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Storm, Theodor: Ein Doppelgänger. Novelle. Berlin, 1887.

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todtschlagen!" schrie die junge Dirne und stürzte mit solcher Gewalt in seine Arme, daß ihm selbst die Füße auf dem Boden wankten. "Nun, Dirne", rief er, "sollten wir hier beide in den Brunnen? Es wär' vielleicht das Beste!" und hielt sie fest an seiner Brust.

Sie wollte sich von ihm losringen. "Laßt mich!" rief sie. "Was wollt Ihr von mir?"

Er sah sich um; sie waren ganz allein: das große Frauenzimmer hatte vor dem Aufseher sogleich die Flucht ergriffen; die anderen Weiber arbeiteten fern am Westrande des Ackers; er wandte seine Augen wieder auf das Kind in seinen Armen.

Sie hatte mit ihren kleinen Fäusten ihm ins Gesicht geschlagen. "Laß mich", rief sie, "ich schreie; glaub' nicht, daß Du mir Leides anthun kannst!"

Er schwieg eine Weile, und die dunkeln Augen beider sahen regungslos in einander. "Was ich Dir will?" sagte er dann, "Leids will ich Dir nicht thun - aber ich will Dich heirathen, wenn Du es willst!"

Sie antwortete nicht, ein paar Augenblicke

todtschlagen!“ schrie die junge Dirne und stürzte mit solcher Gewalt in seine Arme, daß ihm selbst die Füße auf dem Boden wankten. „Nun, Dirne“, rief er, „sollten wir hier beide in den Brunnen? Es wär’ vielleicht das Beste!“ und hielt sie fest an seiner Brust.

Sie wollte sich von ihm losringen. „Laßt mich!“ rief sie. „Was wollt Ihr von mir?“

Er sah sich um; sie waren ganz allein: das große Frauenzimmer hatte vor dem Aufseher sogleich die Flucht ergriffen; die anderen Weiber arbeiteten fern am Westrande des Ackers; er wandte seine Augen wieder auf das Kind in seinen Armen.

Sie hatte mit ihren kleinen Fäusten ihm ins Gesicht geschlagen. „Laß mich“, rief sie, „ich schreie; glaub’ nicht, daß Du mir Leides anthun kannst!“

Er schwieg eine Weile, und die dunkeln Augen beider sahen regungslos in einander. „Was ich Dir will?“ sagte er dann, „Leids will ich Dir nicht thun – aber ich will Dich heirathen, wenn Du es willst!“

Sie antwortete nicht, ein paar Augenblicke

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[46/0046] todtschlagen!“ schrie die junge Dirne und stürzte mit solcher Gewalt in seine Arme, daß ihm selbst die Füße auf dem Boden wankten. „Nun, Dirne“, rief er, „sollten wir hier beide in den Brunnen? Es wär’ vielleicht das Beste!“ und hielt sie fest an seiner Brust. Sie wollte sich von ihm losringen. „Laßt mich!“ rief sie. „Was wollt Ihr von mir?“ Er sah sich um; sie waren ganz allein: das große Frauenzimmer hatte vor dem Aufseher sogleich die Flucht ergriffen; die anderen Weiber arbeiteten fern am Westrande des Ackers; er wandte seine Augen wieder auf das Kind in seinen Armen. Sie hatte mit ihren kleinen Fäusten ihm ins Gesicht geschlagen. „Laß mich“, rief sie, „ich schreie; glaub’ nicht, daß Du mir Leides anthun kannst!“ Er schwieg eine Weile, und die dunkeln Augen beider sahen regungslos in einander. „Was ich Dir will?“ sagte er dann, „Leids will ich Dir nicht thun – aber ich will Dich heirathen, wenn Du es willst!“ Sie antwortete nicht, ein paar Augenblicke

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Zitationshilfe: Storm, Theodor: Ein Doppelgänger. Novelle. Berlin, 1887, S. 46. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storm_doppelgaenger_1887/46>, abgerufen am 28.04.2024.