Storm, Theodor: John Riew', Ein Fest auf Haderslevhuus. Zwei Novellen. Berlin, 1885.Freundes ist nicht mehr; ein junger Vetter desselben ist jetzt Herr des Geschäftes und des alten Hauses. Nur Eines habe ich noch zu sagen: Eben, vor einer Stunde nur, öffnete sich meine Stubenthür, und unser Freund, der Capitän John Riew', trat zitternd und bleich zu mir herein; er legte seinen Hut aus einen Stuhl und wischte sich den Schweiß aus seinen weißen Haaren. "Was ist, Capitän?" rief ich erschrocken. "Ihr seht ja ganz verteufelt aus." Aber er ergriff meine beiden Hände und schüttelte den Kopf: "Vor Freude, Nachbar, nur vor Freude! God bless you, Sir! Der Junge ist Capitän!" "Alle Wetter!" rief ich, "das geht ja wie der Wind!" "Ja, ja; hier steht's!" und er riß ein Telegramm aus der Tasche und hielt es mir triumphirend vor die Augen. "Sein Vorgänger starb drüben in Rio Janeiro am gelben Fieber, und nun ist er's und soll's auch bleiben - Capitän der "Alten Liebe"! By Jove! Der junge Lübecker weiß sich seine Leute auszusuchen! - Aber - warum ich komme, Nachbar! - Sie fahren doch mit mir übermorgen?" "Wohin? Doch nicht nach Rio, Capitän?" "Nein, nein!" sagte der Alte lächelnd, "nur nach Freundes ist nicht mehr; ein junger Vetter desselben ist jetzt Herr des Geschäftes und des alten Hauses. Nur Eines habe ich noch zu sagen: Eben, vor einer Stunde nur, öffnete sich meine Stubenthür, und unser Freund, der Capitän John Riew’, trat zitternd und bleich zu mir herein; er legte seinen Hut aus einen Stuhl und wischte sich den Schweiß aus seinen weißen Haaren. „Was ist, Capitän?“ rief ich erschrocken. „Ihr seht ja ganz verteufelt aus.“ Aber er ergriff meine beiden Hände und schüttelte den Kopf: „Vor Freude, Nachbar, nur vor Freude! God bless you, Sir! Der Junge ist Capitän!“ „Alle Wetter!“ rief ich, „das geht ja wie der Wind!“ „Ja, ja; hier steht’s!“ und er riß ein Telegramm aus der Tasche und hielt es mir triumphirend vor die Augen. „Sein Vorgänger starb drüben in Rio Janeiro am gelben Fieber, und nun ist er’s und soll’s auch bleiben – Capitän der „Alten Liebe“! By Jove! Der junge Lübecker weiß sich seine Leute auszusuchen! – Aber – warum ich komme, Nachbar! – Sie fahren doch mit mir übermorgen?“ „Wohin? Doch nicht nach Rio, Capitän?“ „Nein, nein!“ sagte der Alte lächelnd, „nur nach <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0103" n="99"/> Freundes ist nicht mehr; ein junger Vetter desselben ist jetzt Herr des Geschäftes und des alten Hauses.</p> <p>Nur Eines habe ich noch zu sagen: Eben, vor einer Stunde nur, öffnete sich meine Stubenthür, und unser Freund, der Capitän John Riew’, trat zitternd und bleich zu mir herein; er legte seinen Hut aus einen Stuhl und wischte sich den Schweiß aus seinen weißen Haaren.</p> <p>„Was ist, Capitän?“ rief ich erschrocken. „Ihr seht ja ganz verteufelt aus.“</p> <p>Aber er ergriff meine beiden Hände und schüttelte den Kopf: „Vor Freude, Nachbar, nur vor Freude! <hi rendition="#aq">God bless you, Sir</hi>! Der Junge ist Capitän!“</p> <p>„Alle Wetter!“ rief ich, „das geht ja wie der Wind!“</p> <p>„Ja, ja; hier steht’s!“ und er riß ein Telegramm aus der Tasche und hielt es mir triumphirend vor die Augen. „Sein Vorgänger starb drüben in Rio Janeiro am gelben Fieber, und nun ist er’s und soll’s auch bleiben – Capitän der „Alten Liebe“! <hi rendition="#aq">By Jove</hi>! Der junge Lübecker weiß sich seine Leute auszusuchen! – Aber – warum ich komme, Nachbar! – Sie fahren doch mit mir übermorgen?“</p> <p>„Wohin? Doch nicht nach Rio, Capitän?“</p> <p>„Nein, nein!“ sagte der Alte lächelnd, „nur nach </p> </div> </body> </text> </TEI> [99/0103]
Freundes ist nicht mehr; ein junger Vetter desselben ist jetzt Herr des Geschäftes und des alten Hauses.
Nur Eines habe ich noch zu sagen: Eben, vor einer Stunde nur, öffnete sich meine Stubenthür, und unser Freund, der Capitän John Riew’, trat zitternd und bleich zu mir herein; er legte seinen Hut aus einen Stuhl und wischte sich den Schweiß aus seinen weißen Haaren.
„Was ist, Capitän?“ rief ich erschrocken. „Ihr seht ja ganz verteufelt aus.“
Aber er ergriff meine beiden Hände und schüttelte den Kopf: „Vor Freude, Nachbar, nur vor Freude! God bless you, Sir! Der Junge ist Capitän!“
„Alle Wetter!“ rief ich, „das geht ja wie der Wind!“
„Ja, ja; hier steht’s!“ und er riß ein Telegramm aus der Tasche und hielt es mir triumphirend vor die Augen. „Sein Vorgänger starb drüben in Rio Janeiro am gelben Fieber, und nun ist er’s und soll’s auch bleiben – Capitän der „Alten Liebe“! By Jove! Der junge Lübecker weiß sich seine Leute auszusuchen! – Aber – warum ich komme, Nachbar! – Sie fahren doch mit mir übermorgen?“
„Wohin? Doch nicht nach Rio, Capitän?“
„Nein, nein!“ sagte der Alte lächelnd, „nur nach
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Zitationshilfe: | Storm, Theodor: John Riew', Ein Fest auf Haderslevhuus. Zwei Novellen. Berlin, 1885, S. 99. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storm_riew_1885/103>, abgerufen am 16.02.2025. |