Storm, Theodor: Gedichte. Kiel, 1852.Nun sinken die Glieder, nun halten sie an, Und athmen aus Herzens Grunde; Sie nahen sich schüchtern, und beugen sich dann, Und knien vor einander, und rühren sich an Mit dem zarten unschuldigen Munde. Doch müde werden die beiden allein Von all' der heimlichen Wonne; Sehnsüchtig flüstert das Mägdelein: "Ich mag nicht mehr tanzen im Mondenschein, Ach, käme doch endlich die Sonne!" Sie klettert hinunter ein Trepplein schief, Und schleicht hinab in den Garten. Die Sonne schlief und die Grille schlief: "Hier will ich sitzen im Grase tief, Und der Sonne will ich warten." Doch als nun Morgens um Busch und Gestein
Verhuschet das Dämmergemunkel, Da werden dem Kinde die Aeugelein klein; Sie tanzte zu lange bei Mondenschein, Nun schläft sie bei Sonnengefunkel. Nun ſinken die Glieder, nun halten ſie an, Und athmen aus Herzens Grunde; Sie nahen ſich ſchüchtern, und beugen ſich dann, Und knien vor einander, und rühren ſich an Mit dem zarten unſchuldigen Munde. Doch müde werden die beiden allein Von all' der heimlichen Wonne; Sehnſüchtig flüſtert das Mägdelein: „Ich mag nicht mehr tanzen im Mondenſchein, Ach, käme doch endlich die Sonne!“ Sie klettert hinunter ein Trepplein ſchief, Und ſchleicht hinab in den Garten. Die Sonne ſchlief und die Grille ſchlief: „Hier will ich ſitzen im Graſe tief, Und der Sonne will ich warten.“ Doch als nun Morgens um Buſch und Geſtein
Verhuſchet das Dämmergemunkel, Da werden dem Kinde die Aeugelein klein; Sie tanzte zu lange bei Mondenſchein, Nun ſchläft ſie bei Sonnengefunkel. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0102" n="92"/> <lg n="8"> <l>Nun ſinken die Glieder, nun halten ſie an,</l><lb/> <l>Und athmen aus Herzens Grunde;</l><lb/> <l>Sie nahen ſich ſchüchtern, und beugen ſich dann,</l><lb/> <l>Und knien vor einander, und rühren ſich an</l><lb/> <l>Mit dem zarten unſchuldigen Munde.</l><lb/> </lg> <lg n="9"> <l>Doch müde werden die beiden allein</l><lb/> <l>Von all' der heimlichen Wonne;</l><lb/> <l>Sehnſüchtig flüſtert das Mägdelein:</l><lb/> <l>„Ich mag nicht mehr tanzen im Mondenſchein,</l><lb/> <l>Ach, käme doch endlich die Sonne!“</l><lb/> </lg> <lg n="10"> <l>Sie klettert hinunter ein Trepplein ſchief,</l><lb/> <l>Und ſchleicht hinab in den Garten.</l><lb/> <l>Die Sonne ſchlief und die Grille ſchlief:</l><lb/> <l>„Hier will ich ſitzen im Graſe tief,</l><lb/> <l>Und der Sonne will ich warten.“</l><lb/> </lg> <lg n="11"> <l>Doch als nun Morgens um Buſch und Geſtein</l><lb/> <l>Verhuſchet das Dämmergemunkel,</l><lb/> <l>Da werden dem Kinde die Aeugelein klein;</l><lb/> <l>Sie tanzte zu lange bei Mondenſchein,</l><lb/> <l>Nun ſchläft ſie bei Sonnengefunkel.</l><lb/> </lg> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [92/0102]
Nun ſinken die Glieder, nun halten ſie an,
Und athmen aus Herzens Grunde;
Sie nahen ſich ſchüchtern, und beugen ſich dann,
Und knien vor einander, und rühren ſich an
Mit dem zarten unſchuldigen Munde.
Doch müde werden die beiden allein
Von all' der heimlichen Wonne;
Sehnſüchtig flüſtert das Mägdelein:
„Ich mag nicht mehr tanzen im Mondenſchein,
Ach, käme doch endlich die Sonne!“
Sie klettert hinunter ein Trepplein ſchief,
Und ſchleicht hinab in den Garten.
Die Sonne ſchlief und die Grille ſchlief:
„Hier will ich ſitzen im Graſe tief,
Und der Sonne will ich warten.“
Doch als nun Morgens um Buſch und Geſtein
Verhuſchet das Dämmergemunkel,
Da werden dem Kinde die Aeugelein klein;
Sie tanzte zu lange bei Mondenſchein,
Nun ſchläft ſie bei Sonnengefunkel.
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Zitationshilfe: | Storm, Theodor: Gedichte. Kiel, 1852, S. 92. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storm_gedichte_1852/102>, abgerufen am 16.02.2025. |