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Storm, Theodor: Der Schimmelreiter. Berlin, 1888.

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wurde auch im Winter nicht besser, als nach
Martini die verschiedenen Deichrechnungen zur
Revision eingelaufen waren.

Es war an einem Maiabend; aber es war
Novemberwetter; von drinnen im Hause hörte
man draußen hinterm Deich die Brandung donnern.
"He, Hauke," sagte der Hausherr, "komm herein;
nun magst Du weisen, ob Du rechnen kannst!"

"Uns' Weerth," entgegnete dieser; -- denn
so nennen hier die Leute ihre Herrschaft -- "ich
soll aber erst das Jungvieh füttern!"

"Elke!" rief der Deichgraf; "wo bist Du,
Elke! -- Geh' zu Ole, und sag' ihm, er sollte
das Jungvieh füttern; Hauke soll rechnen!"

Und Elke eilte in den Stall und machte dem
Großknecht die Bestellung, der eben damit be-
schäftigt war, das über Tag gebrauchte Pferde-
geschirr wieder an seinen Platz zu hängen.

Ole Peters schlug mit einer Trense gegen den
Ständer, neben dem er sich beschäftigte, als wolle
er sie kurz und klein haben: "Hol' der Teufel den
verfluchten Schreiberknecht!" -- Sie hörte die
Worte noch, bevor sie die Stallthür wieder ge-
schlossen hatte.

wurde auch im Winter nicht beſſer, als nach
Martini die verſchiedenen Deichrechnungen zur
Reviſion eingelaufen waren.

Es war an einem Maiabend; aber es war
Novemberwetter; von drinnen im Hauſe hörte
man draußen hinterm Deich die Brandung donnern.
„He, Hauke,” ſagte der Hausherr, „komm herein;
nun magſt Du weiſen, ob Du rechnen kannſt!”

„Unſ' Weerth,” entgegnete dieſer; — denn
ſo nennen hier die Leute ihre Herrſchaft — „ich
ſoll aber erſt das Jungvieh füttern!”

„Elke!” rief der Deichgraf; „wo biſt Du,
Elke! — Geh' zu Ole, und ſag' ihm, er ſollte
das Jungvieh füttern; Hauke ſoll rechnen!”

Und Elke eilte in den Stall und machte dem
Großknecht die Beſtellung, der eben damit be-
ſchäftigt war, das über Tag gebrauchte Pferde-
geſchirr wieder an ſeinen Platz zu hängen.

Ole Peters ſchlug mit einer Trenſe gegen den
Ständer, neben dem er ſich beſchäftigte, als wolle
er ſie kurz und klein haben: „Hol' der Teufel den
verfluchten Schreiberknecht!” — Sie hörte die
Worte noch, bevor ſie die Stallthür wieder ge-
ſchloſſen hatte.

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[43/0055] wurde auch im Winter nicht beſſer, als nach Martini die verſchiedenen Deichrechnungen zur Reviſion eingelaufen waren. Es war an einem Maiabend; aber es war Novemberwetter; von drinnen im Hauſe hörte man draußen hinterm Deich die Brandung donnern. „He, Hauke,” ſagte der Hausherr, „komm herein; nun magſt Du weiſen, ob Du rechnen kannſt!” „Unſ' Weerth,” entgegnete dieſer; — denn ſo nennen hier die Leute ihre Herrſchaft — „ich ſoll aber erſt das Jungvieh füttern!” „Elke!” rief der Deichgraf; „wo biſt Du, Elke! — Geh' zu Ole, und ſag' ihm, er ſollte das Jungvieh füttern; Hauke ſoll rechnen!” Und Elke eilte in den Stall und machte dem Großknecht die Beſtellung, der eben damit be- ſchäftigt war, das über Tag gebrauchte Pferde- geſchirr wieder an ſeinen Platz zu hängen. Ole Peters ſchlug mit einer Trenſe gegen den Ständer, neben dem er ſich beſchäftigte, als wolle er ſie kurz und klein haben: „Hol' der Teufel den verfluchten Schreiberknecht!” — Sie hörte die Worte noch, bevor ſie die Stallthür wieder ge- ſchloſſen hatte.

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Zitationshilfe: Storm, Theodor: Der Schimmelreiter. Berlin, 1888, S. 43. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storm_schimmelreiter_1888/55>, abgerufen am 22.11.2024.