Als Hauke jetzt seinen Plan verlesen und die Papiere, die freilich schon drei Tage hier im Kruge zur Einsicht ausgelegen hatten, wieder auf den Tisch breitete, waren zwar ernste Männer zugegen, die mit Ehrerbietung diesen gewissenhaften Fleiß betrachteten und sich nach ruhiger Ueberlegung den billigen Ansätzen ihres Deichgrafen unterwarfen; Andere aber, deren Antheile an dem neuen Lande von ihnen selbst oder ihren Vätern oder sonstigen Vorbesitzern waren veräußert worden, beschwerten sich, daß sie zu den Kosten des neuen Kooges hin- zugezogen seien, dessen Land sie nichts mehr angehe, uneingedenk, daß durch die neuen Arbeiten auch ihre alten Ländereien nach und nach entbürdet würden; und wieder Andere, die mit Antheilen in dem neuen Koog gesegnet waren, schrieen, man möge ihnen doch dieselben abnehmen, sie sollten um ein Geringes feil sein; denn wegen der unbilligen Leistungen, die ihnen dafür aufgebürdet würden, könnten sie nicht damit bestehen. Ole Peters aber, der mit grimmigem Gesicht am Thürpfosten lehnte, rief dazwischen: "Besinnt Euch erst, und dann vertrauet unserem Deichgrafen! der versteht zu rechnen; er hatte schon die meisten Antheile, da
Als Hauke jetzt ſeinen Plan verleſen und die Papiere, die freilich ſchon drei Tage hier im Kruge zur Einſicht ausgelegen hatten, wieder auf den Tiſch breitete, waren zwar ernſte Männer zugegen, die mit Ehrerbietung dieſen gewiſſenhaften Fleiß betrachteten und ſich nach ruhiger Ueberlegung den billigen Anſätzen ihres Deichgrafen unterwarfen; Andere aber, deren Antheile an dem neuen Lande von ihnen ſelbſt oder ihren Vätern oder ſonſtigen Vorbeſitzern waren veräußert worden, beſchwerten ſich, daß ſie zu den Koſten des neuen Kooges hin- zugezogen ſeien, deſſen Land ſie nichts mehr angehe, uneingedenk, daß durch die neuen Arbeiten auch ihre alten Ländereien nach und nach entbürdet würden; und wieder Andere, die mit Antheilen in dem neuen Koog geſegnet waren, ſchrieen, man möge ihnen doch dieſelben abnehmen, ſie ſollten um ein Geringes feil ſein; denn wegen der unbilligen Leiſtungen, die ihnen dafür aufgebürdet würden, könnten ſie nicht damit beſtehen. Ole Peters aber, der mit grimmigem Geſicht am Thürpfoſten lehnte, rief dazwiſchen: „Beſinnt Euch erſt, und dann vertrauet unſerem Deichgrafen! der verſteht zu rechnen; er hatte ſchon die meiſten Antheile, da
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Als Hauke jetzt ſeinen Plan verleſen und die
Papiere, die freilich ſchon drei Tage hier im Kruge
zur Einſicht ausgelegen hatten, wieder auf den
Tiſch breitete, waren zwar ernſte Männer zugegen,
die mit Ehrerbietung dieſen gewiſſenhaften Fleiß
betrachteten und ſich nach ruhiger Ueberlegung den
billigen Anſätzen ihres Deichgrafen unterwarfen;
Andere aber, deren Antheile an dem neuen Lande
von ihnen ſelbſt oder ihren Vätern oder ſonſtigen
Vorbeſitzern waren veräußert worden, beſchwerten
ſich, daß ſie zu den Koſten des neuen Kooges hin-
zugezogen ſeien, deſſen Land ſie nichts mehr angehe,
uneingedenk, daß durch die neuen Arbeiten auch
ihre alten Ländereien nach und nach entbürdet
würden; und wieder Andere, die mit Antheilen
in dem neuen Koog geſegnet waren, ſchrieen, man
möge ihnen doch dieſelben abnehmen, ſie ſollten um
ein Geringes feil ſein; denn wegen der unbilligen
Leiſtungen, die ihnen dafür aufgebürdet würden,
könnten ſie nicht damit beſtehen. Ole Peters aber,
der mit grimmigem Geſicht am Thürpfoſten lehnte,
rief dazwiſchen: „Beſinnt Euch erſt, und dann
vertrauet unſerem Deichgrafen! der verſteht zu
rechnen; er hatte ſchon die meiſten Antheile, da
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Zuerst erschienen in: Deutsche Rundschau (Berlin)… [mehr]
Zuerst erschienen in: Deutsche Rundschau (Berlin), April/Mai 1888. Erste Buchausgabe Berlin: Paetel 1888, diese wurde für das DTA zur Digitalisierung herangezogen.
Storm, Theodor: Der Schimmelreiter. Berlin, 1888, S. 141. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storm_schimmelreiter_1888/153>, abgerufen am 16.02.2025.
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