und Möven, die ich all' die Zeit nicht gehört hatte, zogen wieder mit Pfeifen und Schnattern durch die Luft."
Die Alte schwieg; das Kind hatte ein Wort sich aufgefangen: "Konnte nicht beten?" frug sie. "Was sagst Du? Wer war es?"
"Kind," sagte die Alte; "die Wasserfrau war es; das sind Undinger, die nicht selig werden können."
"Nicht selig!" wiederholte das Kind, und ein tiefer Seufzer, als habe sie das verstanden, hob die kleine Brust.
-- "Trien' Jans!" kam eine tiefe Stimme von der Küchenthür, und die Alte zuckte leicht zusammen. Es war der Deichgraf Hauke Haien, der dort am Ständer lehnte: "Was redet Sie dem Kinde vor? Hab' ich Ihr nicht geboten, Ihre Mären für sich zu behalten, oder sie den Gäns' und Hühnern zu erzählen?"
Die Alte sah ihn mit einem bösen Blicke an und schob die Kleine von sich fort: "Das sind keine Mären," murmelte sie in sich hinein, "das hat mein Großohm mir erzählt."
-- "Ihr Großohm, Trien'? Sie wollte es ja eben selbst erlebt haben."
und Möven, die ich all' die Zeit nicht gehört hatte, zogen wieder mit Pfeifen und Schnattern durch die Luft.”
Die Alte ſchwieg; das Kind hatte ein Wort ſich aufgefangen: „Konnte nicht beten?” frug ſie. „Was ſagſt Du? Wer war es?”
„Kind,” ſagte die Alte; „die Waſſerfrau war es; das ſind Undinger, die nicht ſelig werden können.”
„Nicht ſelig!” wiederholte das Kind, und ein tiefer Seufzer, als habe ſie das verſtanden, hob die kleine Bruſt.
— „Trien' Jans!” kam eine tiefe Stimme von der Küchenthür, und die Alte zuckte leicht zuſammen. Es war der Deichgraf Hauke Haien, der dort am Ständer lehnte: „Was redet Sie dem Kinde vor? Hab' ich Ihr nicht geboten, Ihre Mären für ſich zu behalten, oder ſie den Gänſ' und Hühnern zu erzählen?”
Die Alte ſah ihn mit einem böſen Blicke an und ſchob die Kleine von ſich fort: „Das ſind keine Mären,” murmelte ſie in ſich hinein, „das hat mein Großohm mir erzählt.”
— „Ihr Großohm, Trien'? Sie wollte es ja eben ſelbſt erlebt haben.”
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und Möven, die ich all' die Zeit nicht gehört
hatte, zogen wieder mit Pfeifen und Schnattern
durch die Luft.”
Die Alte ſchwieg; das Kind hatte ein Wort
ſich aufgefangen: „Konnte nicht beten?” frug ſie.
„Was ſagſt Du? Wer war es?”
„Kind,” ſagte die Alte; „die Waſſerfrau war
es; das ſind Undinger, die nicht ſelig werden können.”
„Nicht ſelig!” wiederholte das Kind, und ein
tiefer Seufzer, als habe ſie das verſtanden, hob
die kleine Bruſt.
— „Trien' Jans!” kam eine tiefe Stimme
von der Küchenthür, und die Alte zuckte leicht
zuſammen. Es war der Deichgraf Hauke Haien,
der dort am Ständer lehnte: „Was redet Sie
dem Kinde vor? Hab' ich Ihr nicht geboten, Ihre
Mären für ſich zu behalten, oder ſie den Gänſ'
und Hühnern zu erzählen?”
Die Alte ſah ihn mit einem böſen Blicke an
und ſchob die Kleine von ſich fort: „Das ſind
keine Mären,” murmelte ſie in ſich hinein, „das
hat mein Großohm mir erzählt.”
— „Ihr Großohm, Trien'? Sie wollte es ja
eben ſelbſt erlebt haben.”
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Zuerst erschienen in: Deutsche Rundschau (Berlin)… [mehr]
Zuerst erschienen in: Deutsche Rundschau (Berlin), April/Mai 1888. Erste Buchausgabe Berlin: Paetel 1888, diese wurde für das DTA zur Digitalisierung herangezogen.
Storm, Theodor: Der Schimmelreiter. Berlin, 1888, S. 182. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storm_schimmelreiter_1888/194>, abgerufen am 16.02.2025.
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