Storm, Theodor: John Riew', Ein Fest auf Haderslevhuus. Zwei Novellen. Berlin, 1885.Pfundsmaaß hübscher haben! Ich meinte, daß die Anna Geyers bei Ihnen nähte?" "Ja," sagte die Aelteste und wischte sich den Thränenrest von ihren Backen, "die ist freilich hübscher." - "Steht Ihnen das Mädchen denn nicht an?" "O, - wir haben sie ja schon gehabt." - "Und Sie wollen sie nicht wieder haben? Das thut mir leid, sie ist so halbwege ja mein Ziehkind." "Ja; aber ..." Sie bückte sich über ihre Näherei und kam nicht an Bord mit ihrem Satze. - "Schießen Sie los, Mamsellchen." sagte ich. "Helles Feuer ist das Beste. Die Anna soll doch ihre Arbeit gut verstehen; hat sie gestohlen, oder wo steckt denn sonst der Fehler?" "Nun, Herr Riew'," sagte die Jüngere und luvte mich mit ihren kleinen unverschämten Augen an; "gestohlen nun wohl nicht; es ist nur Eins!" Die Aeltere winkte ihr zu und schüttelte den Kopf; aber das schwarze Ding ließ sich nicht übersegeln. "Ich will es Ihnen sagen, Herr Riew', sie hat für uns zu vornehme Bekanntschaften; wir sind ehrliche Bürgermädchen; mit Grafen und Posamentiergesellen haben wir nicht gern zu thun; auch nicht mal durch die dritte Hand. Und das noch nicht allein!" Pfundsmaaß hübscher haben! Ich meinte, daß die Anna Geyers bei Ihnen nähte?“ „Ja,“ sagte die Aelteste und wischte sich den Thränenrest von ihren Backen, „die ist freilich hübscher.“ - „Steht Ihnen das Mädchen denn nicht an?“ „O, – wir haben sie ja schon gehabt.“ - „Und Sie wollen sie nicht wieder haben? Das thut mir leid, sie ist so halbwege ja mein Ziehkind.“ „Ja; aber …“ Sie bückte sich über ihre Näherei und kam nicht an Bord mit ihrem Satze. - „Schießen Sie los, Mamsellchen.“ sagte ich. „Helles Feuer ist das Beste. Die Anna soll doch ihre Arbeit gut verstehen; hat sie gestohlen, oder wo steckt denn sonst der Fehler?“ „Nun, Herr Riew’,“ sagte die Jüngere und luvte mich mit ihren kleinen unverschämten Augen an; „gestohlen nun wohl nicht; es ist nur Eins!“ Die Aeltere winkte ihr zu und schüttelte den Kopf; aber das schwarze Ding ließ sich nicht übersegeln. „Ich will es Ihnen sagen, Herr Riew’, sie hat für uns zu vornehme Bekanntschaften; wir sind ehrliche Bürgermädchen; mit Grafen und Posamentiergesellen haben wir nicht gern zu thun; auch nicht mal durch die dritte Hand. Und das noch nicht allein!“ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0056" n="52"/> Pfundsmaaß hübscher haben! Ich meinte, daß die Anna Geyers bei Ihnen nähte?“</p> <p>„Ja,“ sagte die Aelteste und wischte sich den Thränenrest von ihren Backen, „die ist freilich hübscher.“</p> <p>- „Steht Ihnen das Mädchen denn nicht an?“</p> <p>„O, – wir haben sie ja schon gehabt.“</p> <p>- „Und Sie wollen sie nicht wieder haben? Das thut mir leid, sie ist so halbwege ja mein Ziehkind.“</p> <p>„Ja; aber …“ Sie bückte sich über ihre Näherei und kam nicht an Bord mit ihrem Satze.</p> <p>- „Schießen Sie los, Mamsellchen.“ sagte ich. „Helles Feuer ist das Beste. Die Anna soll doch ihre Arbeit gut verstehen; hat sie gestohlen, oder wo steckt denn sonst der Fehler?“</p> <p>„Nun, Herr Riew’,“ sagte die Jüngere und luvte mich mit ihren kleinen unverschämten Augen an; „gestohlen nun wohl nicht; es ist nur Eins!“</p> <p>Die Aeltere winkte ihr zu und schüttelte den Kopf; aber das schwarze Ding ließ sich nicht übersegeln. „Ich will es Ihnen sagen, Herr Riew’, sie hat für uns zu vornehme Bekanntschaften; wir sind ehrliche Bürgermädchen; mit Grafen und Posamentiergesellen haben wir nicht gern zu thun; auch nicht mal durch die dritte Hand. Und das noch nicht allein!“</p> </div> </body> </text> </TEI> [52/0056]
Pfundsmaaß hübscher haben! Ich meinte, daß die Anna Geyers bei Ihnen nähte?“
„Ja,“ sagte die Aelteste und wischte sich den Thränenrest von ihren Backen, „die ist freilich hübscher.“
- „Steht Ihnen das Mädchen denn nicht an?“
„O, – wir haben sie ja schon gehabt.“
- „Und Sie wollen sie nicht wieder haben? Das thut mir leid, sie ist so halbwege ja mein Ziehkind.“
„Ja; aber …“ Sie bückte sich über ihre Näherei und kam nicht an Bord mit ihrem Satze.
- „Schießen Sie los, Mamsellchen.“ sagte ich. „Helles Feuer ist das Beste. Die Anna soll doch ihre Arbeit gut verstehen; hat sie gestohlen, oder wo steckt denn sonst der Fehler?“
„Nun, Herr Riew’,“ sagte die Jüngere und luvte mich mit ihren kleinen unverschämten Augen an; „gestohlen nun wohl nicht; es ist nur Eins!“
Die Aeltere winkte ihr zu und schüttelte den Kopf; aber das schwarze Ding ließ sich nicht übersegeln. „Ich will es Ihnen sagen, Herr Riew’, sie hat für uns zu vornehme Bekanntschaften; wir sind ehrliche Bürgermädchen; mit Grafen und Posamentiergesellen haben wir nicht gern zu thun; auch nicht mal durch die dritte Hand. Und das noch nicht allein!“
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax.
(2012-10-29T10:30:31Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2012-10-29T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat.
(2012-10-29T10:30:31Z)
Weitere Informationen:Dieses Werk stammt von Wikisource (John_Riew’, Ein Fest auf Haderslevhuus). Quelle der Scans: Wikimedia Commons (John Riew’, Ein Fest auf Haderslevhuss). Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |