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Storm, Theodor: Der Schimmelreiter. Berlin, 1888.

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hin und wieder, und unsichtbar über ihnen, hoch
unter dem azurblauen Himmel, sangen die Lerchen
ihre ewige Melodie. Hauke, der nicht wußte, wie
uns die Natur mit ihrem Reiz betrügen kann,
stand auf der Nordwestecke des Deiches und suchte
nach dem neuen Bett des Priehles, das ihn gestern
so erschreckt hatte; aber bei dem vom Zenith herab-
schießenden Sonnenlichte fand er es anfänglich nicht
einmal; erst da er gegen die blendenden Strahlen
seine Augen mit der Hand beschattete, konnte er
es nicht verkennen; aber dennoch, die Schatten in
der gestrigen Dämmerung mußten ihn getäuscht
haben; es kennzeichnete sich jetzt nur schwach; die
bloßgelegte Mäusewirthschaft mußte mehr als die
Fluth den Schaden in dem Deich veranlaßt haben.
Freilich, Wandel mußte hier geschafft werden;
aber durch sorgfältiges Aufgraben, und wie Ole
Peters gesagt hatte, durch frische Soden und einige
Ruthen Strohbestickung war der Schaden auszu-
heilen.

"Es war so schlimm nicht," sprach er er-
leichtert zu sich selber, "Du bist gestern doch Dein
eigner Narr gewesen!" -- Er berief die Gevoll-
mächtigten, und die Arbeiten wurden ohne Wider-

Theodor Storm, Der Schimmelreiter. 13

hin und wieder, und unſichtbar über ihnen, hoch
unter dem azurblauen Himmel, ſangen die Lerchen
ihre ewige Melodie. Hauke, der nicht wußte, wie
uns die Natur mit ihrem Reiz betrügen kann,
ſtand auf der Nordweſtecke des Deiches und ſuchte
nach dem neuen Bett des Priehles, das ihn geſtern
ſo erſchreckt hatte; aber bei dem vom Zenith herab-
ſchießenden Sonnenlichte fand er es anfänglich nicht
einmal; erſt da er gegen die blendenden Strahlen
ſeine Augen mit der Hand beſchattete, konnte er
es nicht verkennen; aber dennoch, die Schatten in
der geſtrigen Dämmerung mußten ihn getäuſcht
haben; es kennzeichnete ſich jetzt nur ſchwach; die
bloßgelegte Mäuſewirthſchaft mußte mehr als die
Fluth den Schaden in dem Deich veranlaßt haben.
Freilich, Wandel mußte hier geſchafft werden;
aber durch ſorgfältiges Aufgraben, und wie Ole
Peters geſagt hatte, durch friſche Soden und einige
Ruthen Strohbeſtickung war der Schaden auszu-
heilen.

„Es war ſo ſchlimm nicht,” ſprach er er-
leichtert zu ſich ſelber, „Du biſt geſtern doch Dein
eigner Narr geweſen!” — Er berief die Gevoll-
mächtigten, und die Arbeiten wurden ohne Wider-

Theodor Storm, Der Schimmelreiter. 13
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[193/0205] hin und wieder, und unſichtbar über ihnen, hoch unter dem azurblauen Himmel, ſangen die Lerchen ihre ewige Melodie. Hauke, der nicht wußte, wie uns die Natur mit ihrem Reiz betrügen kann, ſtand auf der Nordweſtecke des Deiches und ſuchte nach dem neuen Bett des Priehles, das ihn geſtern ſo erſchreckt hatte; aber bei dem vom Zenith herab- ſchießenden Sonnenlichte fand er es anfänglich nicht einmal; erſt da er gegen die blendenden Strahlen ſeine Augen mit der Hand beſchattete, konnte er es nicht verkennen; aber dennoch, die Schatten in der geſtrigen Dämmerung mußten ihn getäuſcht haben; es kennzeichnete ſich jetzt nur ſchwach; die bloßgelegte Mäuſewirthſchaft mußte mehr als die Fluth den Schaden in dem Deich veranlaßt haben. Freilich, Wandel mußte hier geſchafft werden; aber durch ſorgfältiges Aufgraben, und wie Ole Peters geſagt hatte, durch friſche Soden und einige Ruthen Strohbeſtickung war der Schaden auszu- heilen. „Es war ſo ſchlimm nicht,” ſprach er er- leichtert zu ſich ſelber, „Du biſt geſtern doch Dein eigner Narr geweſen!” — Er berief die Gevoll- mächtigten, und die Arbeiten wurden ohne Wider- Theodor Storm, Der Schimmelreiter. 13

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Zitationshilfe: Storm, Theodor: Der Schimmelreiter. Berlin, 1888, S. 193. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storm_schimmelreiter_1888/205>, abgerufen am 22.11.2024.