Storm, Theodor: John Riew', Ein Fest auf Haderslevhuus. Zwei Novellen. Berlin, 1885.So litt ich's denn; und als sie ihr: "Zur Gesundheit!" sprach und dann ein Schlückchen ans dem Glase trank, hielt sie den Athem an und Mund und Augen gewaltsam offen; aber, ich sah es wohl, ein paar Thränen sprangen doch heraus. Bald danach sind Sie ins Haus gezogen, und - Sie haben es ja selbst gesehen, wie zierlich sie uns zu credenzen wußte. Gott verzeihe mir! Das Kind steuerte Backbord; aber ich hätte Steuerbord halten sollen. - - Im Winter, nachdem Sie fort waren, suchte mein Lübecker Rheder mich wiederum zu ködern; der schlaue Alte hatte es heraus, daß ich zu früh mich landfest gemacht hatte; er meinte, ich könnte wohl noch ein paar Jahre wieder laden und löschen. Von dem dazwischen sprach er nicht; aber er bot mir ein neugebautes Vollschiff und einen Part darin. Mir gefiel das schon; aber was sollte dann aus Riekchen Geyers und meiner Anna werden? Denn auch Ihr Quartier im Unterhause stand unvermiethet. Da, als ich eines Tages in der Januarsonne mit Anna über den Gänsemarkt promenirte, blieb sie vor einem Weißwaarengeschäft stehen und betrachtete begierig die Sauberkeiten, die hier alle in dem Ladenfenster ausgelegt waren. Ich wollte ungeduldig werden; aber sie hatte trotzdem immer So litt ich’s denn; und als sie ihr: „Zur Gesundheit!“ sprach und dann ein Schlückchen ans dem Glase trank, hielt sie den Athem an und Mund und Augen gewaltsam offen; aber, ich sah es wohl, ein paar Thränen sprangen doch heraus. Bald danach sind Sie ins Haus gezogen, und – Sie haben es ja selbst gesehen, wie zierlich sie uns zu credenzen wußte. Gott verzeihe mir! Das Kind steuerte Backbord; aber ich hätte Steuerbord halten sollen. – – Im Winter, nachdem Sie fort waren, suchte mein Lübecker Rheder mich wiederum zu ködern; der schlaue Alte hatte es heraus, daß ich zu früh mich landfest gemacht hatte; er meinte, ich könnte wohl noch ein paar Jahre wieder laden und löschen. Von dem dazwischen sprach er nicht; aber er bot mir ein neugebautes Vollschiff und einen Part darin. Mir gefiel das schon; aber was sollte dann aus Riekchen Geyers und meiner Anna werden? Denn auch Ihr Quartier im Unterhause stand unvermiethet. Da, als ich eines Tages in der Januarsonne mit Anna über den Gänsemarkt promenirte, blieb sie vor einem Weißwaarengeschäft stehen und betrachtete begierig die Sauberkeiten, die hier alle in dem Ladenfenster ausgelegt waren. Ich wollte ungeduldig werden; aber sie hatte trotzdem immer <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0048" n="44"/> <p>So litt ich’s denn; und als sie ihr: „Zur Gesundheit!“ sprach und dann ein Schlückchen ans dem Glase trank, hielt sie den Athem an und Mund und Augen gewaltsam offen; aber, ich sah es wohl, ein paar Thränen sprangen doch heraus. Bald danach sind Sie ins Haus gezogen, und – Sie haben es ja selbst gesehen, wie zierlich sie uns zu credenzen wußte. Gott verzeihe mir! Das Kind steuerte Backbord; aber ich hätte Steuerbord halten sollen.</p> <p>– – Im Winter, nachdem Sie fort waren, suchte mein Lübecker Rheder mich wiederum zu ködern; der schlaue Alte hatte es heraus, daß ich zu früh mich landfest gemacht hatte; er meinte, ich könnte wohl noch ein paar Jahre wieder laden und löschen. Von dem dazwischen sprach er nicht; aber er bot mir ein neugebautes Vollschiff und einen Part darin. Mir gefiel das schon; aber was sollte dann aus Riekchen Geyers und meiner Anna werden? Denn auch Ihr Quartier im Unterhause stand unvermiethet. Da, als ich eines Tages in der Januarsonne mit Anna über den Gänsemarkt promenirte, blieb sie vor einem Weißwaarengeschäft stehen und betrachtete begierig die Sauberkeiten, die hier alle in dem Ladenfenster ausgelegt waren. Ich wollte ungeduldig werden; aber sie hatte trotzdem immer </p> </div> </body> </text> </TEI> [44/0048]
So litt ich’s denn; und als sie ihr: „Zur Gesundheit!“ sprach und dann ein Schlückchen ans dem Glase trank, hielt sie den Athem an und Mund und Augen gewaltsam offen; aber, ich sah es wohl, ein paar Thränen sprangen doch heraus. Bald danach sind Sie ins Haus gezogen, und – Sie haben es ja selbst gesehen, wie zierlich sie uns zu credenzen wußte. Gott verzeihe mir! Das Kind steuerte Backbord; aber ich hätte Steuerbord halten sollen.
– – Im Winter, nachdem Sie fort waren, suchte mein Lübecker Rheder mich wiederum zu ködern; der schlaue Alte hatte es heraus, daß ich zu früh mich landfest gemacht hatte; er meinte, ich könnte wohl noch ein paar Jahre wieder laden und löschen. Von dem dazwischen sprach er nicht; aber er bot mir ein neugebautes Vollschiff und einen Part darin. Mir gefiel das schon; aber was sollte dann aus Riekchen Geyers und meiner Anna werden? Denn auch Ihr Quartier im Unterhause stand unvermiethet. Da, als ich eines Tages in der Januarsonne mit Anna über den Gänsemarkt promenirte, blieb sie vor einem Weißwaarengeschäft stehen und betrachtete begierig die Sauberkeiten, die hier alle in dem Ladenfenster ausgelegt waren. Ich wollte ungeduldig werden; aber sie hatte trotzdem immer
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Zitationshilfe: | Storm, Theodor: John Riew', Ein Fest auf Haderslevhuus. Zwei Novellen. Berlin, 1885, S. 44. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storm_riew_1885/48>, abgerufen am 16.02.2025. |