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Storm, Theodor: Immensee. Berlin, 1852.

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den einsamen Waldblumen flatterten. Reinhardt strich
ihr die feuchten Haare aus dem erhitzten Gesichtchen;
dann wollte er ihr den Strohhut aufsetzen, und sie
wollte es nicht leiden; aber dann bat er sie, und dann
ließ sie es doch geschehen.

Wo bleiben denn aber deine Erdbeeren? fragte
sie endlich, indem sie stehen blieb und einen tiefen
Athemzug that.

Hier haben sie gestanden, sagte er; aber die Kröten
sind uns zuvorgekommen, oder die Marder, oder viel¬
leicht die Elfen.

Ja, sagte Elisabeth, die Blätter stehen noch da;
aber sprich hier nicht von Elfen. Komm nur, ich bin
noch gar nicht müde; wir wollen weiter suchen.

Vor ihnen war ein kleiner Bach, jenseits wieder
der Wald. Reinhardt hob Elisabeth auf seine Arme
und trug sie hinüber. Nach einer Weile traten sie
aus dem schattigen Laube wieder in eine weite Lich¬
tung hinaus. Hier müssen Erdbeeren sein, sagte das
Mädchen, es duftet so süß.

Sie gingen suchend durch den sonnigen Raum;
aber sie fanden keine. Nein, sagte Reinhardt, es ist
nur der Duft des Haidekrauts.

Storm, Immensee. 2

den einſamen Waldblumen flatterten. Reinhardt ſtrich
ihr die feuchten Haare aus dem erhitzten Geſichtchen;
dann wollte er ihr den Strohhut aufſetzen, und ſie
wollte es nicht leiden; aber dann bat er ſie, und dann
ließ ſie es doch geſchehen.

Wo bleiben denn aber deine Erdbeeren? fragte
ſie endlich, indem ſie ſtehen blieb und einen tiefen
Athemzug that.

Hier haben ſie geſtanden, ſagte er; aber die Kröten
ſind uns zuvorgekommen, oder die Marder, oder viel¬
leicht die Elfen.

Ja, ſagte Eliſabeth, die Blätter ſtehen noch da;
aber ſprich hier nicht von Elfen. Komm nur, ich bin
noch gar nicht müde; wir wollen weiter ſuchen.

Vor ihnen war ein kleiner Bach, jenſeits wieder
der Wald. Reinhardt hob Eliſabeth auf ſeine Arme
und trug ſie hinüber. Nach einer Weile traten ſie
aus dem ſchattigen Laube wieder in eine weite Lich¬
tung hinaus. Hier müſſen Erdbeeren ſein, ſagte das
Mädchen, es duftet ſo ſüß.

Sie gingen ſuchend durch den ſonnigen Raum;
aber ſie fanden keine. Nein, ſagte Reinhardt, es iſt
nur der Duft des Haidekrauts.

Storm, Immenſee. 2
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[17/0023] den einſamen Waldblumen flatterten. Reinhardt ſtrich ihr die feuchten Haare aus dem erhitzten Geſichtchen; dann wollte er ihr den Strohhut aufſetzen, und ſie wollte es nicht leiden; aber dann bat er ſie, und dann ließ ſie es doch geſchehen. Wo bleiben denn aber deine Erdbeeren? fragte ſie endlich, indem ſie ſtehen blieb und einen tiefen Athemzug that. Hier haben ſie geſtanden, ſagte er; aber die Kröten ſind uns zuvorgekommen, oder die Marder, oder viel¬ leicht die Elfen. Ja, ſagte Eliſabeth, die Blätter ſtehen noch da; aber ſprich hier nicht von Elfen. Komm nur, ich bin noch gar nicht müde; wir wollen weiter ſuchen. Vor ihnen war ein kleiner Bach, jenſeits wieder der Wald. Reinhardt hob Eliſabeth auf ſeine Arme und trug ſie hinüber. Nach einer Weile traten ſie aus dem ſchattigen Laube wieder in eine weite Lich¬ tung hinaus. Hier müſſen Erdbeeren ſein, ſagte das Mädchen, es duftet ſo ſüß. Sie gingen ſuchend durch den ſonnigen Raum; aber ſie fanden keine. Nein, ſagte Reinhardt, es iſt nur der Duft des Haidekrauts. Storm, Immenſee. 2

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Zitationshilfe: Storm, Theodor: Immensee. Berlin, 1852, S. 17. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storm_immensee_1852/23>, abgerufen am 24.11.2024.