Storm, Theodor: Waldwinkel, Pole Poppenspäler. Novellen. Braunschweig, 1875.Frau Lewerenz wird wohl mit dem Herrn schon dort sein." "Da irren Sie denn doch, Mamsellchen," meinte der Alte, indem er mit der einen Hand vor ihr den Hut zog und mit der anderen ihr den großen Schlüssel zeigte; "die Herrschaft kommt erst heute Abend; aber Einlaß sollen Sie drum doch schon bekommen." Sie stutzte; aber nur einen Augenblick ruhte der Zeigefinger an der Lippe. "Es ist gut," sagte sie, "es paßte nicht anders mit dem Fuhrmann; lassen Sie uns gehen, Herr Inspector!" Und so wanderten sie auf dem schattigen, mit trockenen Tannennadeln bestreuten Steige mit einander fort; immer riesiger wurden die Föhren, die zu beiden Seiten aufstiegen und ihre Zweigen über sie hinstreckten. Plötzlich öffnete sich das Dickicht; eine mit Wiesenkräutern bewachsene, muldenartige Vertiefung, gleich dem Bette eines verlassenen Flusses, zog sich quer zu ihren Füßen hin, während jenseits auf der Höhe wiederum ein Eichen- und Buchenwald seine Laubmassen ausbreitete. Nur ihnen gegenüber zeigte sich eine Lücke, durch welche man bis zum Horizont Frau Lewerenz wird wohl mit dem Herrn schon dort sein.“ „Da irren Sie denn doch, Mamsellchen,“ meinte der Alte, indem er mit der einen Hand vor ihr den Hut zog und mit der anderen ihr den großen Schlüssel zeigte; „die Herrschaft kommt erst heute Abend; aber Einlaß sollen Sie drum doch schon bekommen.“ Sie stutzte; aber nur einen Augenblick ruhte der Zeigefinger an der Lippe. „Es ist gut,“ sagte sie, „es paßte nicht anders mit dem Fuhrmann; lassen Sie uns gehen, Herr Inspector!“ Und so wanderten sie auf dem schattigen, mit trockenen Tannennadeln bestreuten Steige mit einander fort; immer riesiger wurden die Föhren, die zu beiden Seiten aufstiegen und ihre Zweigen über sie hinstreckten. Plötzlich öffnete sich das Dickicht; eine mit Wiesenkräutern bewachsene, muldenartige Vertiefung, gleich dem Bette eines verlassenen Flusses, zog sich quer zu ihren Füßen hin, während jenseits auf der Höhe wiederum ein Eichen- und Buchenwald seine Laubmassen ausbreitete. Nur ihnen gegenüber zeigte sich eine Lücke, durch welche man bis zum Horizont <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0027" n="23"/> Frau Lewerenz wird wohl mit dem Herrn schon dort sein.“</p> <p>„Da irren Sie denn doch, Mamsellchen,“ meinte der Alte, indem er mit der einen Hand vor ihr den Hut zog und mit der anderen ihr den großen Schlüssel zeigte; „die Herrschaft kommt erst heute Abend; aber Einlaß sollen Sie drum doch schon bekommen.“</p> <p>Sie stutzte; aber nur einen Augenblick ruhte der Zeigefinger an der Lippe. „Es ist gut,“ sagte sie, „es paßte nicht anders mit dem Fuhrmann; lassen Sie uns gehen, Herr Inspector!“</p> <p>Und so wanderten sie auf dem schattigen, mit trockenen Tannennadeln bestreuten Steige mit einander fort; immer riesiger wurden die Föhren, die zu beiden Seiten aufstiegen und ihre Zweigen über sie hinstreckten. Plötzlich öffnete sich das Dickicht; eine mit Wiesenkräutern bewachsene, muldenartige Vertiefung, gleich dem Bette eines verlassenen Flusses, zog sich quer zu ihren Füßen hin, während jenseits auf der Höhe wiederum ein Eichen- und Buchenwald seine Laubmassen ausbreitete. Nur ihnen gegenüber zeigte sich eine Lücke, durch welche man bis zum Horizont </p> </div> </body> </text> </TEI> [23/0027]
Frau Lewerenz wird wohl mit dem Herrn schon dort sein.“
„Da irren Sie denn doch, Mamsellchen,“ meinte der Alte, indem er mit der einen Hand vor ihr den Hut zog und mit der anderen ihr den großen Schlüssel zeigte; „die Herrschaft kommt erst heute Abend; aber Einlaß sollen Sie drum doch schon bekommen.“
Sie stutzte; aber nur einen Augenblick ruhte der Zeigefinger an der Lippe. „Es ist gut,“ sagte sie, „es paßte nicht anders mit dem Fuhrmann; lassen Sie uns gehen, Herr Inspector!“
Und so wanderten sie auf dem schattigen, mit trockenen Tannennadeln bestreuten Steige mit einander fort; immer riesiger wurden die Föhren, die zu beiden Seiten aufstiegen und ihre Zweigen über sie hinstreckten. Plötzlich öffnete sich das Dickicht; eine mit Wiesenkräutern bewachsene, muldenartige Vertiefung, gleich dem Bette eines verlassenen Flusses, zog sich quer zu ihren Füßen hin, während jenseits auf der Höhe wiederum ein Eichen- und Buchenwald seine Laubmassen ausbreitete. Nur ihnen gegenüber zeigte sich eine Lücke, durch welche man bis zum Horizont
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax.
(2012-10-29T10:30:31Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2012-10-29T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat.
(2012-10-29T10:30:31Z)
Weitere Informationen:Dieses Werk stammt von Wikisource (Waldwinkel, Pole Poppenspäler). Quelle der Scans: Wikimedia Commons. Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |