Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Storm, Theodor: Der Schimmelreiter. Berlin, 1888.

Bild:
<< vorherige Seite
nächste Seite >>

Höhlung, durch welche überdies ein Gewirr von
Mäusegängen bloßgelegt war. Hauke stieg vom
Pferde und besichtigte den Schaden in der Nähe:
das Mäuseunheil schien unverkennbar noch unsichtbar
weiter fortzulaufen.

Er erschrak heftig; gegen Alles dieses hätte
schon beim Bau des neuen Deiches Obacht ge-
nommen werden müssen; da es damals übersehen
worden, so mußte es jetzt geschehen! -- Das Vieh
war noch nicht auf den Fennen, das Gras war
ungewohnt zurückgeblieben, wohin er blickte, es
sah ihn leer und öde an. Er bestieg wieder sein
Pferd und ritt am Ufer hin und her: es war
Ebbe, und er gewahrte wohl, wie der Strom
von außen her sich wieder ein neues Bett im
Schlick gewühlt hatte und jetzt von Nordwesten
auf den alten Deich gestoßen war; der neue aber,
soweit es ihn traf, hatte mit seinem sanfteren
Profile dem Anprall widerstehen können.

Ein Haufen neuer Plag' und Arbeit erhob
sich vor der Seele des Deichgrafen: nicht nur der
alte Deich mußte hier verstärkt, auch dessen Profil
dem des neuen angenähert werden; vor Allem aber
mußte der als gefährlich wieder aufgetretene Priehl

Höhlung, durch welche überdies ein Gewirr von
Mäuſegängen bloßgelegt war. Hauke ſtieg vom
Pferde und beſichtigte den Schaden in der Nähe:
das Mäuſeunheil ſchien unverkennbar noch unſichtbar
weiter fortzulaufen.

Er erſchrak heftig; gegen Alles dieſes hätte
ſchon beim Bau des neuen Deiches Obacht ge-
nommen werden müſſen; da es damals überſehen
worden, ſo mußte es jetzt geſchehen! — Das Vieh
war noch nicht auf den Fennen, das Gras war
ungewohnt zurückgeblieben, wohin er blickte, es
ſah ihn leer und öde an. Er beſtieg wieder ſein
Pferd und ritt am Ufer hin und her: es war
Ebbe, und er gewahrte wohl, wie der Strom
von außen her ſich wieder ein neues Bett im
Schlick gewühlt hatte und jetzt von Nordweſten
auf den alten Deich geſtoßen war; der neue aber,
ſoweit es ihn traf, hatte mit ſeinem ſanfteren
Profile dem Anprall widerſtehen können.

Ein Haufen neuer Plag' und Arbeit erhob
ſich vor der Seele des Deichgrafen: nicht nur der
alte Deich mußte hier verſtärkt, auch deſſen Profil
dem des neuen angenähert werden; vor Allem aber
mußte der als gefährlich wieder aufgetretene Priehl

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0199" n="187"/>
Höhlung, durch welche überdies ein Gewirr von<lb/>
Mäu&#x017F;egängen bloßgelegt war. Hauke &#x017F;tieg vom<lb/>
Pferde und be&#x017F;ichtigte den Schaden in der Nähe:<lb/>
das Mäu&#x017F;eunheil &#x017F;chien unverkennbar noch un&#x017F;ichtbar<lb/>
weiter fortzulaufen.</p><lb/>
        <p>Er er&#x017F;chrak heftig; gegen Alles die&#x017F;es hätte<lb/>
&#x017F;chon beim Bau des neuen Deiches Obacht ge-<lb/>
nommen werden mü&#x017F;&#x017F;en; da es damals über&#x017F;ehen<lb/>
worden, &#x017F;o mußte es jetzt ge&#x017F;chehen! &#x2014; Das Vieh<lb/>
war noch nicht auf den Fennen, das Gras war<lb/>
ungewohnt zurückgeblieben, wohin er blickte, es<lb/>
&#x017F;ah ihn leer und öde an. Er be&#x017F;tieg wieder &#x017F;ein<lb/>
Pferd und ritt am Ufer hin und her: es war<lb/>
Ebbe, und er gewahrte wohl, wie der Strom<lb/>
von außen her &#x017F;ich wieder ein neues Bett im<lb/>
Schlick gewühlt hatte und jetzt von Nordwe&#x017F;ten<lb/>
auf den alten Deich ge&#x017F;toßen war; der neue aber,<lb/>
&#x017F;oweit es ihn traf, hatte mit &#x017F;einem &#x017F;anfteren<lb/>
Profile dem Anprall wider&#x017F;tehen können.</p><lb/>
        <p>Ein Haufen neuer Plag' und Arbeit erhob<lb/>
&#x017F;ich vor der Seele des Deichgrafen: nicht nur der<lb/>
alte Deich mußte hier ver&#x017F;tärkt, auch de&#x017F;&#x017F;en Profil<lb/>
dem des neuen angenähert werden; vor Allem aber<lb/>
mußte der als gefährlich wieder aufgetretene Priehl<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[187/0199] Höhlung, durch welche überdies ein Gewirr von Mäuſegängen bloßgelegt war. Hauke ſtieg vom Pferde und beſichtigte den Schaden in der Nähe: das Mäuſeunheil ſchien unverkennbar noch unſichtbar weiter fortzulaufen. Er erſchrak heftig; gegen Alles dieſes hätte ſchon beim Bau des neuen Deiches Obacht ge- nommen werden müſſen; da es damals überſehen worden, ſo mußte es jetzt geſchehen! — Das Vieh war noch nicht auf den Fennen, das Gras war ungewohnt zurückgeblieben, wohin er blickte, es ſah ihn leer und öde an. Er beſtieg wieder ſein Pferd und ritt am Ufer hin und her: es war Ebbe, und er gewahrte wohl, wie der Strom von außen her ſich wieder ein neues Bett im Schlick gewühlt hatte und jetzt von Nordweſten auf den alten Deich geſtoßen war; der neue aber, ſoweit es ihn traf, hatte mit ſeinem ſanfteren Profile dem Anprall widerſtehen können. Ein Haufen neuer Plag' und Arbeit erhob ſich vor der Seele des Deichgrafen: nicht nur der alte Deich mußte hier verſtärkt, auch deſſen Profil dem des neuen angenähert werden; vor Allem aber mußte der als gefährlich wieder aufgetretene Priehl

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Zuerst erschienen in: Deutsche Rundschau (Berlin)… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/storm_schimmelreiter_1888
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/storm_schimmelreiter_1888/199
Zitationshilfe: Storm, Theodor: Der Schimmelreiter. Berlin, 1888, S. 187. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storm_schimmelreiter_1888/199>, abgerufen am 25.11.2024.