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Storm, Theodor: John Riew', Ein Fest auf Haderslevhuus. Zwei Novellen. Berlin, 1885.

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Zweige an die Mauerzinnen, so dort den Garten abschließen. Man sagt, es soll fast achtzig Fuß dort in die Tiefe gehen! Was ich Euch sagen wollte ... den Baum, Ihr müßt ihn fällen lassen!"

"Die Pappel?" rief der Schloßhauptmann. "Was wirrt Euch, edle Frau! Die ist des Königs Liebling; sein Ahn Christoffer hat sie selbst gepflanzt, da er Südjütland gegen Abels Söhne in Besitz genommen hatte!"

"So habet Ihr wohl keine Tauben oder sonstig edeles Geflügel in der Feste," fuhr sie achtlos fort, "und ist Euch davon nichts zerrissen worden? Denn aus dem Wald genüber laufen Iltis oder Edelmarder an den Baum hinauf und springen aus dessen Zweigen in den Garten!"

"Was wollet Ihr, edle Fraue," sprach der Ritter; "ich verstehe Eure Rede nicht; ich hatte niemals kostbares Geflügel, und wäre solches mir zerrissen worden, ich würde drum doch nicht des Königs Baum versehren!"

Sie sah ihn an; aber da er ruhig mit der Hand auf seinem Schwerte dasaß, hob sie eine Glocke vom Tisch, schellte, und da der Knabe eintrat, bedeutete sie ihn: "Gaspard soll kommen!" Dann sah sie wieder auf ihren Gast und frug, wie nur, um die

Zweige an die Mauerzinnen, so dort den Garten abschließen. Man sagt, es soll fast achtzig Fuß dort in die Tiefe gehen! Was ich Euch sagen wollte … den Baum, Ihr müßt ihn fällen lassen!“

„Die Pappel?“ rief der Schloßhauptmann. „Was wirrt Euch, edle Frau! Die ist des Königs Liebling; sein Ahn Christoffer hat sie selbst gepflanzt, da er Südjütland gegen Abels Söhne in Besitz genommen hatte!“

„So habet Ihr wohl keine Tauben oder sonstig edeles Geflügel in der Feste,“ fuhr sie achtlos fort, „und ist Euch davon nichts zerrissen worden? Denn aus dem Wald genüber laufen Iltis oder Edelmarder an den Baum hinauf und springen aus dessen Zweigen in den Garten!“

„Was wollet Ihr, edle Fraue,“ sprach der Ritter; „ich verstehe Eure Rede nicht; ich hatte niemals kostbares Geflügel, und wäre solches mir zerrissen worden, ich würde drum doch nicht des Königs Baum versehren!“

Sie sah ihn an; aber da er ruhig mit der Hand auf seinem Schwerte dasaß, hob sie eine Glocke vom Tisch, schellte, und da der Knabe eintrat, bedeutete sie ihn: „Gaspard soll kommen!“ Dann sah sie wieder auf ihren Gast und frug, wie nur, um die

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[187/0191] Zweige an die Mauerzinnen, so dort den Garten abschließen. Man sagt, es soll fast achtzig Fuß dort in die Tiefe gehen! Was ich Euch sagen wollte … den Baum, Ihr müßt ihn fällen lassen!“ „Die Pappel?“ rief der Schloßhauptmann. „Was wirrt Euch, edle Frau! Die ist des Königs Liebling; sein Ahn Christoffer hat sie selbst gepflanzt, da er Südjütland gegen Abels Söhne in Besitz genommen hatte!“ „So habet Ihr wohl keine Tauben oder sonstig edeles Geflügel in der Feste,“ fuhr sie achtlos fort, „und ist Euch davon nichts zerrissen worden? Denn aus dem Wald genüber laufen Iltis oder Edelmarder an den Baum hinauf und springen aus dessen Zweigen in den Garten!“ „Was wollet Ihr, edle Fraue,“ sprach der Ritter; „ich verstehe Eure Rede nicht; ich hatte niemals kostbares Geflügel, und wäre solches mir zerrissen worden, ich würde drum doch nicht des Königs Baum versehren!“ Sie sah ihn an; aber da er ruhig mit der Hand auf seinem Schwerte dasaß, hob sie eine Glocke vom Tisch, schellte, und da der Knabe eintrat, bedeutete sie ihn: „Gaspard soll kommen!“ Dann sah sie wieder auf ihren Gast und frug, wie nur, um die

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Dieses Werk stammt von Wikisource (John_Riew’, Ein Fest auf Haderslevhuus).

Quelle der Scans: Wikimedia Commons (John Riew’, Ein Fest auf Haderslevhuss).

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Zitationshilfe: Storm, Theodor: John Riew', Ein Fest auf Haderslevhuus. Zwei Novellen. Berlin, 1885, S. 187. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storm_riew_1885/191>, abgerufen am 02.05.2024.