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Storm, Theodor: Der Schimmelreiter. Berlin, 1888.

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Einwände und waren mit unnöthigen Gründen
zu bekämpfen; denn Ole gehörte zwar zu den
Wichtigen, aber in Deichsachen nicht zu den Klugen;
auch war von früher her der "Schreiberknecht" ihm
immer noch im Wege.

Der glänzendste Himmel breitete sich wieder
über Meer und Marsch, und der Koog wurde
wieder bunt von starken Rindern, deren Gebrüll
von Zeit zu Zeit die weite Stille unterbrach;
unablässig sangen in hoher Himmelsluft die Lerchen;
aber man hörte es erst, wenn einmal auf eines
Athemzuges Länge der Gesang verstummt war.
Kein Unwetter störte die Arbeit, und die Schleuse
stand schon mit ihrem ungestrichenen Balkengefüge,
ohne daß auch nur in einer Nacht sie eines Schutzes
von dem Interims-Deich bedurft hätte; der Herr-
gott schien seine Gunst dem neuen Werke zuzuwenden.
Auch Frau Elke's Augen lachten ihrem Manne zu,
wenn er auf seinem Schimmel draußen von dem
Deich nach Hause kam: "Bist doch ein braves
Thier geworden!" sagte sie dann und klopfte den
blanken Hals des Pferdes. Hauke aber, wenn sie
das Kind am Halse hatte, sprang herab und ließ
das winzige Dinglein auf seinen Armen tanzen;

Einwände und waren mit unnöthigen Gründen
zu bekämpfen; denn Ole gehörte zwar zu den
Wichtigen, aber in Deichſachen nicht zu den Klugen;
auch war von früher her der „Schreiberknecht” ihm
immer noch im Wege.

Der glänzendſte Himmel breitete ſich wieder
über Meer und Marſch, und der Koog wurde
wieder bunt von ſtarken Rindern, deren Gebrüll
von Zeit zu Zeit die weite Stille unterbrach;
unabläſſig ſangen in hoher Himmelsluft die Lerchen;
aber man hörte es erſt, wenn einmal auf eines
Athemzuges Länge der Geſang verſtummt war.
Kein Unwetter ſtörte die Arbeit, und die Schleuſe
ſtand ſchon mit ihrem ungeſtrichenen Balkengefüge,
ohne daß auch nur in einer Nacht ſie eines Schutzes
von dem Interims-Deich bedurft hätte; der Herr-
gott ſchien ſeine Gunſt dem neuen Werke zuzuwenden.
Auch Frau Elke's Augen lachten ihrem Manne zu,
wenn er auf ſeinem Schimmel draußen von dem
Deich nach Hauſe kam: „Biſt doch ein braves
Thier geworden!” ſagte ſie dann und klopfte den
blanken Hals des Pferdes. Hauke aber, wenn ſie
das Kind am Halſe hatte, ſprang herab und ließ
das winzige Dinglein auf ſeinen Armen tanzen;

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[155/0167] Einwände und waren mit unnöthigen Gründen zu bekämpfen; denn Ole gehörte zwar zu den Wichtigen, aber in Deichſachen nicht zu den Klugen; auch war von früher her der „Schreiberknecht” ihm immer noch im Wege. Der glänzendſte Himmel breitete ſich wieder über Meer und Marſch, und der Koog wurde wieder bunt von ſtarken Rindern, deren Gebrüll von Zeit zu Zeit die weite Stille unterbrach; unabläſſig ſangen in hoher Himmelsluft die Lerchen; aber man hörte es erſt, wenn einmal auf eines Athemzuges Länge der Geſang verſtummt war. Kein Unwetter ſtörte die Arbeit, und die Schleuſe ſtand ſchon mit ihrem ungeſtrichenen Balkengefüge, ohne daß auch nur in einer Nacht ſie eines Schutzes von dem Interims-Deich bedurft hätte; der Herr- gott ſchien ſeine Gunſt dem neuen Werke zuzuwenden. Auch Frau Elke's Augen lachten ihrem Manne zu, wenn er auf ſeinem Schimmel draußen von dem Deich nach Hauſe kam: „Biſt doch ein braves Thier geworden!” ſagte ſie dann und klopfte den blanken Hals des Pferdes. Hauke aber, wenn ſie das Kind am Halſe hatte, ſprang herab und ließ das winzige Dinglein auf ſeinen Armen tanzen;

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Zitationshilfe: Storm, Theodor: Der Schimmelreiter. Berlin, 1888, S. 155. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storm_schimmelreiter_1888/167>, abgerufen am 24.11.2024.