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Storm, Theodor: Ein Doppelgänger. Novelle. Berlin, 1887.

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rief sie, "nimm nur Dein Messer und stoß es da hinein!"

Aber während er sie anstarrte, ob denn das Furchtbare ihr auch ernst sei, rief sie plötzlich: "Nein, nein! Thu's nicht, das nicht! - unser Kind, John! - das wär' Todsünde!" und sie bedeckte hastig ihre preisgegebene Brust.

Er sagte langsam: "Ich weiß es nun, ich tauge nicht, ich bin doch wieder schlecht gegen Dich!"

"Du nicht! Du nicht, John!" rief sie, "ich bin die Böse, ich reiz' Dich, ich zerr' an Dir herum!"

Aber er zog sie fester an sich und verschloß ihren Mund mit Küssen.

"John!" flüsterte sie, als sie wieder frei war und wieder ihren Athem hatte, "schlag' mich nur, John! Es thut wohl weh, am meisten in meinem Herzen; aber dann küß' mich, küß' mich todt, wenn Du es kannst! Das thut noch süßer, als das Schlagen weh thut!"

Er sah sie an, und er zitterte, als er sie so in ihrer Schönheit sah: sein Weib, die keines andern war, als nur die seine.

"Ich will Dich nicht mehr schlagen", sprach

rief sie, „nimm nur Dein Messer und stoß es da hinein!“

Aber während er sie anstarrte, ob denn das Furchtbare ihr auch ernst sei, rief sie plötzlich: „Nein, nein! Thu’s nicht, das nicht! – unser Kind, John! – das wär’ Todsünde!“ und sie bedeckte hastig ihre preisgegebene Brust.

Er sagte langsam: „Ich weiß es nun, ich tauge nicht, ich bin doch wieder schlecht gegen Dich!“

„Du nicht! Du nicht, John!“ rief sie, „ich bin die Böse, ich reiz’ Dich, ich zerr’ an Dir herum!“

Aber er zog sie fester an sich und verschloß ihren Mund mit Küssen.

„John!“ flüsterte sie, als sie wieder frei war und wieder ihren Athem hatte, „schlag’ mich nur, John! Es thut wohl weh, am meisten in meinem Herzen; aber dann küß’ mich, küß’ mich todt, wenn Du es kannst! Das thut noch süßer, als das Schlagen weh thut!“

Er sah sie an, und er zitterte, als er sie so in ihrer Schönheit sah: sein Weib, die keines andern war, als nur die seine.

„Ich will Dich nicht mehr schlagen“, sprach

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[68/0068] rief sie, „nimm nur Dein Messer und stoß es da hinein!“ Aber während er sie anstarrte, ob denn das Furchtbare ihr auch ernst sei, rief sie plötzlich: „Nein, nein! Thu’s nicht, das nicht! – unser Kind, John! – das wär’ Todsünde!“ und sie bedeckte hastig ihre preisgegebene Brust. Er sagte langsam: „Ich weiß es nun, ich tauge nicht, ich bin doch wieder schlecht gegen Dich!“ „Du nicht! Du nicht, John!“ rief sie, „ich bin die Böse, ich reiz’ Dich, ich zerr’ an Dir herum!“ Aber er zog sie fester an sich und verschloß ihren Mund mit Küssen. „John!“ flüsterte sie, als sie wieder frei war und wieder ihren Athem hatte, „schlag’ mich nur, John! Es thut wohl weh, am meisten in meinem Herzen; aber dann küß’ mich, küß’ mich todt, wenn Du es kannst! Das thut noch süßer, als das Schlagen weh thut!“ Er sah sie an, und er zitterte, als er sie so in ihrer Schönheit sah: sein Weib, die keines andern war, als nur die seine. „Ich will Dich nicht mehr schlagen“, sprach

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Zitationshilfe: Storm, Theodor: Ein Doppelgänger. Novelle. Berlin, 1887, S. 68. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storm_doppelgaenger_1887/68>, abgerufen am 30.11.2024.