schritt,</l><lb/> <l>Nahm deinen jung' Genossen mit;</l><lb/> </lg> <lg n="3"> <l>Sie wandern nach dem Glücke,</l><lb/> <l>Sie schau’n nicht mehr zurücke.</l><lb/> </lg> </lg><lb/> <p xml:id="p-0069b" prev="#p-0069a"> – Lange stand Richard vor dem Bilde, das er früher kaum beachtet hatte.</p> <p>Würde das Antlitz jenes einsamen Alten, wenn es sich plötzlich zu ihm wendete, die Züge des Erbauers dieser Räume zeigen, oder war diese Gestalt das Alter selbst, und würde sie – nur eines vermessenen Worts bedurfte es vielleicht – sein eigenes Angesicht ihm zukehren? – Wehte nicht schon ein gespenstisch kalter Hauch von dem Bilde zu ihm herab? – Unwillkürlich griff er sich in Bart und Haar und richtete sich </p> </div> </body> </text> </TEI> [65/0069]
Als Richard jetzt von dem Bilde auf die Umrahmung desselben hinüberblickte, trat ihm dort, halb versteckt zwischen allerlei Arabesken, eine Schrift entgegen, die bei näherem Anschauen in phantastischen Buchstaben um das ganze Bild herumlief.
Dein jung’ Genoß in Pflichten
Nach dir den Schritt thät' richten;
Da kam ein and’rer junger Schritt,
Nahm deinen jung' Genossen mit;
Sie wandern nach dem Glücke,
Sie schau’n nicht mehr zurücke.
– Lange stand Richard vor dem Bilde, das er früher kaum beachtet hatte.
Würde das Antlitz jenes einsamen Alten, wenn es sich plötzlich zu ihm wendete, die Züge des Erbauers dieser Räume zeigen, oder war diese Gestalt das Alter selbst, und würde sie – nur eines vermessenen Worts bedurfte es vielleicht – sein eigenes Angesicht ihm zukehren? – Wehte nicht schon ein gespenstisch kalter Hauch von dem Bilde zu ihm herab? – Unwillkürlich griff er sich in Bart und Haar und richtete sich
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