Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Storm, Theodor: John Riew', Ein Fest auf Haderslevhuus. Zwei Novellen. Berlin, 1885.

Bild:
<< vorherige Seite

Als ich aus den Hausflur trat, geleitete die Mutter eben einen späten Käufer an die Thür. "Gute Nacht, Frau Geyers!" sagte ich und stieg hinauf nach meiner Stube.

Ich hörte die Hausthür schließen, dann noch von nah und fern die Glocken aller Thürme durcheinander schlagen; innen und außen wurde es allmälig ruhige und ich schlief; wie lange, weiß ich nicht. Aber mich weckte etwas; ich mußte erst völlig wach werden, bevor ich's fassen konnte; der erste Dämmerschein fiel eben in die Stube. Endlich glaubte ich es zu wissen. die Kette vor unserer Hausthür mußte herabgeglitten sein; aber wie? - Sie wurde jeden Abend über eine hohe Klammer aufgehakt. Ich lag noch und grübelte darüber; sogar an Diebstahl und Einbruch streiften die Gedanken; da drang noch ein zweites Geräusch vom Flur herauf: es klirrte; aber es war ein leiser Klang dabei, als käme er von einer Glocke.

Rasch war ich aus dem Bett gestiegen und kleidete mich völlig an; dann nahm ich meinen Revolver aus der Schatulle und stieg leise in den Flur hinab. Es war nichts zu sehen; nichts rührte sich; aber als ich an die Hausthür ging, fand ich sie unverschlossen: bei dem Oberlichte, das darüber war, sah ich die

Als ich aus den Hausflur trat, geleitete die Mutter eben einen späten Käufer an die Thür. „Gute Nacht, Frau Geyers!“ sagte ich und stieg hinauf nach meiner Stube.

Ich hörte die Hausthür schließen, dann noch von nah und fern die Glocken aller Thürme durcheinander schlagen; innen und außen wurde es allmälig ruhige und ich schlief; wie lange, weiß ich nicht. Aber mich weckte etwas; ich mußte erst völlig wach werden, bevor ich’s fassen konnte; der erste Dämmerschein fiel eben in die Stube. Endlich glaubte ich es zu wissen. die Kette vor unserer Hausthür mußte herabgeglitten sein; aber wie? – Sie wurde jeden Abend über eine hohe Klammer aufgehakt. Ich lag noch und grübelte darüber; sogar an Diebstahl und Einbruch streiften die Gedanken; da drang noch ein zweites Geräusch vom Flur herauf: es klirrte; aber es war ein leiser Klang dabei, als käme er von einer Glocke.

Rasch war ich aus dem Bett gestiegen und kleidete mich völlig an; dann nahm ich meinen Revolver aus der Schatulle und stieg leise in den Flur hinab. Es war nichts zu sehen; nichts rührte sich; aber als ich an die Hausthür ging, fand ich sie unverschlossen: bei dem Oberlichte, das darüber war, sah ich die

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0092" n="88"/>
        <p>Als ich aus den Hausflur trat, geleitete die Mutter eben einen späten Käufer an die Thür. &#x201E;Gute Nacht, Frau Geyers!&#x201C; sagte ich und stieg hinauf nach meiner Stube.</p>
        <p>Ich hörte die Hausthür schließen, dann noch von nah und fern die Glocken aller Thürme durcheinander schlagen; innen und außen wurde es allmälig ruhige und ich schlief; wie lange, weiß ich nicht. Aber mich weckte etwas; ich mußte erst völlig wach werden, bevor ich&#x2019;s fassen konnte; der erste Dämmerschein fiel eben in die Stube. Endlich glaubte ich es zu wissen. die Kette vor unserer Hausthür mußte herabgeglitten sein; aber wie? &#x2013; Sie wurde jeden Abend über eine hohe Klammer aufgehakt. Ich lag noch und grübelte darüber; sogar an Diebstahl und Einbruch streiften die Gedanken; da drang noch ein zweites Geräusch vom Flur herauf: es klirrte; aber es war ein leiser Klang dabei, als käme er von einer Glocke.</p>
        <p>Rasch war ich aus dem Bett gestiegen und kleidete mich völlig an; dann nahm ich meinen Revolver aus der Schatulle und stieg leise in den Flur hinab. Es war nichts zu sehen; nichts rührte sich; aber als ich an die Hausthür ging, fand ich sie unverschlossen: bei dem Oberlichte, das darüber war, sah ich die
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[88/0092] Als ich aus den Hausflur trat, geleitete die Mutter eben einen späten Käufer an die Thür. „Gute Nacht, Frau Geyers!“ sagte ich und stieg hinauf nach meiner Stube. Ich hörte die Hausthür schließen, dann noch von nah und fern die Glocken aller Thürme durcheinander schlagen; innen und außen wurde es allmälig ruhige und ich schlief; wie lange, weiß ich nicht. Aber mich weckte etwas; ich mußte erst völlig wach werden, bevor ich’s fassen konnte; der erste Dämmerschein fiel eben in die Stube. Endlich glaubte ich es zu wissen. die Kette vor unserer Hausthür mußte herabgeglitten sein; aber wie? – Sie wurde jeden Abend über eine hohe Klammer aufgehakt. Ich lag noch und grübelte darüber; sogar an Diebstahl und Einbruch streiften die Gedanken; da drang noch ein zweites Geräusch vom Flur herauf: es klirrte; aber es war ein leiser Klang dabei, als käme er von einer Glocke. Rasch war ich aus dem Bett gestiegen und kleidete mich völlig an; dann nahm ich meinen Revolver aus der Schatulle und stieg leise in den Flur hinab. Es war nichts zu sehen; nichts rührte sich; aber als ich an die Hausthür ging, fand ich sie unverschlossen: bei dem Oberlichte, das darüber war, sah ich die

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-10-29T10:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-10-29T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-10-29T10:30:31Z)

Weitere Informationen:

Dieses Werk stammt von Wikisource (John_Riew’, Ein Fest auf Haderslevhuus).

Quelle der Scans: Wikimedia Commons (John Riew’, Ein Fest auf Haderslevhuss).

Anmerkungen zur Transkription:




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/storm_riew_1885
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/storm_riew_1885/92
Zitationshilfe: Storm, Theodor: John Riew', Ein Fest auf Haderslevhuus. Zwei Novellen. Berlin, 1885, S. 88. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storm_riew_1885/92>, abgerufen am 25.11.2024.