Storm, Theodor: Waldwinkel, Pole Poppenspäler. Novellen. Braunschweig, 1875.Sonntag in der Burg der schönen Genovefa!" Und seltsam, so sehr ich ihn am Vormittage in meinen Gedanken nur für eine schmähliche Holzpuppe erklärt hatte, - mit seinem ersten Worte war der ganze Zauber wieder da. Emsig spazierte er im Zimmer auf und ab. "Wenn mich jetzt mein Vater-Papa sehen thät," rief er, "der würd' sich was Rechts freuen. Immer pflegt' er zu sagen: Kasperl, mach', daß du dein' Sach' in Schwung bringst! - O jetzund hab' ich's in Schwung; denn ich kann mein' Sach' haushoch werfen!" - Damit machte er Miene, sein Felleisen in die Höhe zu schleudern; und es flog auch wirklich, da es am Draht gezogen wurde, bis an die Deckenwölbung hinauf; aber - Kasperle's Arme waren an seinem Leibe kleben geblieben; es ruckte und ruckte, aber sie kamen um keine Hand breit in die Höhe. Kasperl sprach und that nichts weiter. - Hinter der Bühne entstand eine Unruhe, man hörte leise aber heftig sprechen, der Fortgang des Stückes war augenscheinlich unterbrochen. Mir stand das Herz still; da hatten wir die Bescherung! Sonntag in der Burg der schönen Genovefa!“ Und seltsam, so sehr ich ihn am Vormittage in meinen Gedanken nur für eine schmähliche Holzpuppe erklärt hatte, – mit seinem ersten Worte war der ganze Zauber wieder da. Emsig spazierte er im Zimmer auf und ab. „Wenn mich jetzt mein Vater-Papa sehen thät,“ rief er, „der würd’ sich was Rechts freuen. Immer pflegt’ er zu sagen: Kasperl, mach’, daß du dein’ Sach’ in Schwung bringst! – O jetzund hab’ ich’s in Schwung; denn ich kann mein’ Sach’ haushoch werfen!“ – Damit machte er Miene, sein Felleisen in die Höhe zu schleudern; und es flog auch wirklich, da es am Draht gezogen wurde, bis an die Deckenwölbung hinauf; aber – Kasperle’s Arme waren an seinem Leibe kleben geblieben; es ruckte und ruckte, aber sie kamen um keine Hand breit in die Höhe. Kasperl sprach und that nichts weiter. – Hinter der Bühne entstand eine Unruhe, man hörte leise aber heftig sprechen, der Fortgang des Stückes war augenscheinlich unterbrochen. Mir stand das Herz still; da hatten wir die Bescherung! <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0152" n="148"/> Sonntag in der Burg der schönen Genovefa!“ Und seltsam, so sehr ich ihn am Vormittage in meinen Gedanken nur für eine schmähliche Holzpuppe erklärt hatte, – mit seinem ersten Worte war der ganze Zauber wieder da.</p> <p>Emsig spazierte er im Zimmer auf und ab. „Wenn mich jetzt mein Vater-Papa sehen thät,“ rief er, „der würd’ sich was Rechts freuen. Immer pflegt’ er zu sagen: Kasperl, mach’, daß du dein’ Sach’ in Schwung bringst! – O jetzund hab’ ich’s in Schwung; denn ich kann mein’ Sach’ haushoch werfen!“ – Damit machte er Miene, sein Felleisen in die Höhe zu schleudern; und es flog auch wirklich, da es am Draht gezogen wurde, bis an die Deckenwölbung hinauf; aber – Kasperle’s Arme waren an seinem Leibe kleben geblieben; es ruckte und ruckte, aber sie kamen um keine Hand breit in die Höhe.</p> <p>Kasperl sprach und that nichts weiter. – Hinter der Bühne entstand eine Unruhe, man hörte leise aber heftig sprechen, der Fortgang des Stückes war augenscheinlich unterbrochen.</p> <p>Mir stand das Herz still; da hatten wir die Bescherung! </p> </div> </body> </text> </TEI> [148/0152]
Sonntag in der Burg der schönen Genovefa!“ Und seltsam, so sehr ich ihn am Vormittage in meinen Gedanken nur für eine schmähliche Holzpuppe erklärt hatte, – mit seinem ersten Worte war der ganze Zauber wieder da.
Emsig spazierte er im Zimmer auf und ab. „Wenn mich jetzt mein Vater-Papa sehen thät,“ rief er, „der würd’ sich was Rechts freuen. Immer pflegt’ er zu sagen: Kasperl, mach’, daß du dein’ Sach’ in Schwung bringst! – O jetzund hab’ ich’s in Schwung; denn ich kann mein’ Sach’ haushoch werfen!“ – Damit machte er Miene, sein Felleisen in die Höhe zu schleudern; und es flog auch wirklich, da es am Draht gezogen wurde, bis an die Deckenwölbung hinauf; aber – Kasperle’s Arme waren an seinem Leibe kleben geblieben; es ruckte und ruckte, aber sie kamen um keine Hand breit in die Höhe.
Kasperl sprach und that nichts weiter. – Hinter der Bühne entstand eine Unruhe, man hörte leise aber heftig sprechen, der Fortgang des Stückes war augenscheinlich unterbrochen.
Mir stand das Herz still; da hatten wir die Bescherung!
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Zitationshilfe: | Storm, Theodor: Waldwinkel, Pole Poppenspäler. Novellen. Braunschweig, 1875, S. 148. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storm_waldwinkel_1875/152>, abgerufen am 26.07.2024. |