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Storm, Theodor: Der Schimmelreiter. Berlin, 1888.

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Augen auf und schüttelte alles Sinnen von sich:
er hielt am alten Deich, der Schimmel hatte mit
den Vorderhufen schon darauf gestanden. Unwill-
kürlich riß er das Pferd zurück; da flog der letzte
Wolkenmantel von dem Mond, und das milde
Gestirn beleuchtete den Graus, der schäumend,
zischend vor ihm in die Tiefe stürzte, in den alten
Koog hinab.

Wie sinnlos starrte Hauke darauf hin; eine
Sündfluth war's, um Thier' und Menschen zu
verschlingen. Da blinkte wieder ihm der Lichtschein
in die Augen; es war derselbe, den er vorhin
gewahrt hatte; noch immer brannte der auf seiner
Werfte; und als er jetzt ermuthigt in den Koog
hinabsah, gewahrte er wohl, daß hinter dem
sinnverwirrenden Strudel, der tosend vor ihm
hinabstürzte, nur noch eine Breite von etwa
hundert Schritten überfluthet war; dahinter konnte
er deutlich den Weg erkennen, der vom Koog heran
führte. Er sah noch mehr: ein Wagen, nein, eine
zweiräderige Carriole kam wie toll gegen den Deich
herangefahren; ein Weib, ja auch ein Kind saßen
darin. Und jetzt -- war das nicht das kreischende
Gebell eines kleinen Hundes, das im Sturm

Augen auf und ſchüttelte alles Sinnen von ſich:
er hielt am alten Deich, der Schimmel hatte mit
den Vorderhufen ſchon darauf geſtanden. Unwill-
kürlich riß er das Pferd zurück; da flog der letzte
Wolkenmantel von dem Mond, und das milde
Geſtirn beleuchtete den Graus, der ſchäumend,
ziſchend vor ihm in die Tiefe ſtürzte, in den alten
Koog hinab.

Wie ſinnlos ſtarrte Hauke darauf hin; eine
Sündfluth war's, um Thier' und Menſchen zu
verſchlingen. Da blinkte wieder ihm der Lichtſchein
in die Augen; es war derſelbe, den er vorhin
gewahrt hatte; noch immer brannte der auf ſeiner
Werfte; und als er jetzt ermuthigt in den Koog
hinabſah, gewahrte er wohl, daß hinter dem
ſinnverwirrenden Strudel, der toſend vor ihm
hinabſtürzte, nur noch eine Breite von etwa
hundert Schritten überfluthet war; dahinter konnte
er deutlich den Weg erkennen, der vom Koog heran
führte. Er ſah noch mehr: ein Wagen, nein, eine
zweiräderige Carriole kam wie toll gegen den Deich
herangefahren; ein Weib, ja auch ein Kind ſaßen
darin. Und jetzt — war das nicht das kreiſchende
Gebell eines kleinen Hundes, das im Sturm

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[216/0228] Augen auf und ſchüttelte alles Sinnen von ſich: er hielt am alten Deich, der Schimmel hatte mit den Vorderhufen ſchon darauf geſtanden. Unwill- kürlich riß er das Pferd zurück; da flog der letzte Wolkenmantel von dem Mond, und das milde Geſtirn beleuchtete den Graus, der ſchäumend, ziſchend vor ihm in die Tiefe ſtürzte, in den alten Koog hinab. Wie ſinnlos ſtarrte Hauke darauf hin; eine Sündfluth war's, um Thier' und Menſchen zu verſchlingen. Da blinkte wieder ihm der Lichtſchein in die Augen; es war derſelbe, den er vorhin gewahrt hatte; noch immer brannte der auf ſeiner Werfte; und als er jetzt ermuthigt in den Koog hinabſah, gewahrte er wohl, daß hinter dem ſinnverwirrenden Strudel, der toſend vor ihm hinabſtürzte, nur noch eine Breite von etwa hundert Schritten überfluthet war; dahinter konnte er deutlich den Weg erkennen, der vom Koog heran führte. Er ſah noch mehr: ein Wagen, nein, eine zweiräderige Carriole kam wie toll gegen den Deich herangefahren; ein Weib, ja auch ein Kind ſaßen darin. Und jetzt — war das nicht das kreiſchende Gebell eines kleinen Hundes, das im Sturm

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Zitationshilfe: Storm, Theodor: Der Schimmelreiter. Berlin, 1888, S. 216. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storm_schimmelreiter_1888/228>, abgerufen am 25.11.2024.