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Storm, Theodor: Der Schimmelreiter. Berlin, 1888.

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Hauke war schon wieder oben und sah von seinem
Schimmel in die Schlucht hinab, und wie sie dort
schaufelten und stürzten; dann warf er seine Augen
nach dem Haf hinaus. Es wehte scharf, und er
sah, wie mehr und mehr der Wassersaum am Deich
hinaufklimmte, und wie die Wellen sich noch höher
hoben; er sah auch, wie die Leute trieften und
kaum athmen konnten in der schweren Arbeit vor
dem Winde, der ihnen die Luft am Munde ab-
schnitt und vor dem kalten Regen, der sie über-
strömte. "Ausgehalten, Leute! Ausgehalten!" schrie
er zu ihnen hinab. "Nur einen Fuß noch höher;
dann ist's genug für diese Fluth!" Und durch alles
Getöse des Wetters hörte man das Geräusch der
Arbeiter: das Klatschen der hineingestürzten Klei-
massen, das Rasseln der Karren und das Rauschen
des von oben hinabgelassenen Strohes ging unauf-
haltsam vorwärts; dazwischen war mitunter das
Winseln eines kleinen gelben Hundes laut geworden,
der frierend und wie verloren zwischen Menschen
und Fuhrwerken herumgestoßen wurde; plötzlich
aber scholl ein jammervoller Schrei des kleinen
Thieres von unten aus der Schlucht herauf.
Hauke blickte hinab; er hatte es von oben hinunter-

Hauke war ſchon wieder oben und ſah von ſeinem
Schimmel in die Schlucht hinab, und wie ſie dort
ſchaufelten und ſtürzten; dann warf er ſeine Augen
nach dem Haf hinaus. Es wehte ſcharf, und er
ſah, wie mehr und mehr der Waſſerſaum am Deich
hinaufklimmte, und wie die Wellen ſich noch höher
hoben; er ſah auch, wie die Leute trieften und
kaum athmen konnten in der ſchweren Arbeit vor
dem Winde, der ihnen die Luft am Munde ab-
ſchnitt und vor dem kalten Regen, der ſie über-
ſtrömte. „Ausgehalten, Leute! Ausgehalten!” ſchrie
er zu ihnen hinab. „Nur einen Fuß noch höher;
dann iſt's genug für dieſe Fluth!” Und durch alles
Getöſe des Wetters hörte man das Geräuſch der
Arbeiter: das Klatſchen der hineingeſtürzten Klei-
maſſen, das Raſſeln der Karren und das Rauſchen
des von oben hinabgelaſſenen Strohes ging unauf-
haltſam vorwärts; dazwiſchen war mitunter das
Winſeln eines kleinen gelben Hundes laut geworden,
der frierend und wie verloren zwiſchen Menſchen
und Fuhrwerken herumgeſtoßen wurde; plötzlich
aber ſcholl ein jammervoller Schrei des kleinen
Thieres von unten aus der Schlucht herauf.
Hauke blickte hinab; er hatte es von oben hinunter-

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[159/0171] Hauke war ſchon wieder oben und ſah von ſeinem Schimmel in die Schlucht hinab, und wie ſie dort ſchaufelten und ſtürzten; dann warf er ſeine Augen nach dem Haf hinaus. Es wehte ſcharf, und er ſah, wie mehr und mehr der Waſſerſaum am Deich hinaufklimmte, und wie die Wellen ſich noch höher hoben; er ſah auch, wie die Leute trieften und kaum athmen konnten in der ſchweren Arbeit vor dem Winde, der ihnen die Luft am Munde ab- ſchnitt und vor dem kalten Regen, der ſie über- ſtrömte. „Ausgehalten, Leute! Ausgehalten!” ſchrie er zu ihnen hinab. „Nur einen Fuß noch höher; dann iſt's genug für dieſe Fluth!” Und durch alles Getöſe des Wetters hörte man das Geräuſch der Arbeiter: das Klatſchen der hineingeſtürzten Klei- maſſen, das Raſſeln der Karren und das Rauſchen des von oben hinabgelaſſenen Strohes ging unauf- haltſam vorwärts; dazwiſchen war mitunter das Winſeln eines kleinen gelben Hundes laut geworden, der frierend und wie verloren zwiſchen Menſchen und Fuhrwerken herumgeſtoßen wurde; plötzlich aber ſcholl ein jammervoller Schrei des kleinen Thieres von unten aus der Schlucht herauf. Hauke blickte hinab; er hatte es von oben hinunter-

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Zitationshilfe: Storm, Theodor: Der Schimmelreiter. Berlin, 1888, S. 159. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storm_schimmelreiter_1888/171>, abgerufen am 22.11.2024.