Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Storm, Theodor: John Riew', Ein Fest auf Haderslevhuus. Zwei Novellen. Berlin, 1885.

Bild:
<< vorherige Seite

Und von denen, die es sahen, rührte keiner nur ein Glied.

Aber ein anderes geschah: Rolf Lembeck, ehe einer dachte, es zu hindern, hatte die Todte aus der Lade gehoben und ließ ihr schönes Haupt an seine Schulter sinken. Da fuhren die Schwerter aus den Scheiden, die Frauen schrieen auf und Stimmen flogen durch die Halle: "Wer ist's? Der Lembeck? Haltet den Tollen, den Leichenschänder! Schlagt ihn nieder!" Der Priester streckte die Hände nach dem Kühnen und schrie: "Anathema!" Nur der jungen Sängerinnen eine, die der Blick aus seinem blauen Aug' gestreift hatte, sank in die Knie und betete: "O Gott der Liebe, erbarm' dich ihrer beider!"

Zwei Männer waren, die nicht ihr Schwert gezogen hatten: der Schloßhauptmatm der eine, der andere Rolf Lembeck. Der erstere fuhr rasch empor. "Zurück ihr Freunde!" rief er, seine Hand ausstreckend; mein Fest - mein Kind und - mein auch dieser Ritter!"

Doch als er daraus sich ihm nahen wollte, da war Rolf Lembeck nicht mehr in der Halle. Die Todte an sich pressend, die Augen wie im Wahnsinn aus das süße, starre Antlitz heftend, war er durch

Und von denen, die es sahen, rührte keiner nur ein Glied.

Aber ein anderes geschah: Rolf Lembeck, ehe einer dachte, es zu hindern, hatte die Todte aus der Lade gehoben und ließ ihr schönes Haupt an seine Schulter sinken. Da fuhren die Schwerter aus den Scheiden, die Frauen schrieen auf und Stimmen flogen durch die Halle: „Wer ist’s? Der Lembeck? Haltet den Tollen, den Leichenschänder! Schlagt ihn nieder!“ Der Priester streckte die Hände nach dem Kühnen und schrie: „Anathema!“ Nur der jungen Sängerinnen eine, die der Blick aus seinem blauen Aug’ gestreift hatte, sank in die Knie und betete: „O Gott der Liebe, erbarm’ dich ihrer beider!“

Zwei Männer waren, die nicht ihr Schwert gezogen hatten: der Schloßhauptmatm der eine, der andere Rolf Lembeck. Der erstere fuhr rasch empor. „Zurück ihr Freunde!“ rief er, seine Hand ausstreckend; mein Fest – mein Kind und – mein auch dieser Ritter!“

Doch als er daraus sich ihm nahen wollte, da war Rolf Lembeck nicht mehr in der Halle. Die Todte an sich pressend, die Augen wie im Wahnsinn aus das süße, starre Antlitz heftend, war er durch

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0221" n="217"/>
        <p>Und von denen, die es sahen, rührte keiner nur ein Glied.</p>
        <p>Aber ein anderes geschah: Rolf Lembeck, ehe einer dachte, es zu hindern, hatte die Todte aus der Lade gehoben und ließ ihr schönes Haupt an seine Schulter sinken. Da fuhren die Schwerter aus den Scheiden, die Frauen schrieen auf und Stimmen flogen durch die Halle: &#x201E;Wer ist&#x2019;s? Der Lembeck? Haltet den Tollen, den Leichenschänder! Schlagt ihn nieder!&#x201C; Der Priester streckte die Hände nach dem Kühnen und schrie: &#x201E;<hi rendition="#aq">Anathema</hi>!&#x201C; Nur der jungen Sängerinnen eine, die der Blick aus seinem blauen Aug&#x2019; gestreift hatte, sank in die Knie und betete: &#x201E;O Gott der Liebe, erbarm&#x2019; dich ihrer beider!&#x201C;</p>
        <p>Zwei Männer waren, die nicht ihr Schwert gezogen hatten: der Schloßhauptmatm der eine, der andere Rolf Lembeck. Der erstere fuhr rasch empor. &#x201E;Zurück ihr Freunde!&#x201C; rief er, seine Hand ausstreckend; mein Fest &#x2013; mein Kind und &#x2013; mein auch dieser Ritter!&#x201C;</p>
        <p>Doch als er daraus sich ihm nahen wollte, da war Rolf Lembeck nicht mehr in der Halle. Die Todte an sich pressend, die Augen wie im Wahnsinn aus das süße, starre Antlitz heftend, war er durch
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[217/0221] Und von denen, die es sahen, rührte keiner nur ein Glied. Aber ein anderes geschah: Rolf Lembeck, ehe einer dachte, es zu hindern, hatte die Todte aus der Lade gehoben und ließ ihr schönes Haupt an seine Schulter sinken. Da fuhren die Schwerter aus den Scheiden, die Frauen schrieen auf und Stimmen flogen durch die Halle: „Wer ist’s? Der Lembeck? Haltet den Tollen, den Leichenschänder! Schlagt ihn nieder!“ Der Priester streckte die Hände nach dem Kühnen und schrie: „Anathema!“ Nur der jungen Sängerinnen eine, die der Blick aus seinem blauen Aug’ gestreift hatte, sank in die Knie und betete: „O Gott der Liebe, erbarm’ dich ihrer beider!“ Zwei Männer waren, die nicht ihr Schwert gezogen hatten: der Schloßhauptmatm der eine, der andere Rolf Lembeck. Der erstere fuhr rasch empor. „Zurück ihr Freunde!“ rief er, seine Hand ausstreckend; mein Fest – mein Kind und – mein auch dieser Ritter!“ Doch als er daraus sich ihm nahen wollte, da war Rolf Lembeck nicht mehr in der Halle. Die Todte an sich pressend, die Augen wie im Wahnsinn aus das süße, starre Antlitz heftend, war er durch

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-10-29T10:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-10-29T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-10-29T10:30:31Z)

Weitere Informationen:

Dieses Werk stammt von Wikisource (John_Riew’, Ein Fest auf Haderslevhuus).

Quelle der Scans: Wikimedia Commons (John Riew’, Ein Fest auf Haderslevhuss).

Anmerkungen zur Transkription:




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/storm_riew_1885
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/storm_riew_1885/221
Zitationshilfe: Storm, Theodor: John Riew', Ein Fest auf Haderslevhuus. Zwei Novellen. Berlin, 1885, S. 217. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storm_riew_1885/221>, abgerufen am 22.11.2024.