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Storm, Theodor: Der Schimmelreiter. Berlin, 1888.

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mit ihren kleinen Händen zu streicheln, wie Kinder
es bei einer lebenden Katze oder einem Hunde zu
machen pflegen. "Armer Kater!" sagte sie dann
und fuhr wieder in ihren Liebkosungen fort.

"So," rief nach einer Weile die Alte, "jetzt
ist es genug; und sitzen kannst Du auch noch heut'
auf ihm; vielleicht hat Dein Vater ihn auch nur
um deshalb todtgeschlagen!" Dann hob sie das
Kind an beiden Armen in die Höhe und setzte
es derb auf den Schemel nieder. Da es aber
stumm und unbeweglich sitzen blieb und sie nur
immer ansah, begann sie mit dem Kopfe zu
schütteln: "Du strafst ihn, Gott der Herr! Ja,
ja, Du strafst ihn!" murmelte sie; aber ein Er-
barmen mit dem Kinde schien sie doch zu über-
kommen; ihre knöcherne Hand strich über das
dürftige Haar desselben, und aus den Augen der
Kleinen kam es, als ob ihr damit wohl geschehe.

Von nun an kam Wienke täglich zu der
Alten in die Kammer; sie setzte sich bald von
selbst auf den Angoraschemel, und Trien' Jans
gab ihr kleine Fleisch- oder Brotstückchen in ihre
Händchen, welche sie allzeit in Vorrath hatte, und
ließ sie diese auf den Fußboden werfen; dann

mit ihren kleinen Händen zu ſtreicheln, wie Kinder
es bei einer lebenden Katze oder einem Hunde zu
machen pflegen. „Armer Kater!” ſagte ſie dann
und fuhr wieder in ihren Liebkoſungen fort.

„So,” rief nach einer Weile die Alte, „jetzt
iſt es genug; und ſitzen kannſt Du auch noch heut'
auf ihm; vielleicht hat Dein Vater ihn auch nur
um deshalb todtgeſchlagen!” Dann hob ſie das
Kind an beiden Armen in die Höhe und ſetzte
es derb auf den Schemel nieder. Da es aber
ſtumm und unbeweglich ſitzen blieb und ſie nur
immer anſah, begann ſie mit dem Kopfe zu
ſchütteln: „Du ſtrafſt ihn, Gott der Herr! Ja,
ja, Du ſtrafſt ihn!” murmelte ſie; aber ein Er-
barmen mit dem Kinde ſchien ſie doch zu über-
kommen; ihre knöcherne Hand ſtrich über das
dürftige Haar desſelben, und aus den Augen der
Kleinen kam es, als ob ihr damit wohl geſchehe.

Von nun an kam Wienke täglich zu der
Alten in die Kammer; ſie ſetzte ſich bald von
ſelbſt auf den Angoraſchemel, und Trien' Jans
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[172/0184] mit ihren kleinen Händen zu ſtreicheln, wie Kinder es bei einer lebenden Katze oder einem Hunde zu machen pflegen. „Armer Kater!” ſagte ſie dann und fuhr wieder in ihren Liebkoſungen fort. „So,” rief nach einer Weile die Alte, „jetzt iſt es genug; und ſitzen kannſt Du auch noch heut' auf ihm; vielleicht hat Dein Vater ihn auch nur um deshalb todtgeſchlagen!” Dann hob ſie das Kind an beiden Armen in die Höhe und ſetzte es derb auf den Schemel nieder. Da es aber ſtumm und unbeweglich ſitzen blieb und ſie nur immer anſah, begann ſie mit dem Kopfe zu ſchütteln: „Du ſtrafſt ihn, Gott der Herr! Ja, ja, Du ſtrafſt ihn!” murmelte ſie; aber ein Er- barmen mit dem Kinde ſchien ſie doch zu über- kommen; ihre knöcherne Hand ſtrich über das dürftige Haar desſelben, und aus den Augen der Kleinen kam es, als ob ihr damit wohl geſchehe. Von nun an kam Wienke täglich zu der Alten in die Kammer; ſie ſetzte ſich bald von ſelbſt auf den Angoraſchemel, und Trien' Jans gab ihr kleine Fleiſch- oder Brotſtückchen in ihre Händchen, welche ſie allzeit in Vorrath hatte, und ließ ſie dieſe auf den Fußboden werfen; dann

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Zitationshilfe: Storm, Theodor: Der Schimmelreiter. Berlin, 1888, S. 172. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storm_schimmelreiter_1888/184>, abgerufen am 09.11.2024.