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Storm, Theodor: Der Schimmelreiter. Berlin, 1888.

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Da legte sie die Arme fest um seinen Nacken:
"Du hast recht, Hauke, und was kommt, kommt
für uns Beide." Dann löste sie sich erröthend
von ihm. "Du wolltest von dem Schimmel mir
erzählen," sagte sie leise.

"Das wollt' ich, Elke. Ich sagte Dir schon,
mir war Kopf und Herz voll Freude über die gute
Nachricht, die der Oberdeichgraf mir gegeben hatte;
so ritt ich eben wieder aus der Stadt hinaus, da,
auf dem Damm, hinter dem Hafen, begegnet mir
ein ruppiger Kerl; ich wußt' nicht, war's ein Vaga-
bund, ein Kesselflicker oder was denn sonst. Der
Kerl zog den Schimmel am Halfter hinter sich;
das Thier aber hob den Kopf und sah mich aus
blöden Augen an; mir war's, als ob es mich um
Etwas bitten wolle; ich war ja auch in diesem
Augenblicke reich genug. "He, Landsmann!" rief
ich, "wo wollt Ihr mit der Kracke hin?"

Der Kerl blieb stehen und der Schimmel auch.
"Verkaufen!" sagte Jener und nickte mir listig zu.

"Nur nicht an mich!" rief ich lustig.

"Ich denke doch!" sagte er; "das ist ein wacker
Pferd und unter hundert Thalern nicht bezahlt."

Ich lachte ihm ins Gesicht.

Da legte ſie die Arme feſt um ſeinen Nacken:
„Du haſt recht, Hauke, und was kommt, kommt
für uns Beide.” Dann löſte ſie ſich erröthend
von ihm. „Du wollteſt von dem Schimmel mir
erzählen,” ſagte ſie leiſe.

„Das wollt' ich, Elke. Ich ſagte Dir ſchon,
mir war Kopf und Herz voll Freude über die gute
Nachricht, die der Oberdeichgraf mir gegeben hatte;
ſo ritt ich eben wieder aus der Stadt hinaus, da,
auf dem Damm, hinter dem Hafen, begegnet mir
ein ruppiger Kerl; ich wußt' nicht, war's ein Vaga-
bund, ein Keſſelflicker oder was denn ſonſt. Der
Kerl zog den Schimmel am Halfter hinter ſich;
das Thier aber hob den Kopf und ſah mich aus
blöden Augen an; mir war's, als ob es mich um
Etwas bitten wolle; ich war ja auch in dieſem
Augenblicke reich genug. „He, Landsmann!” rief
ich, „wo wollt Ihr mit der Kracke hin?”

Der Kerl blieb ſtehen und der Schimmel auch.
„Verkaufen!” ſagte Jener und nickte mir liſtig zu.

„Nur nicht an mich!” rief ich luſtig.

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[126/0138] Da legte ſie die Arme feſt um ſeinen Nacken: „Du haſt recht, Hauke, und was kommt, kommt für uns Beide.” Dann löſte ſie ſich erröthend von ihm. „Du wollteſt von dem Schimmel mir erzählen,” ſagte ſie leiſe. „Das wollt' ich, Elke. Ich ſagte Dir ſchon, mir war Kopf und Herz voll Freude über die gute Nachricht, die der Oberdeichgraf mir gegeben hatte; ſo ritt ich eben wieder aus der Stadt hinaus, da, auf dem Damm, hinter dem Hafen, begegnet mir ein ruppiger Kerl; ich wußt' nicht, war's ein Vaga- bund, ein Keſſelflicker oder was denn ſonſt. Der Kerl zog den Schimmel am Halfter hinter ſich; das Thier aber hob den Kopf und ſah mich aus blöden Augen an; mir war's, als ob es mich um Etwas bitten wolle; ich war ja auch in dieſem Augenblicke reich genug. „He, Landsmann!” rief ich, „wo wollt Ihr mit der Kracke hin?” Der Kerl blieb ſtehen und der Schimmel auch. „Verkaufen!” ſagte Jener und nickte mir liſtig zu. „Nur nicht an mich!” rief ich luſtig. „Ich denke doch!” ſagte er; „das iſt ein wacker Pferd und unter hundert Thalern nicht bezahlt.” Ich lachte ihm ins Geſicht.

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Zitationshilfe: Storm, Theodor: Der Schimmelreiter. Berlin, 1888, S. 126. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storm_schimmelreiter_1888/138>, abgerufen am 25.11.2024.