wenn sie über die Werfte wanderte, sprang das gerettete gelbe Hündlein stets um sie herum, und wenn der Hund sich zeigte, war auch klein Wienke nicht mehr fern. Der zweite Kamerad war eine Lachmöve, und wie der Hund "Perle", so hieß die Möve "Claus".
Claus war durch ein greises Menschenkind auf dem Hofe installirt worden; die achtzigjährige Trien' Jans hatte in ihrer Kathe auf dem Außendeich sich nicht mehr durchbringen können; da hatte Frau Elke gemeint, die verlebte Dienst- magd ihres Großvaters könnte bei ihnen noch ein paar stille Abendstunden und eine gute Sterbe- kammer finden, und so, halb mit Gewalt, war sie von ihr und Hauke nach dem Hofe geholt und in dem Nordwest-Stübchen der neuen Scheuer untergebracht worden, die der Deichgraf vor einigen Jahren neben dem Haupthause bei der Vergrößerung seiner Wirthschaft hatte bauen müssen; ein paar der Mägde hatten daneben ihre Kammer erhalten und konnten der Greisin Nachts zur Hand gehen. Rings an den Wänden hatte sie ihr altes Haus- geräth: eine Schatulle von Zuckerkistenholz, dar- über zwei bunte Bilder vom verlorenen Sohn, ein
wenn ſie über die Werfte wanderte, ſprang das gerettete gelbe Hündlein ſtets um ſie herum, und wenn der Hund ſich zeigte, war auch klein Wienke nicht mehr fern. Der zweite Kamerad war eine Lachmöve, und wie der Hund „Perle”, ſo hieß die Möve „Claus”.
Claus war durch ein greiſes Menſchenkind auf dem Hofe inſtallirt worden; die achtzigjährige Trien' Jans hatte in ihrer Kathe auf dem Außendeich ſich nicht mehr durchbringen können; da hatte Frau Elke gemeint, die verlebte Dienſt- magd ihres Großvaters könnte bei ihnen noch ein paar ſtille Abendſtunden und eine gute Sterbe- kammer finden, und ſo, halb mit Gewalt, war ſie von ihr und Hauke nach dem Hofe geholt und in dem Nordweſt-Stübchen der neuen Scheuer untergebracht worden, die der Deichgraf vor einigen Jahren neben dem Haupthauſe bei der Vergrößerung ſeiner Wirthſchaft hatte bauen müſſen; ein paar der Mägde hatten daneben ihre Kammer erhalten und konnten der Greiſin Nachts zur Hand gehen. Rings an den Wänden hatte ſie ihr altes Haus- geräth: eine Schatulle von Zuckerkiſtenholz, dar- über zwei bunte Bilder vom verlorenen Sohn, ein
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wenn ſie über die Werfte wanderte, ſprang das
gerettete gelbe Hündlein ſtets um ſie herum, und
wenn der Hund ſich zeigte, war auch klein Wienke
nicht mehr fern. Der zweite Kamerad war eine
Lachmöve, und wie der Hund „Perle”, ſo hieß
die Möve „Claus”.
Claus war durch ein greiſes Menſchenkind
auf dem Hofe inſtallirt worden; die achtzigjährige
Trien' Jans hatte in ihrer Kathe auf dem
Außendeich ſich nicht mehr durchbringen können;
da hatte Frau Elke gemeint, die verlebte Dienſt-
magd ihres Großvaters könnte bei ihnen noch ein
paar ſtille Abendſtunden und eine gute Sterbe-
kammer finden, und ſo, halb mit Gewalt, war
ſie von ihr und Hauke nach dem Hofe geholt und
in dem Nordweſt-Stübchen der neuen Scheuer
untergebracht worden, die der Deichgraf vor einigen
Jahren neben dem Haupthauſe bei der Vergrößerung
ſeiner Wirthſchaft hatte bauen müſſen; ein paar
der Mägde hatten daneben ihre Kammer erhalten
und konnten der Greiſin Nachts zur Hand gehen.
Rings an den Wänden hatte ſie ihr altes Haus-
geräth: eine Schatulle von Zuckerkiſtenholz, dar-
über zwei bunte Bilder vom verlorenen Sohn, ein
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Zuerst erschienen in: Deutsche Rundschau (Berlin)… [mehr]
Zuerst erschienen in: Deutsche Rundschau (Berlin), April/Mai 1888. Erste Buchausgabe Berlin: Paetel 1888, diese wurde für das DTA zur Digitalisierung herangezogen.
Storm, Theodor: Der Schimmelreiter. Berlin, 1888, S. 169. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storm_schimmelreiter_1888/181>, abgerufen am 24.02.2025.
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