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Storm, Theodor: Ein Doppelgänger. Novelle. Berlin, 1887.

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"Ei, so säg' ich die Beine ab", sagte John, "und schlag' ein paar Gängeln darunter; dann hast Du Deine Wiege!"

Aber dem jungen Weibe war ja die Wiege nur ein Spielwerk für ihren Unmuth gewesen; ein häßlich Lachen fuhr aus dem hübschen Munde: "Soll ich das Ungeheuer denn allein regieren?"

Er riß den Kopf empor: "Willst Du mich höhnen, Weib?"

"Warum nicht!" rief sie und verzog den Mund, daß ihre weißen Zähne ihm in die Augen blitzten.

"So helf Dir Gott!" schrie John und hob die Faust.

Sie sah es und sah erst jetzt den Jähzorn in seinen Augen flimmern. Ein jähes Entsetzen fiel sie an; sie flog in eine Ecke des Zimmers und stürzte dort zusammen. "Schlag nicht, John!" schrie sie. "Um Deinetwillen, schlag mich nicht!"

Aber seine stets so rasche Hand war in der Leidenschaft zu rasch gewesen. Die Hände an den Schläfen in das dunkle Haar gedrückt, mit scheuen Augen sah das Weib ihn an; seine Hand hatte ihr die Stirn nur leicht gestreift, sie selber sprach

„Ei, so säg’ ich die Beine ab“, sagte John, „und schlag’ ein paar Gängeln darunter; dann hast Du Deine Wiege!“

Aber dem jungen Weibe war ja die Wiege nur ein Spielwerk für ihren Unmuth gewesen; ein häßlich Lachen fuhr aus dem hübschen Munde: „Soll ich das Ungeheuer denn allein regieren?“

Er riß den Kopf empor: „Willst Du mich höhnen, Weib?“

„Warum nicht!“ rief sie und verzog den Mund, daß ihre weißen Zähne ihm in die Augen blitzten.

„So helf Dir Gott!“ schrie John und hob die Faust.

Sie sah es und sah erst jetzt den Jähzorn in seinen Augen flimmern. Ein jähes Entsetzen fiel sie an; sie flog in eine Ecke des Zimmers und stürzte dort zusammen. „Schlag nicht, John!“ schrie sie. „Um Deinetwillen, schlag mich nicht!“

Aber seine stets so rasche Hand war in der Leidenschaft zu rasch gewesen. Die Hände an den Schläfen in das dunkle Haar gedrückt, mit scheuen Augen sah das Weib ihn an; seine Hand hatte ihr die Stirn nur leicht gestreift, sie selber sprach

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[63/0063] „Ei, so säg’ ich die Beine ab“, sagte John, „und schlag’ ein paar Gängeln darunter; dann hast Du Deine Wiege!“ Aber dem jungen Weibe war ja die Wiege nur ein Spielwerk für ihren Unmuth gewesen; ein häßlich Lachen fuhr aus dem hübschen Munde: „Soll ich das Ungeheuer denn allein regieren?“ Er riß den Kopf empor: „Willst Du mich höhnen, Weib?“ „Warum nicht!“ rief sie und verzog den Mund, daß ihre weißen Zähne ihm in die Augen blitzten. „So helf Dir Gott!“ schrie John und hob die Faust. Sie sah es und sah erst jetzt den Jähzorn in seinen Augen flimmern. Ein jähes Entsetzen fiel sie an; sie flog in eine Ecke des Zimmers und stürzte dort zusammen. „Schlag nicht, John!“ schrie sie. „Um Deinetwillen, schlag mich nicht!“ Aber seine stets so rasche Hand war in der Leidenschaft zu rasch gewesen. Die Hände an den Schläfen in das dunkle Haar gedrückt, mit scheuen Augen sah das Weib ihn an; seine Hand hatte ihr die Stirn nur leicht gestreift, sie selber sprach

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Zitationshilfe: Storm, Theodor: Ein Doppelgänger. Novelle. Berlin, 1887, S. 63. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storm_doppelgaenger_1887/63>, abgerufen am 10.05.2024.