Storm, Theodor: Eine Malerarbeit. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 9. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 257–304. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.ich, daß er frisch und kräftig ausschaute, wie ich ihn nie gekannt. Wen bringst du mir da, mein Sohn Paul? rief er uns entgegen, während wir um einen kleinen Rasen herum dem Hause zugingen. Paul lächelte. Keinen Fremden, denke ich! Und schon war Brunken die Stufen in den Garten hinabgekommen und hatte meine beiden Hände ergriffen. Nein, keinen Fremden! rief er. Bei allen Göttern, die den Wanderer beschützen! Sei mir tausend Mal gesegnet, Arnold, daß du endlich bei mir einkehrst! Ich konnte nicht zu Worte kommen; denn schon war er wieder die Stufen hinauf und rief durch die offene Flügelthür ins Haus: Martha, Marie, wo steckt ihr denn? Und dabei schlug ihm die Stimme in seine höchste Fistel über; aber dennoch klang es schön und herzerquickend; und herzerquickend war auch das, was auf seinen Ruf erschien; zuerst, wie ein Vogel herangeflogen, ein schlankes, etwa vierzehnjähriges Mädchen; und dann, ihr ruhig folgend, eine ältere Frau mit den schönen Augen meines Freundes, aber ohne die Gebrechen seines Körpers. Dies, sagte Brunken, indem er ihre Hand ergriff, ist meine liebe Schwester Martha; wir hausen hier zusammen; den Paul hast du dir schon selber aufgefischt; aber diese meine Nichte muß ich dir noch vorstellen; es ist ein junges, thörichtes Geschöpf, das den hehren Namen Maria noch keineswegs verdient hat. Und dabei ich, daß er frisch und kräftig ausschaute, wie ich ihn nie gekannt. Wen bringst du mir da, mein Sohn Paul? rief er uns entgegen, während wir um einen kleinen Rasen herum dem Hause zugingen. Paul lächelte. Keinen Fremden, denke ich! Und schon war Brunken die Stufen in den Garten hinabgekommen und hatte meine beiden Hände ergriffen. Nein, keinen Fremden! rief er. Bei allen Göttern, die den Wanderer beschützen! Sei mir tausend Mal gesegnet, Arnold, daß du endlich bei mir einkehrst! Ich konnte nicht zu Worte kommen; denn schon war er wieder die Stufen hinauf und rief durch die offene Flügelthür ins Haus: Martha, Marie, wo steckt ihr denn? Und dabei schlug ihm die Stimme in seine höchste Fistel über; aber dennoch klang es schön und herzerquickend; und herzerquickend war auch das, was auf seinen Ruf erschien; zuerst, wie ein Vogel herangeflogen, ein schlankes, etwa vierzehnjähriges Mädchen; und dann, ihr ruhig folgend, eine ältere Frau mit den schönen Augen meines Freundes, aber ohne die Gebrechen seines Körpers. Dies, sagte Brunken, indem er ihre Hand ergriff, ist meine liebe Schwester Martha; wir hausen hier zusammen; den Paul hast du dir schon selber aufgefischt; aber diese meine Nichte muß ich dir noch vorstellen; es ist ein junges, thörichtes Geschöpf, das den hehren Namen Maria noch keineswegs verdient hat. Und dabei <TEI> <text> <body> <div n="3"> <p><pb facs="#f0031"/> ich, daß er frisch und kräftig ausschaute, wie ich ihn nie gekannt.</p><lb/> <p>Wen bringst du mir da, mein Sohn Paul? rief er uns entgegen, während wir um einen kleinen Rasen herum dem Hause zugingen.</p><lb/> <p>Paul lächelte. Keinen Fremden, denke ich!</p><lb/> <p>Und schon war Brunken die Stufen in den Garten hinabgekommen und hatte meine beiden Hände ergriffen. Nein, keinen Fremden! rief er. Bei allen Göttern, die den Wanderer beschützen! Sei mir tausend Mal gesegnet, Arnold, daß du endlich bei mir einkehrst!</p><lb/> <p>Ich konnte nicht zu Worte kommen; denn schon war er wieder die Stufen hinauf und rief durch die offene Flügelthür ins Haus: Martha, Marie, wo steckt ihr denn? Und dabei schlug ihm die Stimme in seine höchste Fistel über; aber dennoch klang es schön und herzerquickend; und herzerquickend war auch das, was auf seinen Ruf erschien; zuerst, wie ein Vogel herangeflogen, ein schlankes, etwa vierzehnjähriges Mädchen; und dann, ihr ruhig folgend, eine ältere Frau mit den schönen Augen meines Freundes, aber ohne die Gebrechen seines Körpers.</p><lb/> <p>Dies, sagte Brunken, indem er ihre Hand ergriff, ist meine liebe Schwester Martha; wir hausen hier zusammen; den Paul hast du dir schon selber aufgefischt; aber diese meine Nichte muß ich dir noch vorstellen; es ist ein junges, thörichtes Geschöpf, das den hehren Namen Maria noch keineswegs verdient hat. Und dabei<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0031]
ich, daß er frisch und kräftig ausschaute, wie ich ihn nie gekannt.
Wen bringst du mir da, mein Sohn Paul? rief er uns entgegen, während wir um einen kleinen Rasen herum dem Hause zugingen.
Paul lächelte. Keinen Fremden, denke ich!
Und schon war Brunken die Stufen in den Garten hinabgekommen und hatte meine beiden Hände ergriffen. Nein, keinen Fremden! rief er. Bei allen Göttern, die den Wanderer beschützen! Sei mir tausend Mal gesegnet, Arnold, daß du endlich bei mir einkehrst!
Ich konnte nicht zu Worte kommen; denn schon war er wieder die Stufen hinauf und rief durch die offene Flügelthür ins Haus: Martha, Marie, wo steckt ihr denn? Und dabei schlug ihm die Stimme in seine höchste Fistel über; aber dennoch klang es schön und herzerquickend; und herzerquickend war auch das, was auf seinen Ruf erschien; zuerst, wie ein Vogel herangeflogen, ein schlankes, etwa vierzehnjähriges Mädchen; und dann, ihr ruhig folgend, eine ältere Frau mit den schönen Augen meines Freundes, aber ohne die Gebrechen seines Körpers.
Dies, sagte Brunken, indem er ihre Hand ergriff, ist meine liebe Schwester Martha; wir hausen hier zusammen; den Paul hast du dir schon selber aufgefischt; aber diese meine Nichte muß ich dir noch vorstellen; es ist ein junges, thörichtes Geschöpf, das den hehren Namen Maria noch keineswegs verdient hat. Und dabei
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/storm_malerarbeit_1910 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/storm_malerarbeit_1910/31 |
Zitationshilfe: | Storm, Theodor: Eine Malerarbeit. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 9. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 257–304. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storm_malerarbeit_1910/31>, abgerufen am 25.07.2024. |