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Storm, Theodor: Ein Doppelgänger. Novelle. Berlin, 1887.

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um den halb geöffneten Mund, der noch ein Weilchen in dem stillen Angesicht verblieb, ließ keinen Zweifel an ihrer Echtheit aufkommen. Während wir dann mit einander dem Hause zugingen, fiel es mir auf, wie sie mitunter ihren Arm auf seinem ruhen ließ, als wollte sie ihm sagen: "Du trägst mein Leben, und Du trägst es gern; Dein Glück und meines sind dasselbe!"

Als wir dann drinnen in dem bürgerlich schlichten Zimmer beim Morgenkaffee saßen, den man für mich aufgeschoben hatte, legte der Oberförster sich behaglich in seinen Lehnsessel zurück. "Christinchen", sagte er, mich und seine Frau mit einem schelmischen Blicke streifend, "ich habe Dir einen lieben Gast gebracht, von dem ich gleichwohl weder Namen noch Stand weiß; er mag uns beides sagen, wenn er uns verläßt, damit wir ihn doch wiederfinden können: es ist so tröstlich, auch einmal mit einem Menschen und nicht eben mit einem Herrn Geheimen Ober-Regierungsrath oder einem Lieutenant zu verkehren."

"Nun", sagte ich lachend, "Qualitäten habe ich nicht zu verhehlen"; als ich dann aber mit dem

um den halb geöffneten Mund, der noch ein Weilchen in dem stillen Angesicht verblieb, ließ keinen Zweifel an ihrer Echtheit aufkommen. Während wir dann mit einander dem Hause zugingen, fiel es mir auf, wie sie mitunter ihren Arm auf seinem ruhen ließ, als wollte sie ihm sagen: „Du trägst mein Leben, und Du trägst es gern; Dein Glück und meines sind dasselbe!“

Als wir dann drinnen in dem bürgerlich schlichten Zimmer beim Morgenkaffee saßen, den man für mich aufgeschoben hatte, legte der Oberförster sich behaglich in seinen Lehnsessel zurück. „Christinchen“, sagte er, mich und seine Frau mit einem schelmischen Blicke streifend, „ich habe Dir einen lieben Gast gebracht, von dem ich gleichwohl weder Namen noch Stand weiß; er mag uns beides sagen, wenn er uns verläßt, damit wir ihn doch wiederfinden können: es ist so tröstlich, auch einmal mit einem Menschen und nicht eben mit einem Herrn Geheimen Ober-Regierungsrath oder einem Lieutenant zu verkehren.“

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[16/0016] um den halb geöffneten Mund, der noch ein Weilchen in dem stillen Angesicht verblieb, ließ keinen Zweifel an ihrer Echtheit aufkommen. Während wir dann mit einander dem Hause zugingen, fiel es mir auf, wie sie mitunter ihren Arm auf seinem ruhen ließ, als wollte sie ihm sagen: „Du trägst mein Leben, und Du trägst es gern; Dein Glück und meines sind dasselbe!“ Als wir dann drinnen in dem bürgerlich schlichten Zimmer beim Morgenkaffee saßen, den man für mich aufgeschoben hatte, legte der Oberförster sich behaglich in seinen Lehnsessel zurück. „Christinchen“, sagte er, mich und seine Frau mit einem schelmischen Blicke streifend, „ich habe Dir einen lieben Gast gebracht, von dem ich gleichwohl weder Namen noch Stand weiß; er mag uns beides sagen, wenn er uns verläßt, damit wir ihn doch wiederfinden können: es ist so tröstlich, auch einmal mit einem Menschen und nicht eben mit einem Herrn Geheimen Ober-Regierungsrath oder einem Lieutenant zu verkehren.“ „Nun“, sagte ich lachend, „Qualitäten habe ich nicht zu verhehlen“; als ich dann aber mit dem

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Zitationshilfe: Storm, Theodor: Ein Doppelgänger. Novelle. Berlin, 1887, S. 16. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storm_doppelgaenger_1887/16>, abgerufen am 28.04.2024.