Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Storm, Theodor: Der Schimmelreiter. Berlin, 1888.

Bild:
<< vorherige Seite

-- Auch das ging vorüber; aber noch eine
Genugthuung empfing der Deichgraf eines Tages,
da er in stillem, selbstbewußten Sinnen auf dem
neuen Deich entlang ritt. Es mochte ihm wohl die
Frage kommen, weshalb der Koog, der ohne ihn
nicht da wäre, in dem sein Schweiß und seine
Nachtwachen steckten, nun schließlich nach einer der
herrschaftlichen Prinzessinnen "der neue Carolinen-
koog" getauft sei; aber es war doch so: auf allen
dahin gehörigen Schriftstücken stand der Name, auf
einigen sogar in rother Fracturschrift. Da, als
er aufblickte, sah er zwei Arbeiter mit ihren Feld-
geräthschaften, der eine etwa zwanzig Schritte
hinter dem andern, sich entgegenkommen: "So
wart' doch!" hörte er den Nachfolgenden rufen;
der Andere aber -- er stand eben an einem Akt,
der in den Koog hinunterführte -- rief ihm ent-
gegen: "Ein andermal, Jens! Es ist schon spät;
ich soll hier Klei schlagen!"

-- "Wo denn?"

"Nun hier, im Hauke-Haienkoog!"

Er rief es laut, indem er den Akt hinab-
trabte, als solle die ganze Marsch es hören, die
darunter lag. Hauke aber war es, als höre er

— Auch das ging vorüber; aber noch eine
Genugthuung empfing der Deichgraf eines Tages,
da er in ſtillem, ſelbſtbewußten Sinnen auf dem
neuen Deich entlang ritt. Es mochte ihm wohl die
Frage kommen, weshalb der Koog, der ohne ihn
nicht da wäre, in dem ſein Schweiß und ſeine
Nachtwachen ſteckten, nun ſchließlich nach einer der
herrſchaftlichen Prinzeſſinnen „der neue Carolinen-
koog” getauft ſei; aber es war doch ſo: auf allen
dahin gehörigen Schriftſtücken ſtand der Name, auf
einigen ſogar in rother Fracturſchrift. Da, als
er aufblickte, ſah er zwei Arbeiter mit ihren Feld-
geräthſchaften, der eine etwa zwanzig Schritte
hinter dem andern, ſich entgegenkommen: „So
wart' doch!” hörte er den Nachfolgenden rufen;
der Andere aber — er ſtand eben an einem Akt,
der in den Koog hinunterführte — rief ihm ent-
gegen: „Ein andermal, Jens! Es iſt ſchon ſpät;
ich ſoll hier Klei ſchlagen!”

— „Wo denn?”

„Nun hier, im Hauke-Haienkoog!”

Er rief es laut, indem er den Akt hinab-
trabte, als ſolle die ganze Marſch es hören, die
darunter lag. Hauke aber war es, als höre er

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0178" n="166"/>
        <p>&#x2014; Auch das ging vorüber; aber noch eine<lb/>
Genugthuung empfing der Deichgraf eines Tages,<lb/>
da er in &#x017F;tillem, &#x017F;elb&#x017F;tbewußten Sinnen auf dem<lb/>
neuen Deich entlang ritt. Es mochte ihm wohl die<lb/>
Frage kommen, weshalb der Koog, der ohne ihn<lb/>
nicht da wäre, in dem &#x017F;ein Schweiß und &#x017F;eine<lb/>
Nachtwachen &#x017F;teckten, nun &#x017F;chließlich nach einer der<lb/>
herr&#x017F;chaftlichen Prinze&#x017F;&#x017F;innen &#x201E;der neue Carolinen-<lb/>
koog&#x201D; getauft &#x017F;ei; aber es war doch &#x017F;o: auf allen<lb/>
dahin gehörigen Schrift&#x017F;tücken &#x017F;tand der Name, auf<lb/>
einigen &#x017F;ogar in rother Fractur&#x017F;chrift. Da, als<lb/>
er aufblickte, &#x017F;ah er zwei Arbeiter mit ihren Feld-<lb/>
geräth&#x017F;chaften, der eine etwa zwanzig Schritte<lb/>
hinter dem andern, &#x017F;ich entgegenkommen: &#x201E;So<lb/>
wart' doch!&#x201D; hörte er den Nachfolgenden rufen;<lb/>
der Andere aber &#x2014; er &#x017F;tand eben an einem Akt,<lb/>
der in den Koog hinunterführte &#x2014; rief ihm ent-<lb/>
gegen: &#x201E;Ein andermal, Jens! Es i&#x017F;t &#x017F;chon &#x017F;pät;<lb/>
ich &#x017F;oll hier Klei &#x017F;chlagen!&#x201D;</p><lb/>
        <p>&#x2014; &#x201E;Wo denn?&#x201D;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Nun hier, im Hauke-Haienkoog!&#x201D;</p><lb/>
        <p>Er rief es laut, indem er den Akt hinab-<lb/>
trabte, als &#x017F;olle die ganze Mar&#x017F;ch es hören, die<lb/>
darunter lag. Hauke aber war es, als höre er<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[166/0178] — Auch das ging vorüber; aber noch eine Genugthuung empfing der Deichgraf eines Tages, da er in ſtillem, ſelbſtbewußten Sinnen auf dem neuen Deich entlang ritt. Es mochte ihm wohl die Frage kommen, weshalb der Koog, der ohne ihn nicht da wäre, in dem ſein Schweiß und ſeine Nachtwachen ſteckten, nun ſchließlich nach einer der herrſchaftlichen Prinzeſſinnen „der neue Carolinen- koog” getauft ſei; aber es war doch ſo: auf allen dahin gehörigen Schriftſtücken ſtand der Name, auf einigen ſogar in rother Fracturſchrift. Da, als er aufblickte, ſah er zwei Arbeiter mit ihren Feld- geräthſchaften, der eine etwa zwanzig Schritte hinter dem andern, ſich entgegenkommen: „So wart' doch!” hörte er den Nachfolgenden rufen; der Andere aber — er ſtand eben an einem Akt, der in den Koog hinunterführte — rief ihm ent- gegen: „Ein andermal, Jens! Es iſt ſchon ſpät; ich ſoll hier Klei ſchlagen!” — „Wo denn?” „Nun hier, im Hauke-Haienkoog!” Er rief es laut, indem er den Akt hinab- trabte, als ſolle die ganze Marſch es hören, die darunter lag. Hauke aber war es, als höre er

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Zuerst erschienen in: Deutsche Rundschau (Berlin)… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/storm_schimmelreiter_1888
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/storm_schimmelreiter_1888/178
Zitationshilfe: Storm, Theodor: Der Schimmelreiter. Berlin, 1888, S. 166. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storm_schimmelreiter_1888/178>, abgerufen am 22.11.2024.