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Storm, Theodor: Ein Doppelgänger. Novelle. Berlin, 1887.

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Und als die Kleine ihm schmausend zunickte, holte er noch einmal etwas aus der Schublade. "Nun merk' auf!" rief er, "nun kommt der Nachtisch." Es war aber nur eine Messerspitze mit Butter, was er jetzt aus ihren Teller strich. "So", sagte er, "damit iß nun Deine letzte Kartoffel!" Und des Kindes Augen leuchteten vor Vergnügen.

Wenn die kleine Hausthürglocke schellte und Mariken mit ihrem Topfe wieder heim kam, dann griff John nach der Mütze und ging wieder auf seine Arbeit.

Als Christinchen dann eines Tags in die Küche lief, sah sie die Alte am Herde sitzen und mit besondrem Behagen aus ihrem Topfe löffeln; ein leckerer Duft schwamm ordentlich in der Küche, und nach dem mageren Mittag mochte ein begehrlicher Ausdruck deutlich genug auf dem Kinderantlitz stehen.

Die Alte legte den Löffel aus der Hand. "Komm, Kind, und halte mit!" rief sie, "das wird Dir gut thun!"

Aber Christine trat zurück und schüttelte das Köpfchen: "Ich hab' mit Vater schon gegessen."

Und als die Kleine ihm schmausend zunickte, holte er noch einmal etwas aus der Schublade. „Nun merk’ auf!“ rief er, „nun kommt der Nachtisch.“ Es war aber nur eine Messerspitze mit Butter, was er jetzt aus ihren Teller strich. „So“, sagte er, „damit iß nun Deine letzte Kartoffel!“ Und des Kindes Augen leuchteten vor Vergnügen.

Wenn die kleine Hausthürglocke schellte und Mariken mit ihrem Topfe wieder heim kam, dann griff John nach der Mütze und ging wieder auf seine Arbeit.

Als Christinchen dann eines Tags in die Küche lief, sah sie die Alte am Herde sitzen und mit besondrem Behagen aus ihrem Topfe löffeln; ein leckerer Duft schwamm ordentlich in der Küche, und nach dem mageren Mittag mochte ein begehrlicher Ausdruck deutlich genug auf dem Kinderantlitz stehen.

Die Alte legte den Löffel aus der Hand. „Komm, Kind, und halte mit!“ rief sie, „das wird Dir gut thun!“

Aber Christine trat zurück und schüttelte das Köpfchen: „Ich hab’ mit Vater schon gegessen.“

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[87/0087] Und als die Kleine ihm schmausend zunickte, holte er noch einmal etwas aus der Schublade. „Nun merk’ auf!“ rief er, „nun kommt der Nachtisch.“ Es war aber nur eine Messerspitze mit Butter, was er jetzt aus ihren Teller strich. „So“, sagte er, „damit iß nun Deine letzte Kartoffel!“ Und des Kindes Augen leuchteten vor Vergnügen. Wenn die kleine Hausthürglocke schellte und Mariken mit ihrem Topfe wieder heim kam, dann griff John nach der Mütze und ging wieder auf seine Arbeit. Als Christinchen dann eines Tags in die Küche lief, sah sie die Alte am Herde sitzen und mit besondrem Behagen aus ihrem Topfe löffeln; ein leckerer Duft schwamm ordentlich in der Küche, und nach dem mageren Mittag mochte ein begehrlicher Ausdruck deutlich genug auf dem Kinderantlitz stehen. Die Alte legte den Löffel aus der Hand. „Komm, Kind, und halte mit!“ rief sie, „das wird Dir gut thun!“ Aber Christine trat zurück und schüttelte das Köpfchen: „Ich hab’ mit Vater schon gegessen.“

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Zitationshilfe: Storm, Theodor: Ein Doppelgänger. Novelle. Berlin, 1887, S. 87. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storm_doppelgaenger_1887/87>, abgerufen am 25.11.2024.